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Herrlich und schön. Hören Sie, Romotschka, fliegen Sie im Traum?" Romaschow antwortete nicht gleich, ihm war, als wenn er in ein sonderbares, verführerisches, gleichzeitig wirkliches und märchenhaftes Zauberland eingetreten wäre. Ja, es war ein Märchen: Die Wärme und Dunkelheit der Frühlingsnacht und die aufmerksamen, horchenden Bäume ringsum, und die sonderbare, liebe Frau im weißen Kleide, die neben ihm, so dicht neben ihm saß. Und um aus diesem Zauber zu erwachen, mußte er sich gewaltsam zusammennehmen.

Natürlich fliege ich," erwiderte er, aber mit jedem Jahre niedriger und niedriger. Früher, in der Kindheit, flog ich unter der Zimmerdecke. Es war schrecklich komisch, von oben auf die Leute herabzusehen: Als wenn sie mit den Füßen nach oben gingen. Sie bemühten sich, mich mit dem Dielen­besen zu erwischen, aber das gelang ihnen nicht. Ich flog immer und lachte dabei. Jetzt ist das schon nicht mehr der Fall, jetzt hüpfe ich nur," jagte Romaschow seufzend. Ich stoße mich mit den Füßen ab und fliege über die Erde, so etwa zwanzig Schritt weit, ziemlich niedrig, nicht höher als eine Elle."

Schurotschka hatte sich ganz auf den Boden gelagert, stützte den Ellbogen auf und legte den Kopf in die flache Hand. Nach kurzem Schweigen sagte sie nachdenklich:

,, und eben nach diesem Traum wollte ich am nächsten Morgen Sie sehen. Hatte schreckliches Verlangen danach. Wenn Sie nicht gekommen wären, ich weiß nicht, was ich getan hätte. Ich wäre wohl selbst zu Ihnen gelaufen, des­wegen bat ich Sie auch, nicht vor vier Uhr zu kommen. Ich fürchtete für mich selbst. Mein Lieber, verstehen Sie mich jekt?"

In furzer Entfernung von Romaschows Gesicht lagen ihre gekreuzten Beine. Zwei kleine Füßchen in niedrigen Schuhen und schwarzen Strümpfen mit einem pfeilförmigen weißen Muster. Mit nebelhafter Empfindung und Sausen in den Ohren preẞte Romaschow plötzlich fest die Zähne gegen diesen lebendigen, elastischen, kalten, durch die Strümpfe fühlbaren Körper.

Romotschka... Nicht doch," hörte er ihre langgedehnte, gleichsam träge Stimme schwach über sich.

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das sich dicht an den Hügel lehnte. Aber dies Dach war mit ge­wichtigen Steinen beschwert, schon mancher Sturm war in seinem langen, langen Dasein darüberhin gebraustund so spreizten sich auch jetzt nur die äußersten Spiken des Rohres ein wenig wie die Genickfedern der mageren Hühner, die flüchtend aus dem Walde nach Hause strebten und sich in ihrer lomischen Eile fast überschlugen. Vater Greffer ließ sich's nicht anfechten. Vielleicht hörte er den Lärm faum und spürte den Qualm nicht, der zuweilen wie ein schwacher Kanonenschuß aus dem Herde herauspuffte. Er saß an dem fleinen Fenster der Küche und las in einem Bande alter Kriegss geschichten, die er schon so ziemlich auswendig wußte.

