selben Alter tele Sie. Nennen Sie Ihren Namen, nennenSie nur Ihre Nationalität, so ändern wir die Todesstrafe inGefängnis um," aber Romaschow unterbricht ihn mit kalterHöflichkeit:„Ist umsonst. Herr Oberst, ich danke Ihnen. TunSie Ihre Pflicht." Dann wendet er sich zu dem Zuge Schützen..Soldaten," spricht er in festem Tone, natürlich deutsch,„ichbitte um einen kameradschaftlichen Dienst: Zielt aufs Herz!"Ein gefichlvoller Leutnant, der kaum die Tränen verbirgt,winkt mit einem weißen Tuche. Feuer...Dieses Bild trat Romaschow so lebhaft und deutlich vordie Phantasie, daß er, der schon lange mit großen, schnellenSchritten tief atmend dahingeschritten war, plötzlich zitterteund voll Schreck mit kranlpfhaft geballten Fäusten und klopfendemHerzen auf der Stelle stehen blieb. Alsbald lächelte er in derFinsternis schuldbewußt über sich selbst, schruinpfte zusammenund setzte seinen Weg fort.Bald aber packte ihn der unaufhaltsame Gedankenstromvon neuem. Ein grausamer, blutiger Krieg mit Preußenund Oesterreich hat begonnen. Ein riesiges Schlachtfeld,Leichen, Granaten, Blut, Tod! Es war die Hauptschlacht,die den ganzen Feldzug entschied. Die letzten Reserven rücktenan. Man wartete von Minute zu Minute auf das Erscheinender russischen Umgehungskolonne. Man mußte dem schreck-lichen Ansturm der Feinde standhalten um jeden Preis! Unddas schrecklichste Feuer, die wütendsten Anstrengungen desFeindes waren gegen das Kerenskische Regiment gerichtet.Die Soldaten fochten wie die Löwen, sie wankten nicht eineinziges Mal, obgleich ihre Reihen unter dem Hagel feind-licher Geschosse dahinschmolzen. Ein historischer Moment!Hielt man sich noch eine, zwei Minuten, so war dem Gegnerder Sieg entrissen. Oberst Schulgowitsch aber war wiederkonfus; seine Tapferkeit stand fest, aber seine Nerven hieltenden Chok nicht aus. Er schloß die Augen, zitterte, wurdeleichenblaß... Schon gab er dem Hornisten das Zeichen zumRückzug, schon setzte der Soldat das Horn an die Lippen, aberin dieser Sekunde kam auf schaumbedecktem, arabischem Rosseder Devisionsstabschef Oberst Romaschow hinter einem Bergehervorgesprengt.„Oberst, wagen Sie nicht, zurückzugehen!Hier wird das Schicksal Rußlands entschieden!"... Schul-gowitsch flammte auf:„Herr Oberst! Hier kommandiereich und trage die Verantwortung vor Gott und Kaiser! Ichkann mein Reginient unter dem Feuer nicht halten. Hornist,Rückzug!" Aber Romaschow hat ihm schon die Tronipete ent-rissen.„Kinder, vorwärts! Zar und Vaterland blicken aufEuch! Hurra!" Wahnsinnig, mit erschütterndem Geschreistürzen die Soldaten hinter Romaschow vorwärts. In einerRauchwolke fließt alles zusammen und wälzt sich irgendwohinin den Abgrund. Die feindlichen Reihen schwanken und ziehenin Unordnung ab. In ihrem Rücken aber, weit hinter denHügeln, glänzen schon die Bajonette der frischen Umgehungs-kolonne.„Hurra, Brüder, Sieg!"...Romaschow, der jetzt schon nicht mehr ging, sondern liefund lebhast gestikulierte, blieb plötzlich stehen und kam müh-sani zur Besinnung. Ueber seinen Rücken, die Hände undFüße, unter der Kleidung, über den nackten Körper schienenein paar kalte Finger zu laufen; die Haare auf dem Kopfebewegten sich; die Augen schmerzten von Tränen des Ent-zückens. Er wußte selbst nicht, wie er nach Hause kani, undblickte jetzt, aus hellem Traum zur Besinnung gekommen, er-staunt auf den wohlbekannten Hauseingang, den spärlichenObstgarten dahinter und auf das weiße, kleine Häuschen inder Tiefe des Gartens.„Welche Dummheiten kriechen einem doch im Schädelherum!" flüsterte er verwirrt. Und sein Kopf sank zaghaftauf die hochgezogenen Schultern.3.Zu Hanse angekommen, legte Romaschow sich, so wie erwar, im Paletot, sogar ohne den Säbel abzuschnallen, aufsBett, blieb lange unbeweglich liegen und blickte stumpfsinnigund unverwandt an die Decke. Er hatte Kopfschmerzen, undder Rücken tat ihm weh, und in seinem Innen: war es so öde,als wenn dort niemals ein Gedanke, ein Erinnern, ein Ge-fühl gelebt hätte: Er empfand nicht einmal Erregung oderLangeweile, sondern es lag nur etwas Großes, Dunkles undGleichgültiges in ihm ausgebreitet.Vor dem Fenster erlosch weich die traurige, zarte, grün-liche Aprildämmerung. Im Flur hantierte leise der Buncheund klapperte behutsam mit einem Gegenstand aus Melall.