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Schön, wie verführerisch das Leben ist!" rief Nafanski und kommt auf die Akademie und wird mit Haß verfolgt. Die machte eine weite Bewegung mit der Hand ringsum. fich gut zu drehen wissen und Protektion haben, gehen unFreude, göttliche Lebensfreude! Sehen Sie: der blaue Himmel, weigerlich zur Gendarmerie über oder träumen von Polizeidie Abendsonne, das stille Wasser man bebt ja vor Ent- Inspektorposten in einer großen Stadt. Die Adligen und die gücken, wenn man das ansieht dort hinten in der Ferne nur ein kleines Vermögen haben werden Semstwovorsteher. winkt eine Windmühle mit ihren Flügeln; hier das grüne, Angenommen, es bleiben noch fein empfindende, begabte Leute zarte Gras und rosiges vom Sonnenuntergang gefärbtes übrig, was wird aus ihnen? Der Dienst ist für sie abscheulich, Wasser... Ach, wie wunderschön, wie herrlich und reizend bedeutet eine schwere Bürde, ein verhaßtes Joch. Jeder beist das alles!"" Nasanski bedeckte plötzlich die Augen mit müht sich, irgend ein Nebeninteresse au pflegen, das ihn dann der Hand und weinte, beherrschte sich aber sofort wieder und vollständig in Anspruch nimmt. Der eine wird Sammler, fuhr, ohne sich seiner Tränen zu schämen und Romaschow viele können kaum den Abend erwarten, wo sie zu Hause bei mit feuchten, strahlenden Augen anblickend, fort: Lampenschein eine Nadel zur Hand nehmen und mit Kreuzstich ,, Nein, selbst wenn ich unter einen Zug geriete und mein irgend einen dreckigen Teppich sticken oder mit der Laubsäge Leib mitten durchgeschnitten nud meine Eingeweide fich mit einen Rahmen für ihr eigenes Porträt ausfägen. Im Dienst dem Sande vermischten und an den Rädern hängen blieben träumen fie von dieser Beschäftigung wie von einem heimwenn in einem solchen letzten Augenblick iemand mich fragte: lichen Glück. Vom Kartenspiel und dem Weibersport rede ich „ Nun, ist das Leben jetzt noch schön?" so sagte ich mit dank- schon gar nicht. Am abscheulichsten aber ist das dienstliche barem Entzücken:„ Ach, wie ist es schön!" Welche Freude Strebertum, der seichte, rüdsichtalofe Ehrgeiz. Da find schafft uns allein unser Gesicht! Und welch unendlichen Diadtschi und Konforten vertreten, die ihren Soldaten Augen Genuß bedeutet ble goldene Lebenssonne. ber menschliche Ge- und Zähne ausschlagen. Wissen Sie, Artschakowski hat in danke! Mein lieber Jurotschka! Verzeihen Sie, daß meiner Gegenwart seinen Burschen so geschlagen, daß ich ihn ich Sie so nenne" Nasanski streckte ihm wie zur Ent- mit Gewalt fortgerissen habe. Es waren dann Blutspuren fchuldigung von weitem die zitternde Hand entgegen." Nehmen nicht nur an den Wänden, sondern auch an der Decke." wir einmal an, Sie wären ins Gefängnis gejezt für alle Nasanski schwieg einen Augenblick und begann nervös Ewigkeit und sähen das ganze Leben hindurch nur durch eine seine Schläfen mit der Hand zu reiben. Rize zwei alte, verwitterte Ziegelsteine... nein, nehmen wir an, daß in Ihr Gefängnis nicht mal ein Lichtstrahl hineinfällt, fein Laut, gar nichts! Und dennoch kann man alles das mit dem ungeheuerlichen Schrecken des Todes vergleichen? Ihnen bleiben doch Ihre Gedanken, Ihre Phantasie, Ihr Gedächtnis, Ihre Tätigkeit und selbst damit kann man leben." " Ja, das Leben ist schön," sagte Romaschow. Schön!" wiederholte Nasanski leidenschaftlich. Und da sollen zwei Menschen, weil einer den anderen geschlagen oder sein Weib gefüßt hat, oder ihn im Vorbeigehen beim Drehen des Schmurrbartes unhöflich angesehen hat diese beiden Menschen sich schießen und töten?! Ach nein, zum Teufel mit all den Wunden, Leiden und dem Tode! Tötet denn dieser jämmerliche, bewegliche Erdenfloß, der Mensch heißt, etwa nur sich! Er tötet die Sonne, die heiße, liebe Sonne, den hellen Himmel, die Natur die ganze vielgestaltige Schönheit des Lebens, tötet den herrlichsten Genuß und Stola- die menschlichen Gedanken! Er tötet, was er niemals, niemals wieder einbringen kann. Ach, diese Toren!"
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Najanski schüttelte traurig mit langgedehntem Seufzer den Kopf und senkte ihn. Der Kahn fuhr ins Schilf. Romaschow setzte sich wieder ans Ruder. Die hohen, grünen, rauhen Stengel rauschten am Bord und neigten sich langsam und majestätisch. Es war hier dunkler und kühler als im offenen Wasser.
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Was soll ich tun?" fragte Romaschow finster und barsch. Bur Reserve gehen? Wo soll ich hin?"
Nafanski lächelte fein,
" Warten Sie, Romaschow. Sehen Sie mir in die Augen. So. Nein, wenden Sie sich nicht ab. Sehen Sie mich gerade an und antworten Sie mir auf Gewissen. Glauben Sie, daß Sie einem interessanten, guten, nützlichen Werk dienen? Ich tenne Sie gut, besser als alle anderen und fühle, was in Ihnen borgeht. Sie glauben ganz und gar nicht daran."
