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ein Afrostichon auf Dich gemacht!" Und mit einemmale holte er wurde er noch einsamer; er hatte keinen Freund, er hatte auch kein einen Zettel hervor und las.
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Grün und gelb wurde es dem alles mit anhörenden Xerres vor, Augen. Er schwankte. Der Zettel war aus seinem Diarium gestohlen. Er mußte ersticken, wenn er jetzt nicht schrie! Und er schrie freischend auf:„ Dieb! Schuft! Lump!" Er stürzte vorwärts, griff nach dem Zettel, griff vorbei, schlug mit den Händen wie taumelnd um sich und schrie immer weiter Worte, die keiner mehr verstand, Worie, die keine mehr waren. Ueberraschung und Staunen lachendes Staunen auf allen Gesichtern. Dann juchste und jubelte alles durcheinander: Xerres... Don Juan Kerres", und darüber das hohle Pathos Arel Kleins,
der das Akrostichon vortrug.
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Und ganz allein der geschlossenen, lachenden, höhnenden Masse gegenüber der in ohnmächtiger Wut zitternde, frummgezogene, häßliche Junge mit dem verzerrten Gesicht. Er verlor alle Besinnung. Er heulte plöslich auf, er schlug wie wahnsinnig um sich. Bücher und was er fand schleuderte er in die johlende Schar, ein Tintenfaß riß er aus dem Verschlag. Er rief heiser dem noch immer deklamierenden Schüler etwas zu. Ich schmeiß'!" Und seine Augen, tveit aufge= rissen, daß die Augäpfel vorquollen, glänzten schrecklich, der Speichel rann ihm aus dem halboffenen Munde, und ein krampfhaftes Schütteln ging rudiveise durch seine Glieder.
Die übrigen wurden einen Moment ruhig. " Jungchen!" sagte der Nächste. Wenn Du nicht artig bist Und er wollt' den Arm packen und die Hand, die das Tintenfaß hielt. Aber ohne Besinnen, wie gestern den Stein, schleuderte Xerres ihm das Tintenfaß entgegen, daß die schwarze Flüssigkeit weit umberspritzte und die hellen Sommeranzüge zeichnete. Ein Ruf des Schreckens ein Fluch.„ Er ist verrückt!"
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Mädchen. Aber die trüben Gedanken, die ihn deshalb beschleichen wollten, scheuchte er bald, indem er sich selbst bewies, daß er gerade dadurch seine Ausnahmenatur dokumentiere und alle Großen einst gemieden und verachtet worden seien. So zog seine Eitelkeit selbst aus der Mißachtung Nahrung, er beschäftigte sich immer mehr mit sich selbst, las die neuen Philosophen und Dichter, plante ein großes Werk, das seinen Namen zu den Sternen heben sollte, und sog doch kraft seiner Natur aus den edelsten Schöpfungen menschlichen Geistes nur Gift. Denn nicht erhoben ihn die unsterblichen Werke, die er las es erhob ihn nur das Bewußtsein, daß er sie kannte, daß er dadurch vor anderen etwas voraus und deshalb nach seiner Meinung die Berechtigung hatte, diese anderen" überlegen und verächtlich anzuschauen.
aus
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( Schluß folgt.)}
Kleines feuilleton.
