Berliner Kunstfalons.

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Das Künstlerhaus" gibt in seiner Ausstellung eine Art gedrängter Uebersicht, ohne daß nennenswertes Neues geboten wird. Im Mittelpunkt steht ein großes Bild des Engländers Turner, zur Hälfte faucige Braunmalerei, zur anderen licht und sonnig. Eine italienische Landschaft mit Figuren im Vordergrund, ein großer Balast bildet den Hintergrund; so schwerflüssig die linke Seite ist, so leicht und locker und fein verschwimmt der rechte Teil. Und dieses Stück gibt ein Bild von der Bedeutung Turners, des englischen Malers, der zur Freilichtmalerei strebte. In der Zusammensetzung dieser beiden heterogenen Teile ist das Bild von besonderem zeitgeschicht­lichen Interesse; es stehen zwei Kunstperioden nebeneinander.

Den größeren Teil der Ausstellung nehmen die Wiener" ein, alles Namen von älterem Klang. Landschaften von Pettenkofer , Studien von Matart, die Erinnerungen an vergangene Zeiten weden. Draperien und schöne Stellungen. Frischer wirken die Landschaften hellgrünen Tons von Schwaiger, die aber noch zu primitiv sind, um ganz zu befriedigen. In dieser Umgebung wirkt das fleine Bildchen von Alt, eine alte Burg mit Bauern darstellend, alt= meisterlich fein. Das Ganze in schiefergrauem Ton gehalten, von weitem als Maffe trok der Kleinheit groß wirkend dank der vereini­genden Kraft der Farbe, im einzelnen aber reich an Feinheiten, die darum so nachhaltig wirken, weil sie sich nicht vordrängen, sondern verschwiegen wirken. Ebenso hoch ist ein außerordentlich malerisches Stilleben von Rumpler zu bewerken, das loder und duftig- weich gemalt ist. Den Hauptton gibt in dem Interieur eine große, filber­graue Gardine, die im Hintergrund leicht fällt und das Ganze fo ficher zusammenhält, ein Bild, das allen anderen weit voraus ist. G. von May bringt sich mit drei sentimentalen Bildern in unliebsame Erinnerung. Die in der Mondscheinlandschaft kniende " Elisabeth" aus dem" Tannhäuser " ist schlimm. Bartels stellt ein gutes Seebild aus, grüne Fluten mit überftürzenden weißen drei Von Uhde sehen wir gute ältere Bilder, die den Münchener Maler von bester Seite zeigen. Ein derber, charakteristischer Bauernkopf( Studie), drei ärmliche Kinder auf der Straße vor einem grauen, blumengeschmückten Hintergrund, und die Münchener Hille Bobbe". In den beiden letzten Bildern fällt der graue, helle, luftige Gesamtton auf. Das Kinderbild ist leichter, freier, loderer und gibt bei charakteristischer Durchbildung im einzelnen eine schöne aufgelöste Lichtwirkung. Die Hille Bobbe" Münchens , eine biedere Hökersfrau vor dem Maßkrug ist breit in den Gegen­Jägen des grauen Hintergrundes, der gelblichen Kleidung der Frau und dem Grün des Kruges. Ein reifes Können zeigt sich in der Be­herrschung der Mittel.

Wellentämmen.

Lesser Ury stellt einige seiner flüssigen, flüchtigen Land­schaften aus, in denen jede Kontur verblaßt und im Haltlosen ber­fchtvimmt; farbiges Feingefühl und zeichnerisches Unvermögen. 6. Kuehl gibt eine seiner befannten Interieurs, diesmal in hell­rot, eine Stube, in der ein Mädchen in hellrotem Kleide sigt. Die holländische Tradition der Interieurmalerei erhält in dem Dresdener Maler, der für Dresden als Ausstellungsstadt viel getan hat, eine moderne Fortbildung.

Das Bild von Grotemeyer Bor Stolberg 1807" ist ebenso umfangreich wie harmlos. Es gehört als Jllustration vielleicht in ein patriotisches Geschichtswert, das sich an grimmigen, bärbeißigen Kriegsbildern erfreut. Mit Malerei hat es nichts zu tun.

So gibt diese Ausstellung, die die verschiedensten Truppen auf­marschieren läßt, gewissermaßen ein Probesortiment. Ohne daß etwas Bestimmtes geboten wird, merkt man doch die Absicht, die Tendenz, die Richtung anzugeben, in der man zu marschieren gesonnen ist.

