Morctübcn Jnszenierungskunst, die sich, nirgends den Sinn von demGehalt der Dichtung abziehend, als Selbstzweck vordrängt, sondernals stimmungsvoller Hintergrund ihr dienen will und wirklich dient.Die Gefahr, die sonst bei reicher Ausschmückung besteht, daß, wasdurch sie für den Eindruck gewonnen werden könnte, durch langeden Zusammenhang zerreißende Verwandlungspausen wieder vcr-nichtet wird, ist durch die Einrichtung der Drehbühne hier restlosüberwunden. In ununterbrochenem Flusse folgten die Szenen.Der rasche Wechsel des Schauplatzes, der auf Shakespeares Primi-tiver Bühne ohne weiteres möglich war, weil sich die Zuschauer miteiner bloßen Andeutung begnügten, dann aber für die anspruchs-vollere Technik des späteren Theaters ein schlimmes Hemmnis fürdie geschlossene Wirkung der Shakespeare-Aufführungen wurde, hatso durch eine weitere Fortentwickelung der Technik, wenn auch vor-erst nur an wenigen bevorzugten Stätten, alle Schwierigkeit der-loren. Rascher, als es die Drehbühne erlaubt, konnten die Stückedes Meisters auch nicht in ihrem Heim, dem alten Globe-Thcater,gespielt werden.Die Vorstellung entsprach im ganzen dem glänzenden Rahmen.Die beiden Hauptgestalten, um die die Doppelhandlung, Tragödieund Komödie, im„Kaufmann" sich gruppieren, fanden, jede in ihrerArt, eine gleichmäßig vollendete Verkörperung. Herr Schild-kraut, das neue aus Hamburg engagierte Mitglied, erwies sichals ein Shylock von bezwingender Kraft. Alle Posen, alle Ueber-treibungen, zu denen die Rolle so leicht treibt, verschmähend, war erin jedem Momente menschlich überzeugend— in der demütig lauern-den Haltung, wenn er Antonio zu dem Vertrage überredet, in seinemJammer über die verlorene Tochter, in dem verzehrend glühendenHaß, dem wilden Trotze, mit dem er, pochend auf seinen Schein,von dem Gericht sein Opfer fordert. Hier gipfelte die Leistung inTönen höchster und immer wahrer Leidenschaft. Neben diesem auf-wühlenden düsteren Pathos stand Frau S o r m a in der heiterenLichtgestalt der Porzia; alle sonnige Helligkeit, mit der der Dichterdiese Weibnatur umgeben, strahlte in ihrem neckisch übermütigenund herzenswarmem Spiele wieder. Es war echt ShakespearcscheKomödienkust, ihr zuzusehen und zuzuhören, wie sie mit Nerissaplauderte, die unwillkommenen Prinzenfreier, die ihren' Scharfsinnan den zur Wahl gestellten Kästchen probieren sollten, empfing undziehen ließ und dann Bassanio, dem glücklichen Rätsellöser, inseliger Liebe entgegenflog. Mit musterhaftem Feingefühl sprach sieihr Plaidoyer als verkleideter Anwalt in der großen Gerichtsszene.Auch sonst kam die Komödienstimmung hübsch und ungebrochen her-aus. Ergötzlich wirkten Herr S t e i n r ü ck und vor allem HerrW a ß m a n n höchst drollig, auch Hedwig Mangel als Porziasausgelassene Dienerin. Anmutig malerisch war die Bewegung desweiblichen Gefolges, hell und fröhlich der Gesang. Aus der Mengeder Mitwirkenden sei hier nur noch K a h ß l e r, der den Antonio,P a g a y, der den alten Gobbo, und Ida Roland, die dieJessika gab, erwähnt.Das Publikum ging, wie die Wucht des Beifalles zeigte, beidieser Aufführung ganz anders als bei dem Kleistschen„Käthchenvon Heilbronn", der Eröffnungsvorstellung, mit. Reinhardt, dessenausgezeichneter Regie ein Hauptvcrdicnst bei dem Erfolge zukommt,wurden stürmische Ovationen gebracht. Ob dem„Kaufmann" imDeutschen Theater ein so lang nachhallender Erfolg wie dem„Sommernachtstraum" im Neuen Theater beschieden sein wird, istfreilich zweifelhaft. Alle Bewunderung der ShakespeareschenGenialität und alle Auslegungskünste, die man angewandt, könnendoch ein dunkles Widerstreben modernen Empfindens gegen diesesLustspiel nicht wegtäuschen. Trotz der Tiefe, mit der Shakespearedie Gestalt des Juden erfaßt, Shvlocks Haß als die Vergeltung derbrutalen Verachtung, die die Christen ihm und seinem Volke be-zeugen, erscheinen läßt, deutet keine Spur darauf, daß der Dichterdem Unterdrückten anders als die Unterdrücker gegenübersteht.Seine Sympathie ist bei den Mächtigen. Die Entführung Jessikasbehandelt er als lustigen wohlverdienten Streich, und Shylock gibter nach der Rettung Antonios rückhaltlos dem hellen Jubel derSchadenfreude preis.— dt.Völkerkunde.