Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 181.
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Daniel Junt.
Sonntag, den 17. September.
( Nachdrud verboten.)
Roman von Hermann Stegemann . Eh, warum seid Ihr nicht ab vom Vertrag, die Gemeind hätt Euch drausgelassen, wie mich dunkt," giftete der WiesAb vom Vertrag!"
bauer.
"
Daniel stand einen Augenblick wir vor den Kopf geschlagen. Ab vom Vertrag! Der Gedanke war ihm nie gekommen. Es traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, als hätte man ihm einen Muttermord angesonnen. Ab vom Vertrag! Ja, Herrgott im Himmel, war denn der Vertrag nicht gemacht auf hundert Jahre? Saß er nicht hier so tief angewurzelt wie die Stein, tiefer noch, gehörten denn die Junt nicht auf den Berg?
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,, Ab vom Vertrag!" stieß er hervor, und das Blut schoß ihm in die Augen, daß sie rote Adern zeigten, er stammelte und feuchte ja gibt's denn das! Ja freilich, wenn ich Euer Mieter wär, der im Zins wohnt, wie ein Beamter in der Stadt! Aber Himmelsakrament, ich bin doch fein läufiger Hund! Verantwortlich scheltet Ihr mich! Gut, ja, dafür bin ich verantwortlich, daß ich da oben bleib wie mein Vater selig und dem sein Vater. Wie mein Bub da oben bleibt. Ja, verzieh nur' s Maul, Wiesbauer, wegen dem Feistwerden ist's nicht. Ich scheiß Dir drauf, aber es ist einmal so, und wenn der Berg zusammenfeijt, so lieg ich drunter. Und das ist meine Verantwortlichkeit. Ich hab geschafft, ich schaff noch, aber in mein Recht laß ich mir nicht trampen. Und mein Sach ist's! Und wenn ich's nicht bei Euch find und nicht beim Gericht, eh, so schaff ich mir's felber."
Heiser, atemlos taumelte er einen Schritt zurück bis an den großen Kessel. Das Kupfer dröhnte leise, ein tiefes metallisches Brummen, das geisterhaft durch die halbdunkle Hütte
flang.
Eine Weile war es still, nur seine Atemzüge feuchten, dann sagte der Maire:
Das mußt Du dem Gericht sagen, wenn's Dich um die Brunst fragt."
Daniel richtete sich auf.
„ Mein Sach!"
Da stülpte der Maire den Filz auf. „ Adje!"
Der Storkenhans, der zuletzt ganz verstummt war, stapste hinter ihm drein. Daniel trat auf die Schwelle, die Hände in den Hosentaschen, mit den harten Zähnen die Unterlippe nagend. Sprühregen schlug ihm ins heiße Gesicht, stinkender Qualm froch um die Brandstatt, auf der die Hühner schrien. Das Bolt hatte sich verlaufen. Dem Better Antoine sein Bub half der Catherine beim Aufräumen des Schuttes. Daniel ging hinunter zur Ferme Hirth, halben Wegs aber befann er fich und pfiff der Magd.
„ Geh Du zum Kind, ich bleib oben." Er kehrte um und karrte im Schutt.
Der Lalie trat er nicht gern ins Haus. Und jetzt schon gar nicht. Er wälzte die Balfen und schichtete die Trümmer; wenn von der stehenden Mauer ein Stein herabfiel, sah er nicht hin. Ihn traf keiner. Der Stall war weggebrannt wie Kartoffelfraut, vom Dachgerüst lag noch Holz genug umber; jett stießen sie auf Küchengeschirr, zerbrochen, verbeult, an geschmolzen, so lag irdenes, fupfernes und gläsernes Gut untereinander im nassen Aschenhaufen. Da las feiner mehr heraus, was Wein, was Petroleum gehalten hatte. Die Hobelspäne, Lohkäse und das Scheitholz, alles war bis aufs legte aufgezehrt worden. Und gesehen hatte ihn niemand. Doch eins, Floflo! Auf dem Weg über die Stiege. Das Kind! Jekt lag's in der Ferme Hirth, in dem Bett, wo die Lalie geschlafen hatte. Wie es ihm nachgeschossen war in den Brand! So ein fremdes Ei im Nest, und hing ihm an, ärger als ein eigenes Kind!
Der Léon, der war gut aufgehoben, den hatte die Brunst nicht gefengt. Jetzt war Platz für das Berthele. Sie sollten's ihm beweisen, das mit dem Brand. Ja, der Bürgermeister, der war ein Schlauer, aber Himmelsakrament, fein Sach war's.
1905
Und jetzt war's getan und abgetan. Dreckiges Plunder gehört in die Wäsche, und wenn's getrocknet ist, trägt man's für neu. Das Gericht! Pah, er pfiff drauf! Was verstand das von dieser Sach! Von seiner Sach. Zwischen ihm und der Gemeind lag der Handel. Und jetzt ging's ans Bauen, ans Schaffen.
und wenn er die Rententitel noch dazu nahm, so langte es weit. Fünfzehntausend Franken hatte er auf der Sparkasse, Er hatte noch nie den Sou zweimal umgekehrt, jetzt galt ea den Sack leeren und bauen. Dem Maire zum Troß.
als
" Daniel!"
Er fuhr zusammen bei dem Anruf, die Hacke umkrampfend, müßte er sich zur Wehr sehen.
Der Bub des Antoine war's, der hinter ihm die Ziegel zusammenlas.
"
Was hast Du?" fragte er heiser.
,, Daniel, sagt, ist's wahr, daß es einer angezündet hat?" Wer sagt das?"
,, Sie haben drüber diskutiert im Dorf. Es sei auf Beftellung abbrennt."
„ Auf Bestellung?" lachte er bitter. Ja, sie haben's kommandiert, sie selber."
Als er das erstaunte Gesicht des halbwüchsigen Buben fah, brach er ab und schaffte schweigend weiter. Ohne Aufhören, bis ihm die Knie zitterten und die Fingernägel brannten. Er machte die Falltür zum Keller frei, fie war eingebrochen, aber das Holz hatte sich auf der Kellertreppe gesperrt, und der Bub ließ sich zwischen dem Sprießenwerk hinunter. Der graue Tag fiel hinein. Gr fand eine leere Flasche und zapfte vom nächsten Faß. Daniel goß einen Schluck auf die Hand. Es war von seinem besten Alten Reichenweirer. Und mit einem Rud jezte er die Flasche an den Mund und trank in durstigen Zügen. Sein Hals war trocken, die Zunge lag ihm bleiern im Mund, der Wein fiel ihm in den leeren Magen und trieb ihm eine jähe Hiße ins Blut. einem die Muden aus dem Hirn," sagte er und gab dem ,, Da, trink, der treibt Dir die Blödheit aus und sprizt Jakoble die Flasche.
Die Lalie schickte die Catherine hinauf, sie hab dem Daniel das Essen gerichtet. Er ging nicht hin. In der Käshütte war noch genug für ihn, und ein Bettschragen war auch da. Er ging nicht hinunter.
Der Lalie fragte er nichts mehr nach.
Bei seinem abgebrannten Plunder, da lag er gut, da famen ihm die Gedanken, da kroch ihm aus dem Schutt, was werden mußte auf dem Florimont.
,, Kommt eins zu Florence, Herr Daniel. Es hat grausige Fieber," bat die Magd endlich, als die Fermière sie zum zweitenmal geschickt hatte.
Er zögerte immer noch. Es war Abend geworden. Rauh fuhr der Wind über den First des Florimont, und niedrig trieb das Gewölf.
„ Lug, der Vatter!" sagte da der Bub und zeigte zur Ferme hinunter. Trotz der Dämmerung hatte er ihn erkannt. Er stand unten mit der Lalie auf der Matte.
Und jetzt winkte die Fermière und rief. Sie, verstanden die Worte nicht, aber es war eine wilde Angst darin. Die Magd ergriff Daniel am Hemdärmel.
„ Es ist etwas passiert. Kommt mit, Herr! Jesus Maria, wenn's das Kind nähm!"
Der Bub rannte schon die Matte hinab. Daniel sah, daß auch der Vetter winkte. Und auf einmal warf er die Hacke beiseite und sagte:
,, Der Vetter bringt's mit aus dem Dorf," und ging ihm entgegen.
Er hätte einen Eid darauf gelegt, daß der Antoine ihm einen Bericht brachte von La Motte. Meinten die, es hätte ihn mit der Angst gepadt! In Hemdärmeln ging er hinab. Die Catherine lief ihm nach mit der Jacke, die er bei der Arbeik abgelegt hatte.
Als Daniel auf die beiden zufam, fing die Lalie dem Vetter das Wort vom Mund und drängte sich an den alten Liebsten.
" Daniel, wenn's wahr ist, so mach über den Berg, eh der Gendarm kommt."
Du bist verrückt, Lalie," lachte er rauh.