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Und dann ein anderer es war dem Maire sein Melfer; höre ihm mit innigem Behagen zu. Ich halte nämlich die tüchtig fluchen können. Erstens Daniel sah seinen roten Kopf, als er das Maul aufriß etwas von Menschen, haben sie Wortschatz, das ist etwas; zweitens haben sie und schrie: Wem gehört denn das Haus? Dem Junt, wo von der meist Humor. Diese Beobachtung ist zu beachten. Man guce sich Wem dabei nur die Süddeutschen an. Man höre sie sich an. Gemeind draufgesetzt ist, oder der Gemeinde? Gemeindland das Herz nicht hüpft, der hat entweder kein Herz oder es kann nicht ist's, uns gehört's. Hoch die Marcarie!" hüpfen. Im Fluchen ist schon das Lachen- in diesem lauten Boltern ist schon das schmunzelnde Stillesein. Und die besten Flucher haben Schmerbäuche. Doch drittens: ich fluche selbst gern, wenn ich auch feinen Schmerbauch habe.

Sie riefen es nach, und wieder begann die Ziehharmonika ihr nervenerregendes:

,, Allons enfants de la marcaric- e- e!"

Die Catherine riß den Vordersten am Hosenbund von Ser Treppe herunter, aber dann griffen die anderen nach ihr, und nur mit Mühe entkam sie den gierig wühlenden Händen, die ihr unter die Arme und in die Röcke fuhren.

Daniel hatte noch den ersten lärmenden Ruf auf die Marcarie gehört, dann sprang er mit einem Satz die Stufen hinauf, war im Nu in seinem Zimmer, riß die Flinte von der Wand, die Schublade auf, stopfte ein paar Patronen in den Sack und rannte zurück. Gerade als er wieder auf seinem Posten war, lag die Kartusche im Lauf.

Catherines Dazwischenkunft hatte ihm Zeit gelassen, eben stürmten sie herauf. Er trat auf die oberste Stufe.

,, Halt, oder ich schieß!"

Schmetternd flog der Ruf über sie hin, und als die ersten, die vor dem Flintenlauf zurückgeprallt waren, von den Nach­drängenden gegen oben geschoben, wieder aufwärts strebten, wiederholte Daniel noch einmal:

" Halt sag' ich! Wenn der erste vor dem Rohr ist, brenn'

ich ab."

Er hielt das Gewehr in Brusthöhe, das schwarze Flinten­loch starrte den Heraufsteigenden ins Auge. Dahinter der Wirt, halb im Licht, halb im Schatten, den Finger am Drücker, breitbeinig. Schwarz stand das buschige Haar über dem erd­fahlen, trotzigen Gesicht. Leise bebte das Rohr unter den heftigen Atemzügen seiner Brust. In seinem Aug' saß etwas, das schreckte die tollen Buben: der schoß, der trieb teine Possen. Er hat Schnupftabak im Lauf," spottete einer aus dem Haufen, aber die vordersten, die das schwarze Auge brennen und den stählernen Büchsenlauf im Zwielicht glänzen sahen, duckten sich unwillkürlich und drängten nach hinten.

Und der erste rief mit heiserer Stimme nach rückwärts, ohne den ängstlichen Blick von der Mündung losreißen zu können:

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" Danke! Wenn Du eine Prise von dem Daniel seinem Schnupftabak riskieren willst ich bin nicht Liebhaber!" Das klang so überzeugt und zugleich so komisch, daß sich die Spannung in einem unterdrüdten Gelächter zu lösen be­gann, aber auch das klang noch drohend und gereizt.

Daniel stand unbeweglich. Auf seiner Stirn spürte er feuchten Schweiß, der Luftzug von der offenen Zimmertür her strich kalt darüber hin. Er hatte grobes Schrot im Lauf und, so wahr er lebte, wenn der erste an den Lauf stieß, brannte er ab.

Da rief eine atemlose, triumphierende Stimme: Aus dem Weg, ihr Narrenbuben, die Gendarmen fommen.'

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Und im Hui rannte die Catherine die Burschen über den Haufen und fiel mehr als sie lief die Treppe hinan. Zwischen den Buben und dem Daniel stand sie plötzlich auf der Stiege, und ihr breites Gesicht flammte, ihre pralle Brust stieß reuchend den Atem aus, mit dem nackten, roten Arm wies sie über die Köpfe weg zur Haustüre.

Da! Jetzt lüftet Eure Bein', sonst päckeln Euch Schwoben."

( Fortsetzung folgt.)

Unterwegs.

( Nachdruck verboten.)

Von Wilhelm Holzamer  .

die

Wir sind fünf lebendige Menschen. Nicht sehr dick, im Gegen­teil, aber lebendig. Und der Eisenbahnwagen ist der reinste Vieh­stall, eng, niedrig, schmutzig, unbequem. Warum sind wir nicht Hieber daheim geblieben. Bläge für zehn Personen" steht über der Tür. Zehn Personen auf diesen fleinen schmalen Bänkchen. Und wir sind fünf, nicht dick, im Gegenteil, aber lebendig. Und haben noch Gepäck dazu.

Ein dicker Bäckermeister aus einer Pariser Vorstadt steigt ein. Er flucht im Jargon Faubourg St. Antoine. Vielleicht hat sein Urgroßvater die Bastille stürmen helfen. Er flucht, daß die Scheiben zittern ein wohltuendes Fluchen, das den französischen   Staat burchaus nicht schont, im Gegenteil, sagen die Darmstädter  . Jah

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Und nun steigt noch ein bretoner Bauer ein mit einem Bauern­forb, der es an Korpulenz mit dem Bäckermeister aufnehmen kann. wir protestieren. Aber der Bauer verzieht keine Miene. Er ist die starre Gelassenheit selbst. Er hört uns nicht an und er guckt uns nicht an. Er plaziert mit der unbeirrtesten Gemütsruhe seinen Riesenkorb und setzt sich selbst hin, so breit, als ob er die Bank für sich allein gepachtet hätte. Dann tut er seinen bebänderten Hut ab, lüftet sich seine blaue Bluse und fragt sich gründlichst die Haare durch, von vorn nach hinten, von links nach rechts, vorwärts und rückwärts. Und wir sind ganz still. Stille Besiegte.