„Sonderbar," sprach Romaschow mit sich selbst,„ich habe"gendwo gelesen, der Mensch könne nicht eine Minute ohnerenken sein. Ich liege hier aber und denke an nichts. Istdem so? Nein, ich habe eben daran gedacht, daß ich nichtsdenke— das heißt, irgendein Rädchen in meinem Gehirn hatsich dennoch gedreht. Und in diesem Augenblick kontrolliereich mich wieder, folglich denke ich doch etwas..."Und er beschäftigte sich so lange mit diesen dummen,krausen Gedanken, bis ihm plötzlich physisch übel davon wurde:als wenn sich unter seiner Schädeldecke eine graue, schmutzigeSpinne ausbreitete, von der er sich auf keine Weise befreienkonnte. Er erhob den Kopf vom Kissen und rief:„Hainün!..."Im Flur dröhnte und rollte etwas, wahrscheinlich dasRohr der Teemaschine. Ins Zimmer stürzte der Bursche, soschnell und so geräuschvoll die Tür aufreißend, als wenn jemandhinterherjagte.„Herr Leutnant!" rief Hainün erschreckt.„War niemand von Leutnant Nikolajew da?"„Nein, Herr Leutnant!" schrie Hainün.Zwischen dem Leutnant und seinem Burschen hatten sichschon längst schlichte, zutrauliche, sogar etwas familiäre Be-Ziehungen herausgebildet. Wenn es sich aber um militärischeAntworten handelte, wie zum Beispiel„Zu Befehl, ja,"„ZuBefehl, nein,"„Wünsche Gesundheit,"„Kann ich nicht wissen,"so schrie Hainün diese unwillkürlich in dem hölzernen, unnatür-lichen, unsinnigen Ton heraus, den Soldaten Offizieren gegen-über in der Front stets gebrauchen. Es war das eine un-bewußte Gewohnheit, die sich von seinen ersten Rekrutentagenbei ihm eingebürgert hatte und wahrscheinlich für sein ganzesLeben sitzen blieb.(Fortsetzung folgt. 1(Nachdruck verboten.)Orleans.Das gelbe Fieber herrscht in New Orleans, wie es seit vielenJahren nicht mehr vorgekommen ist.Wer New Orleans kennt, wird sich darüber nicht wunder». DieStadt liegt in einer Sumpfgegend, zwischen dem See Pontchartrainund dem NÄssissippi, der 177 Kilometer weiter nach Süden sich inden Golf von Mexiko ergießt. Die Hitze ist im Sommer oft un-erträglich; dabei gibt es kein Glas klares Trinkwasser in der Stadt.Selbst in den besseren Restaurants erhält man das bei den Mahl-zciten übliche Glas Eiswasser in einer dunkclgrauen, manchmal gelb-lichen Färbung; feine rote Würmerfäden ziehen sich hindurch; aberes wird getrunken, man kennt es gar nicht anders. Es gibt keinemoderne Wasserleitung. Große hölzerne Zisternen, die Rcgenlvasserauffangen, liefern das Trinkwasser.Eine schwere Plage sind die ungeheuren Scharen von Mos-kitos, denen man nirgends entrinnen kaim. Will man dcS Nachtsin Frieden schlafen, muß man ein Moskitonetz über das Bettspannen. Diese Quälgeister hat man als äußerst gefährlich erkannt;sie sind es, durch welche die Ansteckung des gelben Fiebers erfolgt.Deshalb wird jeder Kranke sofort mit einem Moskitonetz umgeben. Die Zisternen haben gegenwärtig wegen der Moskitos eineLage Oel auf der Oberfläwc des Wassers und müssen mit einemäußerst feinen Drahtgeflecht bedeckt sein. Ein systematisch ge-führter Feldzug gegen die Moskitos hat mit der Ausbreitung desgelben Fiebers begonnen. Auf Anordnung der Beamten desBundes-Marine-Hosvitals sind im Monat August die Wohnungenmehrmals ausgeschwefelt worden. Die Bürger haben sich in ihrerAngst nach Washington um Hülfe gewandt, und Bundesbeamte findsofort in Aktion getreten. Nicht alle Wohnungen wurden ausge-schwefelt, sondern nur die Wohnungen der Armen. Bei den Reichenbenutzt man Räncherpulver, denn der Schwefel wäre kostbarenSachen, wie Gemälden, Teppichen, Gardinen usw. gefährlich ge-worden. Die Armen erhielten den Schioefel frei geliefert undräuchern mußten sie. aber Ersatz für ruinierte Sachen gab es nicht.Sehr mangelhaft ist die Kanalisation. Tie Wohnungsver-Hältnisse sind schlecht. Ratten und kleines Ungeziefer gibt es über-all in Menge, wo die armen Leute wohnen. Und in dieser StadtHausen nach dem Zensus von 1909 nicht weniger als 237 009 Men-scheu. Da fließt der mächtige Mississippi, der bei New Orleans einenKilometer breit und 35 Meter tief ist und die Stadt mit Wasser ver-sorgen könnte, wenn die nötigen Filtrieranlagen geschaffen würden.Seit sechs Jahren schon ist die Behörde für Kanalisation und Wasser-leitung beaustragt, solche Anlagen, die für den Gesundheitszustandder Stadt notwendig sind, herstellen zu lassen, aber mit südländischerNachlässigkeit, um es ganz milde zu beurteilen, läßt man sich immernoch Zeit.Die Amerikaner haben sich über die Zustände entrüstet, die sieauf der Insel Kuba nach dem Kriege mit Spanien(18981 vorfanden.Sie haben Havana von unterst zu oberst gekehrt. Die Stadt wurdemit der größten Energie gesäubert; eine Kanalisation wurde an-gelegt, für gutes Wasser und Straßenreinigung gesorgt und einAusrottungskineg gegen die Moskitos geführt. Man sagte denKubanern, man müsse New Orleans, den nächsten großen Hafen,vor Seuchen schützen, und Havana galt als alte Brutstätte des gelbenFiebers seit 1762. Die Uankee-Encrgie triumphierte über die