— Ueber Haus- und Bootbau ans den Marshall-inseln handelt A. Krämer im„Archiv für Anthropologie". DasHaus war ehemals ein Satteldach mit einem Dachboden; das Ganzeruhte auf vier niedrigen Pfosten, so daß man unter dem Dachbodenauf der Erde gerade noch sitzen konnte. Heute sind diese Wohn-Häuser fast gänzlich verschwunden, und Krämer sah nur noch eins,das ö Meter lang und 4 Meter breit war, auf Wotja im Ailinglaplap-Atoll. Die heutigen Häuser, die auf Betreiben der Missionare her-gestellt wurden, haben den Dachboden nicht mehr, währenddie Wände bekleidet sind. Krämer ließ sich von einemHäuptlina daS Modell eines jener alten Häuser anfertigenund beschreibt danach seine Konstruktion unter Hinzufügungder eingeborenen Namen für jeden Bestandteil. GrößereVersammlungshäuser fand Krämer nicht. Die Dörfer liegenstets am Strande von Lagunen, Gehöft neben Gehöft, regellos unterden Kokospalnien zerstreut. Schiffahrt und Bootbau stehen aufhoher Entwickelungsstufe. Man unterscheidet drei Arten von Booten:das große Segelboot frvalap), das kleine Segelboot(dübKonüH) unddas kleine Ruderboot(ga,Ta.gai). Von Wichtigkeit beim Bootbau istdas richtige Behauen der Planken, die sehr genau abgepaßt werdenmüssen, da eine Kalfatermasse nicht verwendet wird. Der Bau liegtin den Händen besonderer Handwerker. Krämer schildert ihn ein-gehend, auch unter Berücksichtigung der Werkzeuge. Die Bootefetzen sich aus Körper, Ausleger und Takelwerk zusammen.Eigenartig ist die Form des Körpers der Segelboote; erist luvwärts stark gekrümmt, fällt dagegen in Lee fastsenkrecht ab. Die Absicht bei dieser Bauart ist nachKrämer die, daß die von Luv gcgenschlagenden Wellen besser unterdem Schiff durchlaufen und daß es leewärts mehr Halt bekommt.Ausleger und Takelung bieten ebenfalls viel Charakteristisches undPraktisches. Das Segel ist dreieckig; oben befindet sich die Raa,unten der Baum, die beide in fpitzem Winkel zusammentreffen,während die dritte Seite frei bleibt. Als Steuer dient ein großesHandruder. Schmuck des Segelbootes sind Büschel schwarzer Fregatt-Vogel- oder Hühnerfedern, die an der Mastspitze und an beidenSchiffsschnäbeln angebracht sind, sowie ein dem Kürassierhelm ähn-liches Holz oder Geflecht auf dem hinteren Schiffsschnabel. DasDeckhaus gleicht einem halbierten Zylinder.—(„GlobuS".)Humoristisches.— Immer der Gleiche. Reisender:„Warum istdenn der Chef heute gar so übellaunig?... Habt Ihr etwas an-gestellt?"Buchhalter:„Im Gegenteil— aber wenn er einmalnichts zu schimpfen hat, flucht er den ganzenTag!"-— Verfehlte Wirkung.„Da Hab' ich vor einigen Mo-naten einen Bekannten durch die Blume an eine Geldschuld erinnernwollen und Hab' ihm eine„Gedächtnislehre" geborgt I"„Nun, hat's gewirkt?"„Keine Idee! Jetzt krieg' ich das Buch auch nicht mehrzurück!"—Entgegegenkommend..... Sie Rhinozeros l"„Das verbitt' ich mir! Nehmen Sie das Rhinozeros zurück,das ist zu viel... das lass' ich mir nicht bieten!"„Meinetweg'n such'n S' Jhna halt nacha a' anders Viech aus!"—(„Fliegende Blätter.")Notizen.� Die Uraufführung von Wildenbruchs neuer Bühnen-dichtung„Die Lieder des Euripides" findet am 14. No-vember im Hosthcater zu Weimar statt.—— Auf dem Hohentwiel sollen im nächsten Sommer F e st-spiele aus Scheffels„Ekkehard" aufgeführt werden. Der ge-deckte Zuschauerraum wird 2000 bis 3000 Personen fassen.—— Ein amerikanisches National- Theater willman in New Dork gründen. Conried soll Leiter des Unter-nehmens werden.—— Im Kunstsalon Cassirer wird am Sonntag eineAusstellung von modernen Werken Max Liebermanns er-öffnet.—— Bei den Ausgrabungen des Tempels vonS u s i n a k bei Susa wurde eine Anzahl Beutestücke gestmden, dieim Jahre 2280 v. Chr. Geburt von Babylon gebracht wordenwaren.—— Der heiße Föhn übt auf die Nerven eine erschlaffendeWirkung aus. Und nicht bloß auf die Nerven des Neurasthenikers.Auch der Gesunde, Kräftige empfindet Mattigkeit, Kopfschmerz undallgemeines Unbehagen. In einigen Gebirgsgegenden nennt man das„F ö h n s u ch t".—— Ein Fern-Erdbeben von großer Heftigkeitwurde in der Nacht auf Donnerstag um 11 Uhr 12 Minuten vondem Erdbebenmesser der Sternwarte auf dem Kömgstuhl bei Heidel-bech angezeigt.—— Im Bliestal bei Saargemünd ist eine reiche Salz-quelle aufgedeckt worden.—— Der„Köln. Htg." wird unterm 6. November aus Rom be-richtet: Die ungewöhnlichen Witterungsverhälwisse, infolge derenschon seit Mitte Ottober die höheren Gipfel des Apennins mitSchnee bedeckt sind, haben in manchen Teilen Italiens die Wirkunggehabt, daß die Wölfe, die sich sonst in höheren, unwegsamenGebieten aufhatten, weiter herunter und in die Nähe der bewohntenOrte kommen. Aus Salerno wird z. B. gemeldet, daß sie in großerZahl die Ebene bei Battipaglia, Eboli usw. heimsuchen und demViehbestand Schaden zufügen, so daß die Grundbesitzer und Vieh-züchter sich zusammengetan haben, um durch Aussetzung von Preisenfür jedes Wolfsfell die Jagd auf das gefährliche Raubzeug zufördern.—_Verantwortl. Redakteur: Hans Weber. Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerci u.Verlagsanstalt Paul Singer LrCo.. Berlin LlV.