Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 171.
16]
Daniel Junt.
Sonntag, den 3. September.
( Nachdrud verboten.)
Roman von Hermann Stegemann . Rangiert mir das," sagte Daniel und verließ die Hütte. Floflo schlich hinter ihm drein.
Als Catherine dem Nettele die Geschichte erzählte, wurde die Mamsell besorgt.
„ Mein Gott, auch das noch! Der Louis ist rein wie vom Galgen abgefeilt, und wenn der jetzt auch noch heßt, gibt's ein Unglück heute. Lauf zu den Grenzaufsehern, Tatine, sie kommen als um zwölf über den Weg und frag sie um Hülfe." Die Magd tat so, und die beiden Grenzwächter versprachen ihr, dem Gendarmen einen Wink zu geben, wenn sie abstiegen
nach La Motte.
Werd's mal meinen Kollegen sagen, die auf den Abend die Ronde haben," rief ihr der eine noch nach, der Wirt hat
ja für den Willens vom letzten Jahr her noch was zu gut bei uns. Wird prompt bezahlt, Fräulein! Allemal!"
1905
wenn's auch so war nach dem Buchstaben, die auf der Kanzlei lagen den Junt war's doch so gut wie eigen. Und er, der Daniel, er hätte es sich nicht mit Gewalt aus den Zähnen reißen, und von keinem Tribunal der Welt absprechen lassen! Die Junt auf dem Berg, so hieß es von Rappoltsweiler bis ins Münstertal und nach Geradmer hinüber. Die Junt auf ihrem Berg! Er pochte mit der Faust auf den Tisch, als müßte er in seiner stillen Kammer noch dazu auftrumpfen. ,, Daniel, Herr Daniel?"
Eine ängstliche Stimme, er fuhr auf.
,, Was ist, Nanette?"
Melker von den Fermen!" ,, Geschwind, Daniel, die Burschen von La Motte und die
Füße auf der Treppe. Und da hörte man auch schon ihre Stimmen und jetzt ihre
„ Es ist gut," entgegnete Daniel ruhig und ging durch den Saal auf den Flur.
den Gang hinaus. Vor dem Hause hockten sie auf den Bänken, Sie faßen in der Gaststube im Erdgeschoß und bis auf die Mädchen gingen Arm in Arm auf der Straße auf und ab. als Daniel nach ihm hinblickte, schob er sie verlegen hinter Der Xaveri Haberacker hatte die Ziehharmonika umhängen. den Rücken. Das machte den Wirt argwöhnisch.
Schau, schau, sie wollten also doch tanzen! Der Weibel und
Daniel Junt machte an diesem Tage den Melker. Noch ehe das Vieh wieder auf der Weide war und der Stall besorgt, begann sich die Gaststube mit Pfingstfahrern zu füllen. Mit Schmetterlingsneßen und Trinkflaschen kamen Gymnasiasten und Knabenscharen aus Kolmar zu Fuß, junge Damen in engen Kleidern, mit fieben Volants und hochgeschnürten der Gerichtsbote waren ausgeblieben und hatten das LanzKorsetts, den haubenförmigen Strohhut mit Bändern unterm Kinn geknüpft und durchbrochenen weißen Strümpfen stiegen aus den Breaks und tänzelten dann zum Grat hinauf, wo sie ebenen Weges auf dem Kamm stundenweit dahinwandeln fonnten. Es war ein Brausen wie in einem Bienenkorb. Am Nachmittag wurde es wieder stiller, nur die Catherine lärmte mit dem Geschirr.
Daniel saß in seinem Bureau. Er hatte nach Münster um einen Melker geschrieben. Drüben im leeren Tanzsaal knisterten die Dielen, die Sonne schien darauf, und da arbeitete das alte Holz. Zum offenen Fenster schwoll der würzige Hauch der Berge herein, über dem Goldlack, der im Gärtlein an der Hausmauer wuchs, schwirrten plumpe Schmetterlinge mit dicken, behaarten Bäuchen und großen Augen, Holztauben riefen im Kiefernbusch, und fernher klang helles, abgerissenes Gelächter.
