Schweigt mir von der Geschichte. Bin ich Herr da oben oder wer sonst!" Der Pfingstmontag ließ sich übel an. Als der Melker am Morgen das Vieh eintrieb zum Melken, brach die Bläß aus dem Weg, und da er brutal mit dem Stecken hinter sie ging, rannte sie blind gegen den Hag und riß sich das Fell von dem Rist. Das Blut lief aus der häßlichen Wunde. Der Louis aber fluchte und trat das Tier mit dem plumpen Schuh gegen das Hinterteil, daß es klatschte. Daniel kam dazu, und ehe sich der Melker dessen versah, hatte er ihm den schweren Stock aus der Hand gerissen und überm Knie zerbrochen. Von Rechts wegen sollt ich Euch das Holz aufbrennen, bis der Saft herausspritzt," sagte er mit ruhiger Stimme, aber wer ihn kannte, sah, daß er mit Gewalt an sich hielt. Ja, das fehlt mir noch. Wegen einein Stück Vieh!" brummte der Knecht. Und in acht Tagen seid Ihr abgelohnt. Hier ist eine Ferme und keine Metzig," fuhr Daniel fort. Da brauste der Melker auf und spie Schimpfreden aus. Das hat man mir doch gesagt, daß auf dem Florimont der Teufel regier! Schaffen bis man verreckt und jedeir Tritt hinnehmen, wenn dem Fermier ebbes ungrads arriviert! Der Stall verstickt, und in der Schlafkammer bläst einem der Wind das Kerzenlicht aus. Verfluchter Hundsfott, verbengeln lass' ich mich von so einem noch lang nicht. Wegen einem lausigen Stück Vieh, das stierig ist wie ein Frauenzimmer." Daniels Gesicht war fahl geworden. Aber ohne ein Wort zu erwidern ging er ins Haus. Der Melker schimpfte hinter ihm drein und schlurfte in die Käshütte, wo der Sepple just die Abendmilch in den Kessel geschüttet hatte und das Lab rührte. Wüste Reden quollen aus dem Mund des Macar*), er trat gegen den gkoßen kupfernen Kessel, in dem kniehoch die Milch stand. Das Erz dröhnte, und die Kette, an der es über dem schwarzen Feuer- loch hing, klirrte laut. Da klang die Stimme Junts hinter dem Melker . Ein Schinder ist kein Melker . Wer kein ehrlicher Melker ist, den leidet's nicht im Stall und nicht auf der Weid." Was, ich kein ehrlicher Melker!" schrie der Knecht. Da ist der Lohn und dort der Weg. Zieht ab!" Ich klag' vor der ganzen Marcarie! Auf acht Tage ist gekündet, Fermier!" trotzte der Melker und schob die Fäuste in den Sack. Da!" wiederholte Daniel und hielt ihm das Geld auf der flachen Hand hin. Nach einem Zaudeni, Schlucken und Schnaufen nahm der andere die Talerstücke, doch als Daniel sich von ihm ab- wendete und zum Sepple sagte: Geh in den Stall und schick die Käsmagd her, die Bläß muß gepflastert werden," da lachte der Melker roh hinaus. Und auf einmal packte ihn eine sinnlose Wut, er zog den Speichel zwischen die Zähne, und ehe der Sepple dazu- springen konnte, reckte er sich, und über den Rand des mannes- hohen Kessels spie er in die fette Milch. O Du Lauskaib, elender," eiferte Sepple. Aus der Brust des Daniel aber kam ein unartikulierter, rauher Schrei. Ein roter Brand tanzte vor seinen Augen, wilder Grimm schüttelte seine Glieder, und, von rasendem Ekel gepackt, schlug er Plötzlich die Arme um den Leib des Mannes, der das Aergste getan, was einem Fermier zwischen Himmel und Erde angetan werden kann, der in die fette, quellende Milch gespien hatte, schlug die Arme um die knochigen Hüften des Lästerers, stieß ihm den Schuh gegen das Schien- bein, daß er zusammenknickte, drängte ihn hintenüber, und wie er sich auch wehrte, keuchte und geiferte, dem Wirt die Hände um den Hals warf, ihn zu würgen, hoch über den Rand des Kessels und hinein in die verschimpfte weiße Flut stürzte Daniel Junt den Kerl. Und dreimal tauchte Daniel den Knecht in die Milch, so wild der auch tobte. Der Kessel dröhnte, die Hütte hallte, der Hüterbub, Floflo, die Catherine, das Salmele und die Köchin kamen gestürzt, und als der erste Schrecken sich gelegt hatte, schrien sie vor Lachen, und Floflo vergaß auf einmal ihre fülle Art aus der Klosterschule und tanzte wie ein Kobold um den Kessel, in dem Louis plätscherte und gurgelte. Laß die Kette ab," rief der Daniel den: Sepple zu, und ) Melker . dieser zog am Ring, bis der Kessel, der knapp über dem Feuer« loch schwebte, aufsaß und sich seitswärts neigte. Nun riß Junt den Melker mit einem Ruck aus dem Gefäß und stieß den Taumelnden zur Türe. So, jetzt fort mit Dir. Tu bist kein ehrlicher Melker gewesen, von Anfang an. Denn wenn einer dem Bauer in die Suppe und dem Fermier in die Milch speit, der speit unserm Herrn Jesus ins Gesicht." Sie waren still geworden als der Herr den Melker aus dem Kessel hob, und seine Worte klangen wie in einer Kirche.. Ohne Atem, blind und trunken taumelte