Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 202.

20]

Dienstag, den 17. Oktober.

( Nachdruck verboten.)

Das Duell.

Roman von A. Kuprin .

Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß.

A- a- a!" schrie Schapowalenko die Zähne fletschend. Was soll ich mit Dir machen, Chlebnikom? Ich treib' und treib' Dich fortwährend an, aber Du bist und bleibst ein Ramel, nur daß die Höcker fehlen. Gar kein Bestreben! Du bleibst bis Ende der Instruktion wie ein Pfahl stehen; nach dem Mittagessen aber trittst Du bei mir an, dann werd' ich Dich besonders vornehmen. Gretschenko, wer ist unser Korps­

fommandeur?"

So geht es heute, morgen und übermorgen. Stets ein und dasselbe bis an mein Lebensende," dachte Romaschow, von einem Zuge zum anderen gehend. Soll ich alles hinwerfen und fortgehen?... Dieser Jammer!"

Nach der Instruktion" nahmen die Leute auf dem Hofe vorbereitende Schießübungen vor. Während die Mannschaft an einem Ende in einen Spiegel zielte und am anderen mit Zimmermunition nach der Scheibe schoß- wurden an noch einer anderen Stelle die Gewehre mit dem Liwtschak- Apparat aufs Ziel gerichtet. Im zweiten Zuge rief Fähnrich Lbow mit lustigem, hellem Tenor über den ganzen Platz: Grade aus... In Kolonnen... Rotte Feuer Eins, zwei! Rot- te." Er zog die letzte Silbe in die Länge, machte eine Pause und schmetterte dann kurz heraus:

" Feuer!"

Die Hähne knackten. Lbow aber sang wieder fröhlich

im Tenor:

,, Regt an!... Feuer!.

"

Sliwa ging gekrümmt und schlapp von einem Zuge zum anderen, forrigierte die Haltung und machte furze, grobe Be­merkungen.

Bauch' rein! Steht da wie ein schwangeres Weib! Wie hältst Du die Flinte? Bist fein Stüfter mit dem Licht! Was sperrst Du das Maul auf, Kartaschow, möchtest Grüße haben? Wie fizzt die Koppel? Feldwebel, laß Kartaschow nach der Uebung eine Stunde unter's Gewehr treten! Kanaille! Wie hast Du den Mantel gerollt, Wedenjeew? Weder Anfang, noch Ende, noch Bestand darin. Dummtopf!"

Nach dem Schießen stellten die Leute die Gewehre zu­sammen und legten sich bei ihnen in das junge Frühlingsgras, das hier und da von Soldatenstiefeln schon niedergetreten war. Es war warmes und helles Wetter. In der Luft lag ein Duft von jungen Blättern der Pappeln, die sich in zwei Reihen der Chaussee entlang zogen. Wetkin trat wieder zu Romaschow. Scheren Sie sich nicht daran, Jurij Alerejitsch," sagte er zu Romaschow und faßte ihn am Arm. Lohnt sich das? Ist die Uebung zu Ende, gehen wir ins Safino, genehmigen ein

Gläschen und alles ist vorüber. Ah?"

Mir ist traurig zumute, lieber Pawel Pawlitsch," meinte Romaschow betrübt.

Vergnügen ist es ja auch nicht," sagte Wetkin. Aber was ist dabei zu machen? Man muß doch die Leute einerer­zieren. Wenn nun plötzlich Krieg kommt?"

" Was heißt Krieg?" meinte Romaschow verdrießlich. Warum gibt es Krieg? Vielleicht ist das alles ein ganz allgemeiner Fehler, ein Weltirrtum, ein Wahnsinn? Ist es denn natürlich, zu töten?"

Ach, was philosophieren Sie da wieder. Wenn nun plötzlich die Deutschen über uns herfallen? Wer soll dann Rußland verteidigen?"

Ich weiß nichts und sage auch nichts, Pawel Pawlowitsch," erwiderte Romaschow traurig und schüchtern. Ich weiß nichts, gar nichts. Aber nehmen Sie zum Beispiel den Nordameri­fanischen Krieg oder die Buren oder die Guerillas unter Napoleon und die Chouans" während der französischen Nevo­lution... Wie haben die sich seinerzeit geschlagen! Einfache Landbewohner. Hirten!"

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1905

wir weiter nichts wissen, als rechten, linken im übrigen aber nicht bäh, nicht mäh und nicht fiferifi sagen können! Zu sterben verstehen wir, das ist richtig. Und wir werden sterben, wenn es verlangt wird soll uns der Teufel holen. Haben wenigstens nicht umsonst unser Brot gegessen. So ist's, Herr Philosoph . Wollen nach der Uebung ins Rafino gehen?"

