Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 184.

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Das Duell.

Donnerstag, den 21. September.

Roman von A. Kuprin .

1905

( Nachdruck verboten.) den Säbel in die Scheide. Er atmete schwer und glich in diesem Augenblick mit weitgeöffneten bösen Augen, der buckeligen Nase und den entblößten Zähnen auffallend einem bösen, stolzen Raubbogel.

Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß. Bek- Agamalow lächelte mit breitem strahlenden Gesicht. Was? Stimmst Du mir bei? Wetkin, ich sage Dir: Lerne fechten. Bei uns im Kaukasus lernen es alle von klein auf. Ueben Hiebe auf Ruten, auf tote Hammel, auf Wasser..." Aber auf Menschen?" flocht Lbow ein.

" Auch auf Menschen," erwiderte Bek- Agamalow ruhig. ,, Und wie hauen sie! Schneiden mit einem Hieb einen Menschen von der Schulter bis zur Hüfte mitten durch. Das ist ein Hieb! Die halten sich aber auch dran!"

Verstehst Du das auch, Bek?" Bek- Agamalow seufzte bekümmert. Nein, ich kann das nicht Einen jungen Hammel schneide ich mitten durch... Hab's sogar mit einem Kalb ver­sucht... Einen Menschen aber, nein- den hau' ich nicht durch. Den Kopf schicke ich zum Teufel, das weiß ich, aber so quer durch... Nein. Mein Vater machte das mit Leichtigkeit.

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Nun, was sagen Sie? War das ein Hieb?" meinte er mit künstlicher Lässigkeit. Mein Vater im Kaukasus schlug mit sechzehn Jahren Pferden den Hals durch. Mitten durch! Kinder, man muß sich beständig üben. Bei uns macht man das so: klemmt eine Weidenrute in einen Schraubstock und haut zu, oder läßt Wasser von oben in einem dünnen Strahl fließen und haut. Wenn es keine Tropfen gibt, war der Hieb richtig. Nun, Lbow, jekt Du." Auf Wetkin kam Unteroffizier Bobylew mit erschreckter Miene zugelaufen.

Herr Leutnant... der Regimentskommandeur kommt!" Sti- illgestanden!" schrie Hauptmann Sliwa lang­gedehnt, streng und erregt auf dem anderen Ende des Plates. Die Offiziere gingen schnell zu ihren Abteilungen.

Ein großer, ungefüger Wagen fuhr langsam von der Chaussee auf den Platz und hielt an. Auf der einen Seite stieg, während der ganze Wagenkasten sich hinüberlegte, schwer­fällig der Regimentskommandeur aus, auf der anderen sprang " der Regimentsadjutant, Stabskapitän Fedorowski, ein hoher, patenter Offizier, leicht auf den Boden.

Nun, meine Herren, kommen Sie, probieren wir," bat Lbow mit brennenden Augen, Bet, Liebster, bitte, tomm'... Die Offiziere traten zur Lehmpuppe. Zuerst hieb Wetkin. Er gab seinem gutmütigen, einfältigen Gesicht einen wütenden Ausdruck und schlug aus Leibeskräften mit weitem, un­gefchicktem Schwung auf den Lehm los. Gleichzeitig gab er unwillkürlich den charakteristischen Ton Rach!" von sich, den die Schlächter hören lassen, wenn sie ein Rind zerlegen. Die Schneide drang eine Viertelelle in den Lehm ein, und Wettin zog den Degen mit Mühe wieder heraus.

Schlecht!" meinte Bek- Agamalom kopfschüttelnd. Sie- Romaschow

Romaschow zog den Degen aus der Scheide und setzte ver­wirrt den Kneifer zurecht. Er war mittelgroß, hager und ziemlich fräftig für seinen Wuchs, infolge großer Schüchternheit aber ungeschickt. Rapierfechten konnte er nicht mal auf der Kriegsschule, und während des halben Dienstjahres hatte er diese Kunst ganz verlernt. Er hob die Waffe hoch über den Kopf und streckte gleichzeitig instinktiv die linke Hand vor.

Die Hand!" schrie Bek- Agamalow

Aber es war schon zu spät. Die Spike rigte nur ganz leicht den Lehm. Romaschow, der großen Widerstand erwartet hatte, verlor das Gleichgewicht und schwankte. Die Säbel­schneide schlug gegen seine vorgestreckte Hand und riß vom Ende des Zeigefingers einen Hautfeten ab. Blut sprigte.

