Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 218.

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Das Duell.

Roman von A. Kuprin .

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Mittwoch, den 8. November.

( Nachdrud verboten.)

Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß. Träge, fast traurig, fuchte Romaschow Bek- Agamalow und Wetkin auf, die er bitten wollte, seine Sekundanten zu sein. Beide sagten gern zu Bet- Agamalow mit finsterer Ent­schlossenheit, Wettin mit freundlichem und vielsagendem Händedruck. Nach Hause wollte nomufchowo nicht aehen es trübe und langweilig. In diesen schweren Augenblicken seelischer Ohnmacht, Einsamkeit und müden Nichtverstehens des ganzen Lebens hatte er das Bedürfnis, einen teilnehmenden Freund und gleichzeitig einen feinempfindenden, ihn ver­stehenden Menschen zu sprechen.

Und er dachte plötzlich an Nasanski. 21.

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dort war

Najanski war wie gewöhnlich zu Hause. Er war eben erst aus schwerem, trunkenem Schlafe erwacht und lag jest mir im Unterzeug, die Hände unter dem Kopfe verschränkt, auf dem Bette. In seinen Augen lag gleichgültiger, müder Trübsinn. Sein Geficht veränderte den schläfrigen Ausdruck nicht, als Romaschow sich über ihn beugte und unsicher und unruhig sagte:

,, Guten Tag, Wassili Nylitsch, störe ich auch nicht?" Guten Tag," erwiderte Najanski heiser und leise. ,, Bringen Sie was Gutes? Sehen Sie sich."

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Er streckte Romaschow die heiße, feuchte Hand entgegen, sah ihn aber derartig an, als wenn nicht sein lieber, inter­essanter Kamerad vor ihm wäre, sondern eine seiner gewöhn­lichen Traumerscheinungen.

" Ist Ihnen nicht gut?" fragte Romaschow schüchtern und setzte sich zu seinen Füßen auf das Bett." Dann will ich nicht stören. Ich gehe wieder."

Najanski erhob den Kopf etwas vom Bette und blickte mit finsterem Gesicht angestrengt Romaschow an.

Romaschow fah ihn schweigend, teilnahmsvoll an. Das ganze Geficht hatte sich während der Zeit, wo die beiden Offiziere sich nicht gesehen, sonderbar verändert. Die Augen waren tief eingefallen und zeigten ringsum schwarze Schatten, die Schläfen schienen gelblich, die Wangen aber mit unebener, schmutziger Haut schienen schlaff nach unten gezogen und mit dünnem, lockigem Haar häßlich bewachsen.

Nichs Besonderes, ich wollte Sie nur sehen," sagte Romaschow nachlässig. Morgen duelliere ich mich mit Nikolajew . Es ist mir widerwärtig, nach Hause zu gehen. Aber das ist ja ganz einerlei. Auf Wiedersehen. Sehen Sie, ich hatte niemand, mit dem ich mich aussprechen konnte und mir ist so schwer ums Herz."

1905

nahmen einen Wagen und fuhren ans Ende der Stadt zum Flusse. Dort lag auf der einen Seite des Dammes eine einem Juden gehörige Mühle mit Turbinenbetrieb, ein riesiges, rotes Gebäude auf der anderen aber lagen Badehäuser, und dort wurden auch Boote vermietet. Romaschow setzte sich ans Ruder, Nasanski streckte sich im hinteren Teil des Bootes

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aus und bedeckte sich mit seinem Mantel.

großer Teich. Auf beiden Seiten stiegen die Ufer steil und Der aufgestaute Fluß war breit und unbeweglich wie ein gleichmäßig in die Höhe. Das Gras war dort so gleichmäßig hell und saftig, daß man von weitem den Wunsch hatte, mit der Hand darüber hinzufahren. Dicht am Ufer stand grünes Schilf, und mitten in dem dichten, dunklen Grün schimmerten ote weißen Köpfe großer Wasserrosen.

Nikolajew . Nasanski hörte ihm nachdenklich zu, senkte den Romaschow erzählte ausführlich von seinem Konflikt mit Stopf und blickte aufs Wasser, das mit seinen trägen, tiefen Strömungen wie flüssiges Glas schillerte und vom Schnabel des Bootes nach beiden Seiten entwich.

,, Sagen Sie die Wahrheit, haben Sie keine Furcht, Romaschow?" fragte Nasanski leise.

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Aber während des jetzt folgenden kurzen Schweigens stellte Vor dem Duell? Nein!" erwiderte Romaschow schnell. Aber während des jetzt folgenden kurzen Schweigens stellte er sich vor, wie er Nikolajem ganz dicht gegenüberstände und in seiner ausgestreckten Hand die schwarze Mündung des Re­volvers sehen würde. Nein, nein," fügte Romaschow eiligst hinzu, ich will nicht lügen und sagen, daß ich keine Furcht hätte. Natürlich ist es schrecklich. Aber ich weiß, daß ich nicht schwach werde, nicht davonlaufe, nicht um Pardon bitte."