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,, Na ja, gehen wir," willigte Romaschow gleichgültig ein. Eigentlich ist es eine Schweinerei, jeden Tag so die Zeit hinzu­bringen. Sie haben ganz recht: Wer so denkt, sollte lieber überhaupt nicht dienen."

und her und blieben beim vierten Zuge stehen. Die Soldaten In solcher Unterhaltung gingen sie auf dem Plaze hin saßen und lagen bei den zusammengestellten Gewehren auf der Erde. Einige aßen Brot, das die Soldaten den ganzen Tag Besichtigungen, beim Halt" im Manöver, in der Kirche vor oom Morgen bis Abend bei allen Gelegenheiten essen: bei der Beichte und selbst vor Körperstrafen.

rief:

Romaschow hörte, wie eine gleichgültige Stimme foppend

Chlebnikow , he, Chlebnikom!...

" Aeh?" erwiderte Chlebnikow mürrisch durch die Nase. Was hast Du zu Hause getrieben?"

"

Hab' gearbeitet," entgegnete Chlebnikom schläfrig.

Was hast Du denn gearbeitet, Schafskopf?"

,, Alles mögliche. Gepflügt, Vieh gehütet."

gediente Schpynew ein. Wir wissen ja, was er gearbeitet hat: ,, Was bändelst Du da mit ihm an?" mischte sich der alt­Hat Kinder lutschen lassen."

liche, tahle Gesicht Chlebnikows, und wieder regte sich in Romaschow blickte im Vorbeigehen auf das graue, kümmer­seinem Innern ein ungemütliches, wehes Gefühl.

aus."" Die Herren Offiziere an ihren Platz!" ,, An die Gewehre!" schrie Sliwa von der Mitte des Plates

Die Flinten klapperten und die Bajonette klirrten. Die Soldaten zogen den Rock zurecht und stellten sich an ihren Platz. ,, Stillgestanden!" kommandierte Sliwa. Rotte in Linie Antreten!"

Das

in

Dann trat er näher an die Notte heran und rief singend: " In Absätzen Griffe üben, dabei laut zählen... Rotte... Gewehr

über!"

Eins!" schrien die Soldaten und warfen kurz die Flinten die Höhe.

Sliwa ging langsam die Front entlang und machte kurze Bemerkungen:

trat

,, Kolben zurück, Bajonett höher, Kolben heran." Dann er wieder vor die Mitte der Notte und kommandierte: ,, Rotte... 3rei!"

" Zwei!" schrien die Soldaten.

Wieder ging Sliwa die Reihen entlang, um die exakte Ausführung des Griffes zu kontrollieren.

Nach den Griffübungen in Absätzen kamen zusammen­hängende Griffe, dann Richtungen, Schwenkungen, Marscha bewegungen und verschiedene andere Uebungen. Romaschom tat wie ein Automat alles, was der Dienst von ihm verlangte, aber ihm wollte ein Wort, das Wettin nachlässig hingeworfen, nicht aus dem Kopf: Wer so denkt, soll lieber nicht dienen. Der muß den Dienst quittieren." Und all die schönen Ein­richtungen des Dienstes: geschickte Schwenkungen, schneidige Griffe, festes Aufsetzen der Füße beim Marschieren und ferner all die taktischen, fortifikatorischen Uebungen, auf die er seine neun besten Lebensjahre verwandt hatte, die auch sein ganzes übriges Leben in Anspruch nehmen sollten und die ihm noch unlängst so wichtig und weise erschienen waren alles das tam ihm plöglich schrecklich öde, unnatürlich, ausgeflügelt, zweck- und ziellos, wie die Folge eines allgemeinen Irrtums, einem wüsten Traumt ähnlich vor.

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Als die Uebungen zu Ende waren, ging er mit Wetfin ins Rafino und beide tranken sehr viel Wodka. Romaschow, der fast die Besinnung verloren hatte, füßte sich mit Wettin und weinte hysterisch an seiner Schulter, beklagte sich über das öde " Ja, die Buren! Was Sie da für Vergleiche machen... und traurige Leben sowie darüber, daß niemand ihn verstände it so ein Ding. Meiner Meinung nach sollte, wer so denkt, und daß ein Weib" ihn nicht liebte; wer das aber wäre- lieber gar nicht dienen. Ueberhaupt ist es nicht angebracht, das würde nie jemand erfahren: Wettin aber goß Glas auf über unser Metier nachzudenken. Die Frage ist nur, wo sollen Glas hinunter und sagte nur von Zeit zu Zeit mit verächt wir beide hin, wenn wir nicht dienen? Wozu taugen wir, da llichem Mitleid: