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Loch ward im Sommer von Greffer mit Waldhen angefüllt. In heißen Tagen hielt's ein wenig die Hize ab und half im Winter, die Hütte trarm zu erhalten. Außerdem brauchte er's zur Er­neuerung seiner Lagerstätte, die sein Vater einst in der Stube aufgeschlagen.

Stube! Ach, eine Stube!

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Der Fußboden wie in der Küche aus gestampftem Lehm mit Sügeln und Tälern, über die eine auseinanderstrebende, zertretene Strohmatte sich ausbreitete. Die Wände mit Kalkbewurf, der einst vorhanden gewesen und stellenweise noch heute die braune Blöße der Lehmmauer verhüllte. Ehemals weiß, bräunte auch ihn der Rauch des Berdes und der Dampf ungezählter Tabakspfeifen.

Ein kleines Hirschgeweih der einzige Schmuck. Eine lange Bank darunter. Vor dieser ein Tisch. An der kurzen Außenseite der Bettrahmen. Durch das kleine Fenster der anderen Längsseite fiel dämmeriges Licht auf zwei Holzstühle...

Ich suche in meiner Erinnerung, noch ein paar Nägel seh ich an den Wänden, mit alten, abgetragenen Kleidungsstücken daran. Ein verblichenes Fürstenbild.. nichts weiter. Vater Greffer mußte auf Einfachheit halten.

Einen Ofen fannte diese Stube nicht. Auch keine Tür zur Küche. Durch eine rohe Maueröffnung drang die Wärme und der Qualm des Herdes herein

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Als das rasende Wetter die Hühner bis vor die Tür der Hütte getrieben, drängten sie sich eng zusammen.

Ein leises Scharren auf der Schwelle störte die Lektüre des Invaliden. Er schlug ein großes Ohr in das Heldenbuch, trug's auf die Bank zum Kalender und Liederbuch und öffnete die Tür.

Eins, zwei, drei" er zählte bis sieben und lachte leise: Wird's euch ungemütlich draußen, ihr Rumtreiber? Wenn's weht, finden sie heim! Glaub ich!"

Ein Windstoß schlug ihm die Tür aus der Hand. Oho, oho!"

Er trat hinaus, schnell die Tür zu greifen. Ein heftiges Anaden ließ ihn zurückfahren.

Das Dach streifend, stürzte ein mächtiger Aft zu seinen Füßen nieder. Von einer Föhre, die der Hütte zugeneigt am Abbang stand, war er losgebrochen. Der Baum schwankte und zitterte in jeder Faser bis zu den Wurzeln.

Hol dich der!" Vater Greffer riß die Augen auf. Macht's nur nicht gar zu heftig!" Dann besah er sich den heruntergekommenen Aft und schmunzelte: Gut für den Winter. Komm hinter's Haus, Freund." Er hatte zu schleppen.

Wenn's noch eine Weile so dabei bleibt, gibt's eine gute Ernte," dachte der Alte. Er trat zurück ins Haus und freute sich der erwärmten Hütte, nachsinnend, was er nun beginnen solle. Da war ein Brachtexemplar von Stock zu schnitzen. Er bereitete alles vor und griff schon zum Messer, eine plötzliche Stille ließ ihn aufhorchen. Es schien, als habe das Wetter ausgetobt. Das Feuer im Herde brannte so ruhig.

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Greffer überlegte. Wollte man sich nicht die schönsten Stücke des Windbruches vor der Nase wegstibißen lassen, hieß es eilig sein mit dem Einsammeln. Denn nach dem Wetter zog das ganze Dorf mit Kinderwagen und Säcken aus, sich eine billige Feuerung her­anzuschaffen. Der Alte trat vor die Tür. Wirklich ganz still war's nun. Nur ein heimliches Schütteln und leises Brausen wühlte noch in den Wipfeln. Und zuweilen kam ein fanfter Stoß, wie aus der Ferne.