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Vater Greffer war selber ein Krieger: aus dem letzten Feld= auge war er auf einem rheumatischen und einem Holzbein heim­hatte er sich gewöhnt. Er war, was man gekommen. Jetzt störte ihn nur noch das erstere, an das letztere einen zufriedenen Menschen nennt, wenn nur das Feuer auf dem Herde und in der großföpfigen Tabakspfeife brannte. Tauchten ihm gelegentlich Zweifel an der Vollkommenheit seiner Lebensführung auf, so holte er aus seiner Bibliothek" ein ehrwürdiger Kalender war das zweite Hauptvert das dritte und letzte seiner Bücher: einen stark zerjungenen Band soldatischer Lieder. Wer dann zufällig oben über die Anhöhe ging, der sah zivar nichts von dem Sänger, aber er hörte es von unten herauf dröhnen und machte bei sich wohl die Anmerkung: Bater Greffer hält Erbauungsstunde. Mit Recht. Denn das tapfere Herz des alten Invaliden schleuderte bei dieser Gelegenheit allen Groll und Schmerz über sein armes, einsames Leben in die geduldigen Lüfte.

Länger als dreißig Jahre Hauste Vater Greffer in dieser elenden, windschiefen Hütte, die zwischen den das Skelett bildenden, breiten Tragballen aus Lehm und Feldsteinen zusammengeflebt war und bei ihrer Erbauung sicher des Winkelmaßes und der Wasser­ivage entbehrt hatte. Schon sein Vater, der Waldheger, hatte hier einen guten Zeil seines Lebens zugebracht. Er und der Knabe, ohne weibliche Hülfe. Greffer entfann sich seiner Mutter nur sehr undeutlich. Die Brotschnitte, die er an seinem ersten Schulgange in's Torf mitnahm, hatte schon der Vater abgefäbelt und ihm in den Tornister gesteckt. Nach der Schulzeit fam er zu einem Bauern in den Dienst, und nichts führte ihn vor seiner Soldatenzeit über das Torf hinaus. Tann mußte er in den Krieg. Aus dem Lazarett humpelte er zum Vater zurüc mit der ängstlichen Frage: Was nun?" " Bleib", sagte der. Vorläufig." Und er machte eine Ecke der Stube frei, zimmerte einen rohen Holzrahmen, schüttete Laub hinein und besorgte ein paar alte Pferdedecken. Bei dem Vorläufig" blieb's.

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Er erhob den Kopf, und wieder erschien ihm in diesem Und es blieb so, als der betagte Waldhüter starb und der gräf­Augenblick alles wie ein wunderbares, geheimnisvolles Wald- liche Besitzer des Forstes sich schämte, den Krüppel aus der elenden märchen. Mit dunkelm Grase und schwarzen, schweigenden, Hütte hinauszuwerfen. Es kostete nichts, störte teinen, und die vereinzelten Bäumen stieg das Gehölz gleichmäßig den Abhang posten" ein. Nur so ein wenig nach dem Rechten sehen, nicht gerade Stellung des Vaters ging ohnehin als ein überflüssiger Gnaden­hinan, und die Bäume horchten unbeweglich in gespannter Auf- arbeiten, sollte auch der Sohn für das ihm frei gewährte Logis. merksamkeit, wie im Traum auf etwas. Auf der Höhe aber Auf die Wilderer passen, von den Windbrüchen in dieser Waldecke erglühte durch den dichten Teil der Gipfel und der entfernten Mitteilung machen und dergleichen, damit ihm die Zeit nicht allzu Stämme über der ebenen, hohen Horizontlinie ein schmaler lang werde. Ein fleines Trinkgeld fiele bei Jagden auch wohl Abendrotstreifen nicht hellrot und nicht purpurn, sondern noch ab. dunkel blaurot, ähnlich einer erlöschenden Kohle oder einer nicht zu faufen. Mit dem Reisig weiß man so nicht wohin. Wollen Und so weiter", sagte der Graf. Holz brauchen Sie sich durch dunkelroten Wein schimmernden Flamme. Und auf diesem Berge zwischen schwarzen Bäumen lag im dunkeln, würzeug ist ohnehin nicht auszurotten. Ja, Donnerwetter, Greffer , Sie sich einen Kaninchenbraten verschaffen meinetwegen. Das zigen Grase, wie eine ruhende Waldgöttin diese rätselhafte, mit Ihrer Pension können Sie auf der kleinen Besitzung hier leben schöne, weiße Frau. wie ein richtiger Herr! Nur das sage ich Ihnen- wenn das Ding mal zusammenfippt, ich übernehme feine Verantwortung. Von Wiederaufbau ist keine Rede."