Nasanski steckte die Enden seiner Finger in das warme, ganz leise murmelnde Wasser und begann langsam und schwach, nachdem er sich einen Augenblick geräuspert hatte: " Ich meine, lieber, lieber Romaschow, warum wollen Sie das tun? Bedenken Sie doch: Wenn Sie ganz bestimmt wissen, daß Sie keine Furcht haben wenn Sie das ganz sicher wissen wieviel kühner ist es dann, sich gegen alles aufzulehnen und vom Duell zurückzutreten."

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Er hat mich geschlagen... ins Gesicht!" sagte Roma­schow hartnäckig, und wieder stieg brennende Wut schwer in ihm auf.

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Nein... warten Sie. Ach, wie der Kopf weh tut! Hören Sie, Georgii Alerejitsch in Ihnen ist etwas ,, Nun, also er hat Sie geschlagen," erwiderte Nasanski etwas ungewöhnliches. Warten Sie, ich fann meine Ge- ferundlich und blickte Romaschow mit traurigen, zärtlichen danken nicht sammeln. Was ist mit Ihnen?" Blicken an. Aber kommt denn darauf so viel an? Alles in der Welt geht vorüber, auch Ihr Schmerz und Ihr Haß vergehen. Sie werden das vergessen. Aber einen Menschen, den Sie getötet haben, werden Sie niemals vergessen, er wird bei Ihnen sein im Bett, bei Tisch, in der Einsamkeit und in der Menge. Eitle, bunte, papageiähnliche Schwäger, geist lose Menschen und verrammelte Stirnen behaupten zwar, daß ein Mord im Duell kein Mord sei. Welch ein Blödsinn! Dieselben Leute behaupten, daß Raubmörder durch Hirn und Blut ihr Opfer sich schuldig machen. Nein, Mord bleibt Mord. Es kommt dabei nicht auf den Schmerz, den Tod, die Gewalt und den eklen Abscheu gegen Blut und Leichen annein, am schrecklichsten ist, daß man den Menschen die Lebensfreude nimmt. Die große Lebensfreude!" wiederholte Nasanski plöglich laut mit Tränen in der Stimme. Ist doch niemand weder Sie noch ich, ja überhaupt niemand in der ganzen Welt, der an ein Leben nach dem Tode glaubt. Wenn wir daran denken, was nach unserem Tode wird, so stellen wir uns ein ödes, faltes, dunkles Grab vor. Nein, lieber Freund, alles andere sind Lügen: Das Grab wäre ein glücklicher Be­trug, ein freudiger Trost. Aber malen Sie sich den ganzen Schrecken des Gedankens aus, daß gar nichts, überhaupt gar da sind Pfeffermünzkuchen. Dante, nichts mehr ist, weder Finsternis noch Dede, noch Kälte Lieber. Wissen Sie, was wir machen...? Pfui, diese Ge- Nicht einmal Gedanken daran sind mehr vorhanden, selbst meinheit! Führen Sie mich an die frische Luft hier Furcht eristiert nicht mehr! Wenn wenigstens die Furcht noch ist es efelhaft und ich habe Furcht... Stets diese schrecklichen wäre!" Halluzinationen. Kommen Sie, wir wollen rudern und uns unterhalten. Haben Sie Lust?"

Najanski schloß die Augen und sein Gesicht verzog sich qualvoll. Man konnte Man konnte sehen, daß infolge übermäßiger Willensanstrengung sein Bewußtsein zu ihm zurückkehrte. Als er die Augen öffnete, leuchtete in ihnen schon ein warmer Schein reger Aufmerksamkeit.

Nein, warten Sie..." Nafanski wandte sich mühsam auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen. Holen Sie da aus dem Schrank... Sie wissen nein, Aepfel find nicht nötig

Er trank mit finsterem Gesicht und dem Ausdruck äußersten Abscheus Glas auf Glas, und Romiaschow sah, wie sich sein erdfarbenes Geficht allmählich rötete und wie seine blauen Augen nach und nach Leben und Glanz gewannen und wieder schön wurden. Die beiden traten aus dem Hause,

Nomaschow zog die Ruder ein. Der Kahn bewegte sich faum auf dem Wasser. Und die Bewegung war nur noch daran wahrzunehmen, daß die grünen Ufer langsam nach der entgegengesetzten Seite fortschwammen.

" Ja, dann ist nichts mehr," wiederholte Romaschow nach­denklich.

Aber sehen Sie doch, nein, sehen Sie doch nur, wie