Eine in den Fels gemeißelte vorgeschichtliche Stadt. Die in Spanien mit der Aufdeckung von Numantia beschäftigten Deutschen Prof. Schulten und Sonstantin Koenen( Bonn ) haben, auf Maultieren durch weite Gebirgssteppen reitend, den entlegenen, um 90 vor Christi von den Römern zerstörten Ort Termantia aufgesucht. Diese Stätte gehört nach der Mitteilung Appians gleich Numantia zu den beiden legten Bergstätten der Keltiberer, die den Römern Widerstand leisteten. In sehr schwer und nur durch große Anstrengung erreichbarer Einöde liegend, 75 Kilometer südwärts von Und als wollt' es Xerres bestätigen, griff er, wie in einem geblieben. In mehrtägiger Arbeit haben die genannten Forscher die Soria, ist dieser Drt bisher der archäologischen Forschung unbekannt Rausche, nach allen anderen erreichbaren Tintenfässern und lachend, vergessene Stätte studiert. Es zeigte sich zu ihrer Ueberraschung, schreiend, weinend schleuderte er sie in die entsetzte Schülerzahl daß die ganze Gebirgsebene und deren zum Teil mit steil abhinein in einer blinden, nichts mehr kennenden Wut. Wie ein fallenden Terrassen versehene Abhänge mit in den Fels gemeißelten großes Erstarren kam es über die anderen. Die Tinte tropfte von Gesicht und Kleidern, floß mit leisem Gurgeln aus den Fäßchen, Wohnungen versehen find. Die einzelnen Zimmer blieben stand in tieffchtvarzen Lachen am Boden. diesem Grunde vorzüglich erhalten. Es fehlen mur Aber die entrüsteten die Holzteile der Häuser. Jungens faßten sich bald; sie drangen auf ihn ein. Da sprang er träger und Stockwerke, die Tür und Fensteröffnungen, die Keller, Aber die Balfenlöcher der Dachaufs Katheder. Die Bücher des Ordinariums lagen da noch. Er warf sie den Anstürmenden an die Köpfe. Im nächsten Moment Straßenrinnen, Wasserleitungs- und Abflußkanäle, die Treppen, Im nächsten Moment Gänge, Straßen, Wege, die Fruchtkammern, Taubenhäuser, Brunnen, wäre er trotzdem hinuntergerissen gewesen aber da scholl das grelle Läuten, das den Beginn der Stunde verkündete, das die Mischen der Zimmer, furz: die wichtigsten Teile der Niederlassung Schüler lähmte. sind vorzüglich zu sehen. Auch erkennt man die Stadttore, dann eine große Arena. Bei den in den Fels gemeißelten Straßen sieht Gräber. Im Mittelpunkt der Wohnstätte, auf dem das Ganze beman die Fahrgleise und zu beiden Seiten in den Fels gehöhlte herrschenden höchsten Punkte der Hochebene, deckten die beiden Forscher einen bisher unbekannten Tempel auf; sie fanden neben den vorherrschend vorgeschichtlichen Scherben auch römische. Nach Appian wurden in den römischen Kriegen die Termantiner gezwungen, sich in der Ebene niederzulassen. Dort fand sich tatsächlich in wohlerhaltenen Bauresten die römische Stadt; sie ist von einer sehr breiten Mauer umgeben, die im Innern einen über 212 Meter weiten Gang aufweist.
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Nur der Eine hörte es nicht. Er riß auch vom Katheder das Tintenfaß aus der Versenkung, in der es stand, goß die Füllung in die Klasse hinein, warf das Glas hinterher und hieb mit einem unartikulierten Schreien um sich, ob es auch ganz sinnlos war und er selbst sich an der scharfen Kante des Katheders nur Hand und Arm wund schlug. So tobte er nicht mehr wie der feige Xerres, sondern wie ein rasender, sich selbst nicht mehr fennender Diomedes.
Mehr als zehn Jahre sind darüber verflogen. Heinrich Hecker ist nicht schöner geworden. Der fuchsigrote Bart ist gewachsen, aber seine Struppigkeit läßt sich nicht fortbringen. Die Sprungriemen sind abgeschafft, doch die Beine haben, je mehr er sie durchzudrücken bemüht ist, immer noch das Gefnicie, als wären sie einmal gebrochen und ungleich angefeht und verheilt.