Romaschow rüdte ihr näher. Ihm war, als wenn von ihrem Gesicht ein weißes Leuchten ausginge. Ihre Augen waren nicht sichtbar an ihrer Stelle waren zwei große dunkle Flecke, aber Romaschow fühlte, daß sie ihn ansah. Das ist märchenhaft!" flüsterte er leise, nur den Mund bewegend.

Ja, Liebster, märchenhaft

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Er begann ihr Kleid zu küssen, suchte ihre Hand und beugte sich mit dem Gesicht auf die schmale, warme, wohl riechende Hand und sprach gleichzeitig seufzend und abgerissen: Sascha... Ich liebe Sie... ich liebe Sie."

( Fortsetzung folgt.)

Windbruch.

Von Ernst Preczang .

( Nachdruck verboten.)

Seine

Aus dem Nordwesten brauste der Oktobersturm herein. gewaltigen Flügel strichen über die Ebene, scheuchten die Strähen aus den Bäumen der Landstraße, machten die Häuser des Dorfes erzittern und bogen: die Wipfel der Bäume im Wald. Wie mit groben Riesenfäusten schlug's in das Gezweig. Es heulte, pfiff und fnallte im Forst und warf armdicke Aeste wie zerfnidte Streich­hölzchen nieder. Den Abhang lief's hinunter, schüttelte hohnlachend die majestätischen Wachholderpyramiden aus ihrer Ruhe, streute die grünen Beeren umber, zauste das halbwelte, sterbende Gras, daß es erschrect emporfuhr, und sprang auf Vater Greffers Strohdach,

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Greffer war heilfroh. Er dankte mit Tränen in den Augen. Wo er sonst hätte hingehen sollen diese Frage wäre als ein une heimliches Rätsel, als ein für ihn unlösbares, vor ihm gestanden. Denn mit der Pension allein Du lieber Gott ! Und wenn man fie an jedem Ersten in einzelne Pfennige zerschlug und jeden Pfennig vor dem Hinausgeben dreimal in beiden Händen herumdrehte bis zum folgenden Ersten wäre er schwerlich lebendig damit ge­fommen. Hier aber war ein Dach für Lebenszeit. Der Wald trug Beeren, gab ihm Holz und gelegentlich einen Braten. weilen zahlte ein Liebhaber auch etwas für einen eigenartigen, fnorrigen Spazierstock, den Greffer im Holze entdeckte und originell zurechtschnitzte. Ein paar Hühner suchten ihre Nahrung im Walde. Und auf einer kleinen Lichtung vor der Hütte wuchsen im mühsam gerodeten Boden Kartoffeln und Gemüse.

Ja, Donnerivetter, Greffer-!

Bu

Na, nicht gerade ein Leben wie ein Herr. Ein Leben des Mangels, ein geflictes, primitives Leben blieb's. Aber es regnete einem nicht auf den Kopf, und im stürmischen Herbst, im eisigen Winter, im nassen Frühling glühte der Herd. Für ihn wenigstens fand sich Futter in reichlicher Menge, wenn sein Besitzer das Ein­sammeln nicht scheute.

Dieser Herd, auch aus rohen Feldsteinen zusammengemauert, fennzeichnete die Küche als solche. Sie bildete aber zugleich den Hühnerstall und den Vorratsraum für die zerkleinerte Feuerung; Sie war Waschraum und Speisekammer; war einer von den zwei Räumen, die die Lehmwvände umfaßten. Zwar gelangte man auf einer Leiter aus der Küche noch nach einem dritten Raum, nach dem sogenannten Boden dicht unterm Dach, auf dem nur der etwas aus­richtete, der auf allen Vieren sich bewegte. Dieses dunkle, dreieckige