Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 194.

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Das Duell.

Donnerstag, den 5. Oktober.

( Nachdruck verboten.)

Roman von A. Kuprin . Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß. Wieder ertönte eine schüchterne, flehende, so jämmerliche Stimme, daß in ihr gar nichts Menschliches zu sein schien. ,, Herrgott, was ist das?" dachte Romaschow, der wie ange­wurzelt am Spiegel stand, in sein blasses Gesicht blickte und es doch nicht sah, mit einem Gefühl, als wenn sein Herz bebte und zerspringen wollte. ,, Herrgott, wie schrecklich!

Die klägliche Stimme sprach ziemlich lange. Als sie ge­endet hatte, route wider der tiefe Baß des Kommandeurs, jezt aber ruhiger und sanfter, als hätte Schulgowitsch seinem Born bereits Luft gemacht und seinen Machtdurst durch den Anblick fremder Demütigung gestillt.

Er sprach abgerissen:

" Gut. Zum letztenmal. Aber merken Sie sich, es ist zum letztenmal. Verstanden? Schreiben Sie sich das auf Ihre rote Saufnase. Wenn mir noch einmal Ge­rüchte zu Ohren kommen, daß Sie trinken Was? Gut gut, ich kenne Ihre Versprechungen. Daß Sie mir die Rotte zur Besichtigung gut instand bringen! Ist keine Rotte, sondern eine Schweinebande! In acht Tagen komme ich selbst und sehe nach. Und dann will ich Ihnen raten: Zuerst zahlen Sie mir das Soldatengeld wieder heraus und legen Rechen­schaft ab. Verstanden? Das morgen alles fertig ist! Was geht mich das an? Zeugen Sie immer drauflos... Ich halte Sie nicht, Hauptmann. Habe die Ehre."

Jemand bugsierte unsicher durchs Zimmer und ging auf Sen Zehenspitzen, mit den Stiefeln knarrend zum Ausgang. Aber sofort hielt ihn die Stimme des Kommandeurs, die plötz­lich übermäßig streng geworden war, um sich nichts zu ver­geben, zurück:

" Halt da, kommen Sie mal hierher, Sie Teufelspfeffer­büchse Läuft mun natürlich zu dem Juden, ah? Stellt Wechsel aus? Ach, Du Schaf, Schaf, Schafskopf... Daß Dir der Teufel in die Leber fahre! Eins, zwei. Einer, zwei, drei, vier Dreihundert. Mehr habe ich nicht. Gib sie mir zurück, wenn Du kannst. Pfui Teufel, was machen Sie für Gemeinheiten, Hauptmann!" schrie der Oberst aus vollem Halse und schraubte seine Stimme zur höchsten Höhe hinauf. Wagen Sie niemals wieder dergleichen! Das ist eine Gemeinheit! Aber nun marsch, marsch, marsch! Bum Teufel, Herr, zum Teufel. Habe die Ehre!

In das Vorzimmer trat, ganz rot, mit Schweißtropfen an der Nase und den Schläfen und mit umgefrempeltem, ver­störtem Gesicht der kleine Hauptmann Swjetowidow. Seine rechte Hand stak in der Tasche, und in ihr knisterten neue Kassenscheine. Bei Romaschows Anblick trippelte er haftig, ficherte unnatürlich und preßte mit seiner feuchten, brennenden, zitternden Hand krampfhaft die des Leutnants. Seine Augen liefen starr und verwirrt hin und her und sondierten gleich zeitig Romaschow: Hat er es gehört oder nicht?

" Der Wüterich! Wie ein Tiger! flüsterte er ungezwungen und vertraulich nach dem Zimmer zu nickend. Aber das macht nichts!" Swietowidow befreuzigte sich schnell und zitternd zweimal. Macht nichts. Ich danke Dir, Herr, danke Dir, Herr!"

Bon- da- ren- ko," schrie der Regimentskommandeur hinter der Wand, und der Klang seiner ungeheueren Stimme füllte mit einem Male alle Winkel des Hauses, und schien die dünne Wand des Vorzimmers ins Wanken zu bringen. Er setzte niemals eine Klingel in Bewegung, sondern verließ sich auf seine ungewöhnliche Stimme. Bondarenko! Wer ist da noch, laß ihn herein."

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1905

Er öffnete die Tür zum Arbeitszimmer, trat zur Seite, wich etwas zurück und machte Platz. Romaschow trat ein.

Oberst Schulgowitsch saß an einem Tisch in der linken Ecke vom Eingang. Er war in grauer Litewka, unter der prächtig glänzende Wäsche sichtbar war. Die fleischigen, roten Hände lagen auf den Lehnen eines Holzsessels. Das riesige, greisenhafte Gesicht mit einer kurzen, grauen Haarbürste auf Sem Kopf und weißem, feilförmigem Bart war mürrisch und falt. Die farblosen hellen Augen blickten feindselig drein. Auf die Verbeugung des Leutnants nickte er kurz mit dem Kopfe. Romaschow bemerkte plötzlich an seinem Ohr einen silbernen Ohrring in Gestalt eines Halbmondes mit einem Kreuze und dachte," den Ohrring habe ich doch früher nicht gesehen.