Daniel sah in den Kalender, in dem er die Ankunft der Sommergäste notiert hatte. Am letzten Junisonntag kam Monsieur Grosjean mit Berthe. Er warf den Kalender in die Lade, wo eine Handvoll alter Patronen für die Jagdflinte lag, und stand auf. Der Lump, der Louis! Pfui Teufel, so ein Kaib! Sie hatten ihm die Ohren voll geblasen, aber bei Gott, den Respekt ließ er sich nicht abkaufen! Den Deckel konnten sie ihm über den Kopf schlagen, daß er in dem alten Gemäuer hocken bleiben mußte wie in einer Grabfiste, ihn schikanieren mit Flicken und ihm den Käs zehnmal auf die Wage legen und dran kragen, ob er recht in Gewicht und Gehalt, aber bodigen ließ er sich nicht. Ums Verrecken nicht! Er hatte dem Gemeinderat Anzeige gemacht von der Aufhebung der Assekuranz und daß nur noch seine Fahrhabe um ein weniges versichert sei. Sie konnten ihm nichts anhaben, die Versicherung hatte er sich vom Notar schon damals geben lassen, als er vom Maire wegfarriolt war. Nun wartete er, ob der Goldadler von Gemeinde wegen wieder nistete auf dem Florimont, wartete in der Gewißheit, daß sie keinen Sou an die Assekuranz setzen würden.
Sie famen ihm mit anderen Dingen.
Da lag schon wieder ein Avis, daß die Weide übersetzt sei mit Vieh, und der Fermier auf dem Florimont gehalten werde, keine Kuh mehr einzustellen im Stall. In dem Stall, wo sie sich aneinanderrieben und eine trächtige kaum durch die Türe ging! Diese Esel! Ihm Vorschriften machen vorn und hinten, als ob's noch nicht genug wäre daran, daß er nicht auf eigenem Grund stand! Er hatte es von Jahr zu Jahr stärker empfunden, daß das der Fluch war, der auf dem Hof lag. Die Junt waren die Herren auf dem Berg durch ihr Schanzen und Schaffen, durch bald hundertjährigen Besiz. Aber der Grmud gehörte der Gemeind, es war ein Lehen, an dem alle fich letzten und von dem nur einer steuerte, Aber
gebot nicht gebracht, das der Maire ihm abisiert hatte, aber hinten herum oder mit Gewalt wollten sie auf dem Florimont Stunden breit und sechs Stunden lang, bei viertausend Schuh ihre Pfingsttilbe etablieren! Der Florimont war groß, drei über dem Rhein . Da hatten sie Platz zum Gaukeln, so viel ihrer waren, nur nicht in dem Haus hier, in dem Saal über ihren Köpfen, wo die Diele noch rostete von dem Blut. Und jetzt erst recht nicht. Ums ganze Elsaß nicht! Sein Sach war's und dabei blieb's! Einen Eid drauf!
Eine Stunde ging hin. Sie saßen und tranken, traktierten einander und machten mit den Maidle ihre Späße. Aber Daniel merkte, daß sie sich gegenseitig Mut zusprachen. Der Melker des Maire warf Stichelreden aus wie Fußeisen, und sie lachten dröhnend zu seinen Worten.
Sinterteil fest auf das Schwobenzeichen und spiel auf. Auf He Xaveri, sit auf den neuen Grenzstein, mit dem dem Mönchsfelsen wird's wohl erlaubt sein zu tanzen. Dort heit, in die ihn der Blick des Bergwirtes verfekt hatte, und so Den Xavier verlangte nach Revanche für die Verlegenantwortete er hastig:
regiert feiner."
" Ich will auf dem Bänkle hocken und nicht auf dem Stein. Los, Buben!"
Und trozig nahm er sein Instrument zur Hand und begann zu spielen und zu singen nach der Melodie der Marseillaise :
gannen verlangend stehen zu bleiben. Schon waren ein paar Dann ging er in eine Polka über, und die Mädchen beBurschen zu ihnen hingeschlichen, jezt quietschte eine, die ihr Schatz zärtlich in die Hüfte gepfekt hatte, laut auf. Und auf einmal erhob sich alles, was in der Stube saß, schoben sich die anderen zur Tür herein, und aus dem Haufen schrie eine Stimme:
,, Wo ist der Wirt? Den Saal auf, wir wollen unsere
tilbe."
"
Auf, vorwärts, d' Stiege hinauf," drängten andere, und fie polterten die Treppe zu.
Da stand Daniel auf den oberen Stufen und rief hinab: ,, Macht keine Viehheiten, Buben. Es wird nicht getanzt bei mir. Draußen ist Plaz genug. Auf allen Weiden bis zum Ballon d'Alsace wird getanzt in der Sonne. Macht's auch fo."
der
Sie zögerten. Plötzlich schrie einer:
,, Ha, der kommandiert ein' nicht schlecht. So einer, wo Gemeind zu leid lebt."
,, Allons enfants de la marcarie,*) Le jour de boire est arrivé."*)
*) Senneret.
**)
Sauftag ist heute,