der Louis über die Schwelle. Aber draußen, da schüttelte er die Faust uud tat einen greulichen Fluch. Dann schob er sich davon. Auf den roten Backsteinen der Käshütte stand die weiße Milch in Lachen, die ganze Abendmilch, die schon im Kessel bereitgestellt war, um mit der Morgenmelke gewärmt und ge- käst zu werden. (Fortsetzung folgt.) (Nnchdruck verboten.) Selbstverstümmelung bei liieren. Unerschöpflich sind die HülfSmittel, mit denen Mutter Ncitnr ihre Kinder ausrüstet, um sie für den harten Kampf ums Dasein stark und geeignet zu machen. Kein Jahr vergeht, ohne daß die sich mehr und mehr zu einem selbständigen Wissenschaftszweige auswachsende Biologie neue und interessante Erscheinungen aufdeckt und klarstellt, welche diesem Zwecke dienen. Gerade die letzten Jahre brachten wieder mehrere zusammenfassende Arbeiten, die eine der merk- würdigsten Eigenschaften im Reiche der Tiere, die Selbstverstnmme- lung, eingehend behandelten und ins rechte Licht setzten. Freilich handelt es sich hierbei nicht um eine absolut neue Erscheinung; bereits seit den ältesten Zeiten, als man anfing, Naturforschung zu treiben, sind vereinzelte Fälle von Selbstverstümmluiig bekannt, schon bei Aristoteles und Plinius finden wir sie erwähnt, und das Beispiel von der Eidechse dürfte wohl selbst dem städtischsten Grotzstadtlind vertraut sein. Wie deutlich steht mir noch die schmerzliche Enttäuschung vor Augen, wenn ich als Knabe auf der Eidechsenjagd durch Feld und Heide streifte und endlich nach langer Mühe eines dieser zierlichen Geschöpfe sicher zuhaben glaubte, stattdessen aber nur den zuckenden Schwanz in der Hand hielt, während die Echse sich längst in Sicher- heit gebracht hatte. Es ist erstaunlich, mit welcher Schnelligkeit die Abtrennimg des Schwanzes von statten geht; ein paar kräftige, schlagende und drehende Bewegungen von feiten des Tieres und die Durchtrennung ist vollzogen. Die Stelle, an der die Ablösung des Schwanzes erfolgt, ist eine genau bestimnite, sie geschieht nicht etwa, wie man eigentlich annehmen sollte, zwischen zwei Wirbel- körpern, sondern gerade in der Mitte eines der Schwanzwirbel. Vom siebenten Schwanzwirbel, von der Basis aus gerechnet, sind nämlich die Wirbelkvrper auf das Doppelte ihrer normalen Größe verlängert und laufen von beiden Seiten nach der Rütte dünn zu, so daß jeder Wirbel etwa die Form einer Sanduhr annimmt. An der dünnste».Stelle schiebt sich eine schmale. nicht verknöcherte Scheidewand eüi, und hier ist es, wo der Durchbmch erfolgt. Wie man durch einfache Versuche leicht festzustellen vermag, geschieht die Abtrennung des Schwanzes völlig unabhängig vom Willen des Tieres. Es ist ein reiner Reflex- akt oder, mit anderen Worten, ein Vorgang, der nicht der Einwirkung des zenttalen Rervensysteins, des Gehirnes, unterliegt. Die Unab­hängigkeit ist eine so große, daß geköpfte oder in der Mitte entzwei geschnittene Echsen genau wie gesunde Tiere bei Reizung dxr Schwanz- spitze den Schwanz abwerfen. Wie weitere Untersuchungen ergaben, liegt das Reflexzentrnm im Rückenmark zwischen den beiden Hinter- deinen. Wird nämlich eine Eidechse hinter den Schwanzextremitäten zerschnitten, so tritt die Selbstamputation unter keinen Umständen mehr ein. Die Hauptarbeit bei der Verstümmelung fällt der SchwanzmuSkulawr zu, und eine heftige Anstrengung des Tieres ist erforderlich, um sich seines Schwanzes zu eitt- ledigen. So kommt es. daß nur gesunde und kräftige Eidechsen zum Abwerfen des Schwanzes fähig sind. während durch Hunger oder Frost erschöpfte Tiere nicht mehr die Kraft dazu besitzen. Merkwürdigerweise läßt sich nach dem Tode der Schwanz ebenso schwer ausreißen oder abbrechen wie etwa eins der Beine. Unmittelbar nach der Ablösung des Schwanzes ziehen sich die Muskeln des Stummels fest zusammen, wodurch ein gefahrbringender Blut- Verlust verhindert wird. Bereits nach wenigen Tagen ist die Wunde völlig vernarbt, ein neues Schwanzende beginnt hervor- zusprossen, und im Verlaufe einiger Woche» ist der Schaden wieder ausgeheilt. Bisweilen kommen bei dem Heilnngsprozesie eigentümliche Mißbildungen vor, indem an Stelle der einen Schwanzspitze zwei bis drei neue gebildet werden, ja Aldrovandus berichtet sogar von einer vierschwänzigen Eidechse. Wenn auch eine verstümmelte Eidechse sicherlich in ihrer Beweglichkeit und Schnelligkeit stark be- einträchtigt ist, so liegt dennoch der Nutzen, welcher dem Tiere aus dieser Fähigkeit erwächst, klar auf der Hand, da es meistens wohl das Schwanzende ist, an dem es den Verfolger gelingen wird, das flinke Tierchen zu ergreifen.