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Die Beamten rufen zum Einsteigen und schließen die Türen ab. Gott   sei Dank! Es hätte uns noch schlechter gehen können. Plätze für zehn Personen" steht über der Tür. Wir sind fünf Dünne, der Bäckermeister ist dick, der Bauer behauptet seinen Besiz in ostentativer Breite. Und sein Korb verlangt ein Platzrecht, das nicht extra ge= schrieben ist. Es hätte noch schlimmer kommen können.

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Kurz vor dem wir uns in Bewegung setzen Gott, ist das ein Viehstall, in dem wir untergebracht sind! ich verehre eine flüchtige Sekunde lang eine Sekunde moralischer Schwäche. die preußische Bahnverwaltung furz vor dem wir uns in Bewegung fezen, wird die Türe aufgerissen. Wir protestieren nur der Bauer ver­harrt in Schweigen aber es hilft nichts. Ein Automobilist steigt ein. Wir schäßen stillschweigend seine Breitenmaße ab und blicken einander zu. Ein guter Brocken  - anderthalb Sizplatz- aber der Bug rollt.

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Also wir fahren wenigstens. Da draußen dreht sich Paris  langsam von uns ab. Die hohen Häuserreihen, die Laternen, die Dächer, die Schornsteine und bald liegt da fern wo nur ein dunkles Etwas, breit, dumpf, stumpf, mit blinkenden Lichtflecken, mit verglimmenden Leuchteaugen, und rollt tiefer und ferner ins Dunkel, in einen schweren, massigen, drückenden Dunst, in eine unheimliche Finsternis, von einer unheimlichen Breite und Ziefe, und man kann es nicht fassen, daß man darin leben könnte, atmen und die Augen auftun, sich bewegen und sich freuen, und daß sich dieser Riesentnäuel Dunkelheit mit dem springenden Lichtfunken aufhellen könnte zu einem lebendigen Getriebe, zu einer freien Helligkeit, in die des Daseins Ströme vielzählig münden. Und das freundliche Versailles tanzt an uns weiter gehts und weiter vorbei, sein Wald, sein Teich, sein Schloß, seine Villen fie stehen hell in der Mondnacht. Und weiter Chartres  . Die Türme seiner Kathedrale streben himmelauf, zwei gotische Spizztürme, der eine vom Filigran der Bildhauerarbeit durchbrochen, vom Mondlicht durch flossen, das von Kreuzblume zu Kreuzblume, von Fiale zu Fiale, von Fenster zu Fenster rinnt. Mächtig breit und hoch steht das Gebäude über der schlafenden Stadt. Die Kathedrale hat zwei be­rühmte Fensterrosetten. Auf die eine fällt nun breit der Mondschein. Es ist friedlich hier, still, eine Stille, die man von der Großstadt her nur tiefer empfindet.

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Der Zug ist wieder unterwegs, durch weites Land, von einer ziemlich eintönigen Formation. Aber was verklärt Nacht- und Fremd­sein nicht! Felder und Dörfchen, einsame Höfe, die Windungen eines Wassers, ein blinkender Teich, der Schatten eines Gehölzes und eine fern entgleitende Turmipize. Und ein naher Hahnenschrei, ein Eulenruf und der schweigende, helle Mond, der die Welt be­lächelt.

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Alles schläft im Kupee. Der dicke Bäckermeister ist eingeschlafen mit der Pfeife im Mund, der bretonische Bauer hält die Hand auf seinen Korb und schnarcht, der Automobilist hat die Karte sinten lassen. Der Zug rast. Neben uns her blinken die Schienenstränge des zweiten Gleises. Es ist eine Beruhigung, dieses zweite Gleis neben sich zu wissen, ( Ich verehre die preußische Bahnverwaltung gar nicht mehr) und ein Schnellzug rast in entgegengesetter Richtung an uns vorbei. Der Bäckermeister lutscht im Schlaf an seiner Pfeife weiter hat ihn der Lärm nicht wach gebracht der Automobilist ist auf­gefahren und hat seine Karte aufgenommen, in der er übrigens bei der flackernden Delfunzel nichts sehen kann, der Bauer hat sich nicht gerührt und fest und sicher seinen Korb weiter festgehalten. Die Jugend aber schläft einen tiefen Schlaf.

Wir sind in Le Mans  , der Stadt der billigen Butter und guten Gänse. Wieder ists die Kathedrale, die alles beherrscht. Ein Bau aus dem 11. und 13. Jahrhundert. Ein breiter, hoher Turm, flach, dem später eine niedrige, spitze Helmdachung aufgesetzt worden. Hier in Le Mans   lebte der Poet Scarron  , ein Krüppel, Gatte der Madame Maintenon  , der berühmten Geliebten Ludwigs XIV.

Hier zweigt sich die Linie nach Brest   zu, also in die nördliche Bretagne und nach dem Finistère ab. Diesmal treibt's mich südlicher Und dann bleibt immer noch die Wahl, diesseits oder jenseits der Loire   in die Basse Bretagne oder in die Vendée  . Der Entscheid fällt erst auf einer fleinen Station, wo es gilt: Angers  - Nantes   oder Saint- Nazaire  . Und dann bleibt immer noch die Chance Rennes  ,

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