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Greffer zog seinen Karren hinter der Hütte hervor, schloß die Haustür ab und machte sich auf den Weg. Zuerst ging's um den Abhang herum. Dann führte ein gewundener Pfad in sanfter Steigung auf die Höhe. Jenseits der Hütte, wo der Sturm vom Feld in den Wald hineintrat, gab es immer die reichste Ernte.

Auch heute. Verwüstend hatte hier das Wetter gehaust. Dicke Stämme lagen gebrochen oder zersplittert am Boden oder lehnten sich entwurzelt an einen festgebliebenen. Unter jedem Schritt fnadte und knisterte es. Ueberfät war das Moos von starken Aesten und dünnen Zweigen. Hier konnten hundert Hände zugreifen.

Der Veteran begann eben, einen fräftigen Ast aufzuladen, als ein jäher Wetterstoß mit solcher Macht vom Felde hereinfuhr, daß der Alte am Karren hinfant und gestürzt wäre, hätte er sich nicht anflammern können.

Gleichzeitig erfüllte ein Knaden, Bersten und Krachen die Luft, ein Brausen, Wüten und Gurgeln, daß dem Hingesunkenen fast die Sinne bergingen. Dicht vor seinen Augen brach ein Baumriese wie ein Schilfrohr zusammen, seine Wurzeln in die Luft streckend und den Sand meterweit aufwühlend und umherschleudernd. Und wie als Ausrufungszeichen hinter diesem Zornausbruch gab's noch einen furchtbaren Knall, der von dem Fuße des Abhanges, von dort, wo die Hütte stand, heraufdröhnte. Wie ein Gewitterschlag war's, der irgend etwas zertrümmerte.

Greffer flüchtete auf eine fleine Lichtung und legte sich platt auf den Boden. Ein Wetterstoß folgte dem anderen. Einige Minuten noch. Dann ward's wieder still

Eine Stunde später zog der Alte schwißend seinen übervoll beladenen Karren abwärts. Fast ging dieser mit ihm durch, wenn eine besonders abschüssige Stelle die plumpen Räder ins Rollen brachte. Greffer hielt plöblich an und streckte die Nase in die Luft. Ein merkwürdiger Brandgeruch hing zwischen den Stämmen und wurde stärker, je tiefer er hinabkam,

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Noch sah er die Hütte nicht

Nach der letzten Biegung des Pfades aber zuckte der Alte wie von einemt jähen Schlage getroffen zusammen. Ein furchtbarer Schrei gellte hinauf

Wo die Hütte gestanden, lag ein kohlender, qualmender Trümmerhaufe; eine halbe Lehmwand stand schief und schwarz da mit schwelenden Balken. Quer über die Feuerstätte streckte sich ein durchgebrannter, noch glühender Baum. Vom Abhang war er heruntergekommen. Er hatte das Dach und den Boden durch­schlagen und das Herdfeuer zerstreut.

Greffer schrie: Feuer! Feuer!" ließ den Karren gänzlich hin­abrollen und humpelte dem Dorfe zu.

Dann aber fiel ihm ein, daß hier nichts mehr zu retten war. Er fehrte um. Ein einziges Huhn mit versengten Federn lief fläglich piepsend um die Brandstätte.

Meine Hühner!"

Als man im Dorf den Qualm bemerkte, wurde die Sprize ausgeschickt.

Die Feuerleute fanden den alten Greffer auf einem Baum­stumpf ſizend, das gerettete Huhn im Arm, blöde vor sich hinstierend in die schwarzen, glimmenden Trümmer feiner Hütte.

Kleines feuilleton.

er. Der Heiratskandidat. Eigentlich hätte er nun wohl gehen fönnen. Mamas Bestellung war ausgerichtet, und lange genug hatte er Tante Helene jetzt auch nachgerade aufgehalten. Ja es war wirklich Zeit, sich zu empfehlen; er empfahl sich aber trotzdem nicht. Die großen wasserblauen Augen hülflos dumm auf die Stiefel­pigen gerichtet, den Hut zwischen den Händen drehend, blieb er ruhig sizen, das Urbild komischer Verlegenheit.