Er

Im Kunstsalon Keller und Reiner stellt ein junger Künstler aus Weimar aus, der in der fächsischen Kunstschule aus gebildet, speziell ein Schüler des Weimaraner Landschafters Hagen ist: C. Lambrecht. Lambrecht ist Landschafter, seine Bilder tennen teine anderen Motive als die Darstellung der Natur. bevorzugt alte Alleen im Herbst, in denen das Sonnenlicht golden funkelt und die breiten Stämme wie unter einer goldenen Last stehen, Weidenstümpfe auf tahlem, grauem Felde und Birken in grüner Wiese. So beschränkt sein können, so schülerhaft es er­scheint, so liegt doch in der in den Mitteln bewiesenen Mäßigung mehr als ein Erkennen der Grenzen. Auf den ersten Blick rechnen wir diese Bescheidenheit nicht hoch an. Wenn wir aber die Land­schaften mit den Birken betrachten, die so intim und warm wieder­gegeben sind, so malerisch fein mit dem grauen Boden zusammen­stimmen, wenn wir in einzelnen der Alleen die blaue, teilweise ins Violette dämmernde Luft zwischen den Stämmen sehen, so ge­stehen wir dem Künstler ein tüchtiges, ehrliches Wollen zu. Die großen Landschaftsbilder wirken vielleicht zuerst etwas bläglich und monoton, es fehlt die intime Belebung. Danach spüren wir auch hier eine Absicht, die besonders in den Werken: Jm Tannengrund", " In Waldestiefe"," Am Weiher" zum Ausdruc tommt. Es ist dies ein Hinstreben zum dekorativen Entwickeln impressionistischer An­regungen. Die fable, stille, blaßblaue Luft zwischen den aufrechten, beinahe parallel stehenden Stämmen, das grüne und braune Leuch­ten am Boden, die räumliche Tiefe, das goldige Flimmern in der Liefurter Allee" all dies ist einheitlich gedacht und zum Ausdruck gebracht, die Bilder sind auf einen Ton gestimmt. Die Feinheit des Mitempfindens ist erhalten, doch weicht die Intimität einer groß­zügigeren Darstellung. Alles in allem ist Lambrecht kein über­ragendes Talent, wohl aber ein verständnisvoller Lerner, ein ges

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schmackvoller Gestalter, der iminer weiß, wie weit er feinem Können trauen darf. Ca er noch jung ist, so muß sich erst erweisen, wohin er steuert. Aber schon jetzt erkennt man die Ehrlichkeit des Strebens, Das in den besten Bildern keine hinreißenden Schöpfungen geschaffen hat, wohl aber erkennen läßt, daß wir es mit einer Begabung zu tun haben, bei der wir an die Möglichkeit freier und eigener Ent­wickelung für späterhin glauben. Die Anspruchslosigkeit der Motive, das Absehen von effektvollen Arrangements in der Landschaft, das gründliche Studium der Naturerscheinungen, das Aufmerten auf malerische und speziell tompofitionelle Werte, so daß der zufällige Wirklichkeitsausschnitt wirklich ein Bild wird, ohne dessen Ziel durch lebertreibung der Gegenfäße erreichen zu wollen, dieses ernsthafte Eindringen in die Natur und Absehen von außerhalb des Malerischen liegenden Reizungen sentimental- stofflicher Art läßt Gutes erhoffen. Es ist ein Suchen darin, bei dem man manchmal die Empfindung hat, der Künstler sei zu bescheiden und traue sich zu wenig heraus. und das ist besser und verheißungsvoller als das sonst übliche Bramarbafieren, Proken und Uebertreiben.