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Ach! Da sehen Sie!" rief Bek- Agamalow böse und stieg vom Pferde. So hauen Sie sich leicht die Hand ab. Wie fann man nur so mit dem Säbel umgehen? Na, macht nichts, Bagatelle, wickeln Sie fest das Schnupftuch drum, Sie höhere Tochter! Halt's Pferd, Fähnrich. Nun also, geben Sie acht. Die Hauptsache beim Hieb liegt nicht in der Schulter und nicht im Ellbogen, fondern hier in der Biegung des Hand­gelenks." Er machte einige schnelle freisförmige Bewegungen aus seinem rechten Handgelenk, und die Säbelklinge erschien über feinem Kopfe wie ein dichter, blizender Kreis. Jekt fehen Sie her: die linke Hand lege ich zurück auf den Rücken. Wenn Sie den Hieb führen, so schlagen und hauen Sie nicht etwa den Gegenstand, sondern zerschneiden ihn, als wenn Sie sägen, und halten den Säbel zurück, verstehen Sie? Außerdem merken Sie fich fest: die Fläche des Säbels muß unbedingt geneigt zur Hiebfläche sein, unbedingt. Davon wird der Winkel spitzer. Da, geben Sie acht."

Bet- Agamalow trat zwei Schritte von dem Tonbild zurück, durchbohrte es mit einem scharfen, zielenden Blid, stürzte plötzlich, während der Säbel hoch in der Luft blitzte, vor­wärts und führte mit einem schrecklichen, für das Auge unfaß­baren Rud einen blizschnellen Hieb. Romaschow hörte mur, wie die durchschnittene Luft durchdringend pfiff, und alsbald flatschte die obere Hälfte der Puppe weich und schwer auf den Boden. Die Schnittfläche war glatt, gleichsam poliert.

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Ei der Teufel! Das ist ein Hieb!" rief Rbow entzückt. Bet, Liebling, bitte, noch einmal."

Ja, Bet, noch mal," bat Wetfin.

Aber Bet- Agamalow schien zu fürchten, daß er die hervor­gerufene Wirkung beeinträchtigen könne, und steckte lächelnd

Guten Tag, Sechste!" ertönte die rauhe, ruhige Stimme des Obersten. Die Soldaten schrien laut und alle durcheinander von verschiedenen Seiten des Plates:" Wünschen guten Tag, Herr D- D- D- berst!" Die Offiziere machten Honneur .

,, Bitte, die Uebungen fortzusegen," sagte der Regiments­kommandeur und trat zum nächsten Zuge.

Oberst Schulgowitsch war durchaus nicht bei Laune. Er ging um die Abteilungen herum, legte den Soldaten auf den Garnisonsdienst bezügliche Fragen vor und schimpfte von Zeit zu Zeit in ganz gemeiner Weise mit der besonderen forschen Virtuosität, die alten Frontoffizieren bei solchen Gelegenheiten zu Gebote steht. Die Soldaten wurden durch den starren, un­verwandten Blick seiner greisenhaft blassen, welfen, strengen Augen gleichsam hypnotisiert, und sie sahen ihn, ohne zu blinzeln, kaum atmend und vor Schreck den ganzen Körper zusammennehmend an. Der Oberst war ein riesiger, dicker, stattlicher Greis. Sein in den Backenknochen sehr breites, fleischiges Gesicht lief nach oben, nach der Stirn zu, zusammen, Lendete unten in einem dichten, silberigen Backenbart und bildete auf diese Weise ein großes, schiefes Viereck. Die Brauen waren grau, zottig, drohend. Er sprach fast ohne den Ton zu er­höhen. Aber jeder Laut seiner ungewöhnlichen, in der ganzen Division berühmten Stimme einer Stimme, der er, wie es hieß, seine ganze dienstliche Karriere verdankte- war an den entferntesten Stellen des weiten Plates und sogar auf der Chaussee deutlich zu hören.

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Was bis Du?" fragte, vor dem jungen Soldaten Scharafutdinow, der am Turngerät postiert war, plötzlich stehen bleibend, der Oberst.

Gemeiner der sechsten Rotte Scharafutdinow, Herr Oberst!" schrie der Tatar mühsam und heiser.

Schafskopf! Ich frage Dich, auf welchen Posten Du kommandiert bist?"

Der Soldat, der durch das Anschreien und das bös­artige Aussehen des Kommandeurs verwirrt war, schwieg und blinzelte nur mit den Augenlidern.

Höhe.

Nu- un?" schraubte Schulgowitsch seine Stimme in die

,, Welcher Soldat Posten steht... der ist unverletzlich Tallte der Tatar aufs Geratewohl. Sann ich nicht wissen, Herr Oberst," schloß er plöglich leise und bestimmt.

Das volle Gesicht des Kommandeurs überzog sich mit dichter, ziegelfarbener Röte, und seine buschigen Brauen zogen fich zornig zusammen. Er wandte sich um und fragte scharf: Wer hat hier Dienst?"

Romaschow trat vor und machte Honneur. ch, Herr Oberst."

Ah

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ah! Leutnant Romaschow! Sie müssen sich gut mit den Leuten beschäftigen. Senie zusammen!" schrie Schul gowitsch plötzlich, wobei er die Augen rollte. Wie stehen Sie in Gegenwart Ihres Regimentskommandeurs da? Haupt mann Sliwa, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sho