Tane Helene lächelte mit feiner Ironie vor sich hin. Schweigend zog sie die bunten Seidenfäden durch ihre Stickerei, aber in ihrem Stopf haspelten die Gedanken: Was will er bloß? Er hat was auf dem Herzen. Was kann es sein?

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Zu dumm, wie er so dasaß, zu dumm! Dieses geschniegelte, gebügelte Männchen, den man es auf den ersten Blick ansah, daß der neueste Kragenschnitt und die Farbe der Kravatte seine höchsten Jdeale ausmachten. Zu dumm mit seinem faden Geckengesicht! Ob er nun endlich reden wollte? Sie riß die Seide hörbar durch die Stickerei, dann fing sie ungeduldig selbst an:" Was ist denn eigent­lich, Friederich?" Er lächelte blöde: Nichts Tante, was soll denn sein?" Du willst doch noch irgend etwas, also drucks nicht lange, rede!" " O, Tante, nein, nicht doch, oder ja, wenn wenn Du doch selber von anfängst. Tante, ich wollte nämlich mal bloß auf acht Tage.. Tante fannst Du mir nicht zehn Mark borgen?" Na Gott sei Dank, endlich!" sagte Tante Helene. Das hättest Du doch gleich sagen können; ich kann es übrigens dies­mal nicht." " Ach, Tante!" Ein Zug grenzenloser Enttäuschung malte sich auf seinem Gesicht. " Ich kann's nicht, Friedrich. Ich hab' auch meine Ausgaben, so um's Quartal herum wird man schon blank. Ist es denn so nötig?" Ach nötig" 1 er maulte ,, ich wollte es zu zwei Theater­billetts haben " Zu weiter nichts? Na dann brennts ja nicht." " Wenn es nur das wäre, ja, aber, aber. er druckste wieder, ,, na, ich kann es Dir ja auch sagen, Tante, ich.. ich habe nämlich die Absicht, mich zu verheiraten."

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Alter

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" Du?" Tante Helene brach in ein schallendes Gelächter aus. Na, warum ich nicht?" Der Neffe sette eine gekränkte Miene auf. Andere Männer heiraten auch mit sechsundzwanzig Jahren Das. Na, gewiß doch! Tante haft Du. Helene legte ihr hübsches Gesicht in möglichst ernsthafte Falten. Zulage hast Du wohl auch bekommen, denn mit Deinen paar Mark Gehalt fannst Du doch keine Familie gründen."

Nein, Tante, aber sie hat ja Geld." Jetzt strahlte sein Gesicht voll Triumph.

Ach so! Na, das ist ja recht erfreulich!" In Tante Helenes Stimme zitterte der Spott.

Er hörte es aber offenbar nicht, er fuhr eifrig fort: Der Vater hat' ne Fabrik, Tante, sehr viel Geld ist da,' n Haus haben sie auch und' ne elegante Wohnung in der Bülowstraße, de Bater ist sogar Kommissionsrat."

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So, und der gibt Dir seine Tochter?"

Na, erlaub mal, warum denn nicht?" Er warf sich in die Brust. Am Ende bin ich doch Kaufmann und aus feiner Familie, und wenn ich' ne reiche Frau friege, kann ich auch noch zu was tommen."

Ja.. dann.. ist ja wohl Aussicht." Tante Helene betonte das dann etwas sarkastisch, er hörte den Ton aber wieder nicht heraus, er jummelte:" Und siehst Du, Tante, dazu wollte ich doch die zehn Mark haben, ich wollt' mich mit zwei Theaterbilletts nobel zeigen, so was imponiert immer, und da ich sie durch' n Freun billiger friege, fönnt ich mit ihr auf' n ersten Platz gehen und