Nein," erwiderte Romaschow fest. Aber wohin soll ich
gehen?"
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" Jezt weiter. Sehen wir einmal die übrigen Offiziere an. Da ist zum Beispiel Stabshauptmann Plawski. Der nährt sich Gott weiß womit tocht sich selbst seinen Kram auf einem Petroleumofen, geht fast in Rumpen, aber legt von seiner achtundvierzig Rubelgage jeden Monat fünfundzwanzig beiseite. Oh! Er hat schon gegen zweitausend Rubel auf der Bank und borgt heimlich den Kameraden zu unmenschlich hohen Zinsen. Sie glauben, das ist angeborener Geiz? Nein, nein, er findet darin nur ein Mittel, irgendwie vom schweren finn- und verstandlosen Militärdienst frei zu kommen. Hauptmann Stelfowski ist ein verständiger, starker, unter Aber was bildet seinen Lebensinhalt? nehmender Mann. Er verführt unerfahrene Bauernmädchen. Endlich nehmen wir den Oberstleutnant" Brehm". Ein lieber, prächtiger Kauz, eine gute Seele- einfach reizend- geht ganz in seiner Menagerie auf.
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,, Aber wissen Sie," sagte er plöglich mit finsterem Geficht. Wissen Sie, was ich einst im Manöver von ihm gesehen habe? Nach einem Nachtmarsch gingen wir zur Attacke vor. Wir waren alle todmüde und in hohem Grade erregt- alle, Offiziere wie Soldaten. Brehm befahl dem Hornisten zur Attace zu blasen; der aber bläft, Gott weiß weshalb„ Reserve heraus". Einmal, und noch einmal und zum drittenmal. Und plößlich sprengt eben unser lieber, guter, prächtiger Brehm" auf den Hornisten zu, der die Trompete hält und schlägt mit aller Kraft mit der Faust gegen das Horn. Ja. Ich habe selbst gesehen, wie der Hornist Blut und zerbröckelte Zähne auf den Boden ausspie."
,, Ach mein Gott," stöhnte Romaschow voll Abscheu.
,, So sind sie alle, selbst die allerbesten, selbst die zartest besaiteten. Die guten Väter und aufmerksamen Gatten alle werden im Dienst widrig, feige, bösartig, dumm wie Tiere. Sie fragen: Warum? Eben deswegen, weil niemand an den Dienst glaubt und keinen vernünftigen Zweck in ihm sieht. Sie wissen jedenfalls, wie gerne Kinder Soldaten spielen. Es hat einmal eine Zeit gärender Kindlichkeit auch Warten Sie; feine Uebereilung. Sehen Sie einmal in der Geschichte gegeben, eine Beit des ungestümen Draufunsere Offiziere an. Ich spreche nicht von den Garde- Offi- gehens und fröhlichen Wagemutes aller Völker. Aber dann zieren, die auf Bällen tanzen, französisch sprechen und bei ihren wuchs die Menschheit heran, wurde mit jedem Jahre weiser, Eltern mit angetrauten Frauen leben. Nein, denken Sie und statt tindischer, lauter Spiele wurden ihre Gedanken mit an uns unglückliche Linienoffiziere, an die Infanterieleutnants. jedem Tage ernsthafter und tiefer. Abenteurer wurden zu an den Kern des herrlichen, tapferen russischen Heeres. Sind Betrügern, Soldaten treten nicht mehr in den Dienst wie in das nicht lauter verkommene Wesen, lauter Abfall, Ausschuß? eine lustige, wilde Bewegung. Nein, man zieht sie mit Im besten Falle Söhne invalider Hauptleute. In der Mehr- Schlingen am Halse heran und stößt auf Widerſeglichkeiten, zahl aber weisheitgesättigte Gymnasiasten, Realschüler, sogar Flüche und Tränen, und die Vorgesetzten find aus drohenden, durchgefallene Seminaristen. Ich führe als Beispiel unser bezaubernden, unerbittlichen und vergötterten Anführern zu Regiment an. Wer dient bei uns lange und gut? Sind ja Beamten geworden, die um ihr färgliches Gehalt zittern. Ihr lauter arme Teufel mit zahlreicher Familie, Bettler, die zu Ruhm ist fadenscheinig geworden und die militärische Disziplin jeder Konzession, jeder Grausamkeit, sogar zum Mord und ist eine Disziplin der Furcht grenzt nahe an gegenDiebstahl von Soldatengroschen bereit sind alles nur wegen feitigen Haß. Die hübschen bunten Vögel haben ihr Gefieder eines vollen Futternapfes! Man befiehlt ihnen: Feuer, und verloren. Ich kenne nur ein ähnliches Beispiel in der Gefie feuern auf wen? wozu? vielleicht ganz umsonst? schichte der Menschheit. Das ist das Mönchswesen. Der Andas ist ganz einerlei, darüber wird nicht nachgedacht. Alles, fang war friedlich, hübsch und rührend. Vielleicht was talentvoll, fähig ist fängt an zu trinken. Fünfund kann es wissen ist das Mönchswesen durch eine Weltfiebzig Prozent des Offiziersbestandes sind geschlechtsfrank. notwendigkeit ins Leben gerufen. Aber dann vergingen JahrEin Glücklicher und das kommt einmal in fünf Jahren vor hunderte, und was sehen wir jetzt? Hunderttausend mäßiger,
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