Die Kunsthandlung Gurlitt fündigt ihre Wiedereröffnung als Salon für diesen Winter an. Hoffen wir, daß der jetzige Leiter denselben untrüglichen Blick für die Entwickelung der Malerei besitzt wie sein Vorgänger. Die Ausstellungen des alten Salons Gurlitt sind noch in bester Erinnerung. Sie brachten alles, was jest An­fehen genießt, und ihr Besuch war immer ein Genuß wie eine Be­lehrung. Zudem herrschte dort ein stiller Geist der Einkehr, und das Geschäftliche trat nicht so in den Vordergrund. Ein solcher Salon ist für Berlin jezt eine Notwendigkeit und wir nehmen an, daß er die Lücke ausfüllt, die der allzu einseitig moderne Kunstsalon Cassirer läßt. Was den Salon Gurlitt auszeichnete, das war die taftvolle Haltung, die er allem Neuen gegenüber einnahm. Jede lebertreibung fehlte. Und dennoch ließ sich der Leiter durch nichts beirren. Er gab eine Auswahl, die jederzeit über das Streben der Gesamtheit einen Ueberblick gab. So lentte er die Meinungen und diente wiederum selbst der Notwendigkeit der Geschichte. Ernst Schur.

Kleines feuilleton.

ts. Von den Fleischtöpfen Aegyptens . Jedesmal, wenn ich mich bei meinen Einläufen über die hohen Fleischpreise ärgere, muß ich mit Sehnsucht der Fleischtöpfe Aegyptens gedenken.

Und es taucht vor meinen Augen jenes fleine, russisch- polnische Grenzdörfchen auf, in dem ich die ersten Jahre meiner jungen The

berbrachte.

Als geborene Berlinerin fonnte ich mich natürlich nur schtver an die dortigen Verhältnisse gewöhnen; eines aber söhnte mein Haus­frauenherz immer wieder mit manchem Ungemach aus: das waren die nach unseren Begriffen lächerlich niedrigen Preise für Lebens­mittel, vor allem für Fleisch.

Dabei waren wir vom deutschen Vaterlande nur durch ein schmales Flüßchen, die Drewenza, getrennt.

Sogar den grünrödigen preußischen Gendarm fonnten wir drüben entlang spazieren sehen; fonnten sehen, wie er so mancher acmen Tagelöhnerfrau, die sich billigen Sonntagsbraten für ihre hungrigen Kinder unter Ziegenfutter oder Gemüse versteckt, aus Rußland herübergeholt hatte, das Fleisch konfiszierte und die Arme noch obendrein zur Anzeige brachte.

Und ein so ungeheures Verbrechen ist durch keine Geldstrafe zu fühnen, darauf steht unfehlbar Gefängnis; natürlich nur wegen der Verschleppungsgefahr der Viehtrankheiten. Wie man sich diese Strantheitsübertragung indessen vorstellt, ist mir zweifelhaft ge= worden, als man mir einmal sogar ein Stück gebratenes Fleisch tonfiszierte, das ich einer tranten Tante über die Grenze bringen wollte. Ob man meinte, daß die Tante davon die Maul- und Klauenfeuche hätte friegen fönnen oder das preußische Rindvieh, an dem ich mit dem Fleisch vorüberfuhr?

Sogar Leibesvisitationen sind den Frauen aus dem Volke gegen= über an der Tagesordnung, während die elegante Gattin des preu= Bischen Großgrundbesizers, die Kaviartönnchen in die Livreetaschen ihres Kutschers versenkt, unbehelligt über die Grenze fährt, oder Pakete mit Tee und Sardinenbüchsen zwischen das Pelzfutter ihres Mantels schiebt, wo sie eben niemand sucht.

Dabei ist in dem ganzen preußischen Grenzdorfe von zirka 1500 Einwohnern ein einziger Fleischer, den notorisch noch nie je= mand schlachten gesehen hat.

In allen Grenzbezirken gilt bei Arm und Reich, was Defrau dation anbetrifft, nur das Gebot: Laß Dich nicht erwischen." Um die anderen zehn fümmert man sich weniger. Ich weiß nicht, ob es die nahe russische Grenze ist, die so demoralisierend wirkt. Wir drüben im heiligen Rußland hatten noch den Vorzug, uns gänzlich ohne Zollstrupel dem billigen Fleischgenuß hingeben zu fönnen. Zum Ergößen( oder wärens Tantalusqualen?) der Berliner Hausfrauen will ich nur einige Ziffern hier anführen: So foftete das Pfund gutes Rind- oder Schweinefleisch 15-18 Ropeten, also 25-30 Pf. nach derzeitigem Rubelfurs. Eine große Rinderzunge erhielt man für 30 Ropelen 55-60 Pf. Kalbfleisch war weniger begehrt und das vorhandene darum noch billiger: 10-12 Ropeten= 20 Pf. das Pfund. Junge

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es war um 1890.

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