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Das ist nicht hübsch, Herr," begann der Kommandeur im Brüllbaß, der aus der Tiefe seines Leibes zu komment schien, und machte eine lange Pause. Schämen Sie sich, Herr!" fuhr er, den Ton erhöhend, fort. Dienen kaum ein Jahr und machen schon solche Sachen. Ich habe vielen Grund, mit Ihnen unzufrieden zu sein. Seien Sie so gut; was ist denn das? Der Regimentskommandeur macht ihm eine Be­merkung, worauf er, der kümmerliche Unterleutnant, Fähn­rich, sich erlaubt, mit dummem Geschwäß zu antworten. Das gehört sich nicht," schrie der Oberst plötzlich so betäubend, daß Romaschow zusammenfuhr. Frechheit! Gehört sich nicht!" Romaschow blickte mürrisch zur Seite, und es tam ihm vor, als wenn keine Macht der Welt ihn zwingen könnte, die Augen abzuwenden und dem Oberst ins Gesicht zu blicken. Wo ist Dein Ich?" klang es spöttisch in seinem Innern. " Jetzt mußt Du stramm stehen und schweigen."

Wer mir es hinterbracht hat, werde ich Ihnen nicht sagen, aber mir ist aus sicherer Quelle bekannt, daß Sie trinken. Das ist ekelhaft. Junger Mann, Gelbschnabel, der eben erst aus der Schule gekommen ist, säuft im Kasino wie ein Schustergeselle! Liebster, ich weiß alles; mir bleibt nichts berborgen. Ich weiß vieles, wovon Sie keine Ahnung haben. Wenn Sie auf der schiefen Ebene abwärts rollen, so ist das Ihre Sache. Ich sage Ihnen aber zum letztenmal: Merken Sie sich meine Worte. Geht nämlich immer so: Zuerst ein Gläschen, dann noch eins, und schließlich endet so ein Leben hinter dem Zaun. Prägen Sie sich das in Ihren Schädel, Herr. Außerdem aber merken Sie sich: Wir sind sehr lang­mütig, aber schließlich hat jede Engelsgeduld ein Ende. Treiben Sie uns nicht zum äußersten. Sie sind nur einer, die Offiziersgesellschaft aber ist eine ganze Familie. Schließlich nimmt man Sie einfach beim Wickel und entfernt Sie aus der Gesellschaft."

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" Ich stehe da und schweige," dachte Romaschow voll Summer und blickte unverwandt auf den Ohrring im Ohre des Kommandeurs. Und ich müßte doch sagen, daß ich selbst diese Familie nicht schätze und bereit bin, sofort aus ihr auszutreten und zur Reserve zu gehen. Soll ich das sagen? Wag ich es denn?" Romaschows Herz zitterte und hämmerte wieder; er machte sogar eine schwache Bewegung mit den Lippen und schluckte Speichel, blieb aber wie früher unbeweglich stehen.

Und überhaupt Ihre ganze Führung..." fuhr Schul­Gowitsch in grausamem Tone fort. Im vergangenen Jahre, als Sie noch nicht einmal ein Jahr gedient hatten, haben Sie zum Beispiel um Urlaub gebeten. Haben mir etwas von einer Krankheit Ihrer Mutter erzählt und mir auch einen Brief von ihr gezeigt... Nun, ich wage ja gar nicht, ver­stehen Sie ich wage nicht, meinem Offizier nicht zu glauben. Sprechen Sie von Ihrer Mutter, nun, so ist es Aber sehen Sie- eben die Mutter. Kommt alles vor. da kommt eins zum anderen, und Sie müssen doch ein­sehen...

Wie ein Leu!" flüsterte Swjetowidow mit falschem Lächeln. Adieu, Leutnant. Wünsche Ihnen leichte Predigt". Romaschow fühlte schon längst, daß, zuerst kaum merklich, Aus der Tür tauchte der Bursche auf, ein typischer dann aber immer heftiger und heftiger, sein linkes Senie zu Offiziersbursche mit regelmäßig- frechem Gesicht, geöltem zittern begann. Endlich wurde diese unfreiwillige, nervöse Scheitel an der Seite des Kopfes und in weißen Zwirnhand- Bewegung so stark, daß sein ganzer Körper zitterte. Das schuhen. Er sprach in ehrerbietigem Tone, blickte aber gleich war sehr albern und fatal, und Romaschev dachte voll Scham, zeitig frech, fogar etwas mit den Augen blinzelnd, dem Schulgowitsch könnte dieses Zittern für Furcht halten. Als Leutnant direkt ins Gesicht: Herr Oberst bitten Herrn aber der Oberst von seiner Mutter sprach, strömte plötzlich Leutnant." Romaschow das Bluf in heißer, berauschender Welle zu Kopfe,