Er sitzt am See und hat den Kneifer schon zum dritten Male blank gerieben. Er hält ihn so, daß die Sonnenstrahlen sich darin fangen. Wunderliche Reflere fallen dabei auf den blanten Lauf des kleinen Revolvers, den er im Schoße hält. Ein Spielzeug. ganz neu; fauber und elegant; mit Patentsicherung und bequemem, mattpoliertem und geripptem Holzgriff. Man soll nur gute Sachen faufen, Sachen, von denen man weiß, daß sie funktionieren. Man muß sicher sein vor peinlichen leberraschungen. Besonders wenn man sich erschießen will. Und das wollte Heinrich Hecker.
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Notizen.
- Die Prager Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen " hat Adalbert Stifter ein literarisches Denkmal gestiftet, indem sie eine kritische Gesamtausgabe seiner Werke in Angriff nahm und als wissenschaftliche Unterlage dazu ein Stifter Archiv gründete.Bugegangen ist uns das 1. Heft von: Eduard Fuchs Die Frau in der Karikatur". Erscheint in zwanzig Lieferungen a 1 Mark. Mit 450 Text- Illustrationen und 60 meist doppelseitigen farbigen und schwarzen Beilagen. Verlag von Albert Denn die Selbstverachtung, an der er heimlich litt, war heut Langen in München . größer geworden als die Selbstbewunderung, die ihn mit überDas Deutsche Theater beabsichtigt, als eine seiner legenem Lächeln über alles hinwegirug. Da hatte er sich den nächsten Neuaufführungen auch Kleists Amphitryon" in Revolver gekauft und war hinausgegangen an den See. Er wollte seinen Spielplan aufzunehmen. wie Kleist sterben; nur noch einsamer. Und nun saß er hier und May Halbes neues Lustspiel„ Die Insel der hielt Abrechnung, an die er selber beinah glaubte, und die doch, Seligen" erlebt seine Uraufführung Ende November im Schauwie alles, was er tat, nur halb war und mit Selbstbefrug und spielhause zu Hamburg . Komödienhaftigkeit vermengt war.
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Das Düsseldorfer Schauspielhaus wird am Er dachte an das große Ereignis seiner Schülerzeit. Wie der Sonnabend mit Hebbels Judith" eröffnet. hereintretende Ordinarius ihn faum hatte bändigen können, wie Kyrill Kistlers Oper Baldurs Tod" fand bei seine Mutter viel zu tun gehabt hatte, um alles wieder ins Lot zu der Uraufführung im Stadttheater zu Düsseldorf freundbringen. Und wie es von diesem Tage ab in der Schule mit ihm liche Aufnahme. bestellt war. Die Klassenkollegen hänselten ihn weniger, seit sie ge10000 Singvögel umgefommen. Aus Hohenelbe sehen hatten, bis zu welcher sinnlosen Graltiertheit er sich versteigen wird dem Boten a. d. R." geschrieben: Durch den Ortan von ihrem fönnte. Aber während er selbst mit einem leisen und selbstgefälligen Fluge nach dem Süden abgelenkt, sind viele Tausende unserer geGruseln daran zurückdachte wie an etwas, das er sich selber eigent- fiederten Sänger in unsere Gebirgshöhen verschlagen worden und lich nicht zugetraut hatte, und das ihn in seinen eigenen Augen daselbst teils verhungert, teils erfroren. Auf der„ Weißen Wiese" erhob, wuchs er dadurch im Urteil seiner Mitschüler gar nicht. Sie allein wird die Zahl der umgekommenen Vögel auf 2000 geschätzt, fühlten dunkel, daß sie in dieser Maßlosigkeit und Blindwütigkeit unter denen verschiedene Arten, als: Finken, Notteblchen, Meisen, nur das Gegenteil seiner sonstigen Feigheit, Aehnlichkeit und inneren Beisige usw. vertreten sind. Nach oberflächlicher Schägung dürften Unsicherheit vor sich gehabt hatten, und sie zogen nur die Lehre im Gebirge mindestens 10 000 dieser armen gefiederten Sänger den dazaus, ihn noch mehr als bislang sich selbst zu überlassen. So Tod gefunden haben.
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