und ging mit gesenktem Horchte, als wären ihm die Worte, die er ihr gesagt, gleichsam aus der Brust gerutscht, daran hängen geblieben und zerrissen ihm nun das Herz. Roseta brachte ihn noch mehr in Verlegenheit. Ja, warum tat er denn das? Warum begleitete er sie über die Landstraße? Was würden die Leute sagen? Wenn ihr Vater es erführe! O, wie unangenehm. „Warum? Warum?" wiederholte das junge Mädchen. Und der Bursche, der immer aufgeregter und bestürzter wurde, erschien wie ein Verbrecher, den man anklagt, und der sich nicht einmal zu verteidigen versuchte. Er erwiderte kein Wort. Er ging nur immer in demselben Schritt, wie das junge Mädchen, doch von ihr entfernt; von Zeit zu Zeit stolperte er über den Straßenrand. Roseta glaubte, er würde in Tränen ausbrechen. Doch als sie das Haus erreicht hatten, und der Augenblick der Trennung gekommen war. zeigte Tonet plötzlich die Kühnheit des Schüchternen. Er begann mit der- selben Energie zu sprechen, mit der er vorhin geschwiegen hatte, und als wäre die Frage erst vor wenig Augenblicken gestellt worden, versetzte er: „Warum? Weil ich Dich liebe!" Während dieser Worte hatte er sich ihr so weit genähert, daß er ihr seinen Atem ins Gesicht wehte, dabei glänzten seine Augen, als leuchtete aus ihnen die ganze Wahrheit dieser Welt. Doch in demselben Augenblick ergriff er, von Reue gepackt und über seine eigenen Worte entsetzt, die Flucht. Er liebte sie also... schon seit zwei Tagen erwartete sie dieses Geständnis; und doch machte es auf sie den Eindruck einer unerwarteten Enthüllung. Auch sie liebte ihn, und während der ganzen Nacht, selbst in ihrem Schlummer hörte sie stets die Worte, die tausend Stimmen ihr zuflüsterten: „Weil ich Dich liebe!" Tonet konnte nicht bis zum nächsten Abend warten. Am folgenden Morgen bemerkte ihn Roseta von der Landstraße her, als er sie, hinter dem Stamm eines Maulbeerbaumes fast versteckt, unruhig beobachtete, wie ein Kind, das sich seiner Schuld bewußt ist und Schelte fürchtet; auch schien er fest ent- schlössen, beim ersten Zeichen der Unzufriedenheit davonzu- laufen. Doch die Arbeiterin errötete; das war alles. Was man sich zu sagen hatte, war gesagt worden. Sie wiederholten nicht, daß sie sich liebten; denn das war eine abgemachte Sache. Sie waren verlobt, und Tonet versäumte kein einziges Mal mehr, sie nach Hause zu begleiten. Der dickbäuchige Schlächter von Alboraya heulte vor Wut über das plötzlich veränderte Be- nehmen seines Knechtes, der früher so fleißig, jetzt beständig Vorwände suchte, um sich stundenlang in der Huerta aufzuhalten, namentlich wenn die Dunkelheit hereinbrach. Doch mit dem Egoismus des Glückes kümmerte sich Tonet ebensowenig um die Flüche und Drohungen seines Meisters, wie die Ar- beiterin nach dem Zorn ihres Vaters fragte, für den sie mehr Furcht als Liebe hegte. Roseta hatte stets in ihrer Schlafkammer ein Nest, das sie unterwegs gefunden zu haben behauptete. Der Bursche konnte nicht mit leeren Händen vor ihr erscheinen und durchsuchte das Schilf und alle Bäume der Ebene, um seiner Braut kleine Körbchen aus Stroh und Gräsern zu verehren, in deren Höhlung mehrere kleine Kerlchen mit rosiger, mit feinem Flaum bedeckter Haut und kahlem Rücken verzweifelt piepten und einen ungeheueren Schnabel aufrissen, der nie satt zu werden schien. Das junge Mädchen behielt das Geschenk in ihrem Zimmer, als wäre es ihr Verlobter in eigener Person gewesen: und sie weinte, wenn ihre Brüder nach langer Be- wunderung der Vögelchen diesen schließlich den Hals um- drehten. Ein andermal kam Tonet mit ausgestopftem Bauch, den Gürtel voller Seesterne und Lupinen, die er bei Copa gekauft hatte, und während sie langsam weitergingen, aßen sie Auge in Auge die Wolfsbohnen und lächelten sich zu, ohne recht zu wissen, warum. Dann setzten sie sich von Zeit zu Zeit auf einen Erdhügel, ohne sich über ihre Handlungsweise klar zu werden. Sie war die Klügere und machte ihm Vorwürfe. Immer Geld auszugeben! Das waren zwei Realen oder wenigstens ungefähr so viel, die er in einer einzigen Woche für seine Aufmerksamkeiten in der Schenke gelassen hatte. Er aber zeigte sich freigebig. Was hatte denn das Geld für einen Zweck, wenn es nicht für sie war. Wenn sie sich verheirateten, was früher oder später ja doch kommen würde, dann wollte er sparsam werden. Die Heirat würde in zehn, zwölf Jahren vielleicht stattfinden, es hatte keine Eile; alle Verlobungen in der Huerta zogen sich in derselben Weife hin. (Fortsetzung folgt.) I�atunvissensekaftliede öcberlicbt» Von Dr. C. T h e s i n g. Vor einer Reihe von Jahren weilte ich einige Zeit gelegentlich einer längeren wissenschaftlichen Studienreise in Algier . Es war an einem herrlichen, sommerwarmen Tage zu Beginn des Februar, als ich mit einigen Bekannten einen größeren Segelausflug an der algerischen Küste entlang unternahm. Wir hatten uns, von der Schönheit der Natur verlockt, etwas verspätet und wurden von der Dämmerung auf offenem Meere überrascht. Da der Wind abflaute, und wir noch gerne vor völligem Hereinbrechen der Nacht den Hafen erreichen wollten, zogen wir die Segel ein und legten uns kräftig in die Ruder. Je mehr wir unS der Küste näherten, und je dunkler es wurde, desto seltsamer und rätselhafter wurde das Meer. Bald in der Ferne, bald näher begannen helle, bläulich leuchtende Funken aufzublitzen und wieder zu verschwinden. Immer zahlreicher und immer heller wurde das Leuchten, und jede Welle löste sich in einen Fcuerregen auf. An dem Bug unseres Schiffes sprühten und glitzerten silberne Funken, und jeder Ruderschlag weckte tausend- fältiges Licht. Ja zuletzt schien es fast, als ob unser Boot auf einem einzigen Feuermeere dahinglitte, und unsere Hände und jeder Eegenstand, den wir ins Wasser tauchten, erschien wie mit flüssigem Silber überzogen. Es war das Meerleuchten. Je mehr wir uns dem Hafen näherten, desto herrlicher wurde die Natur, und als wir endlich spät nachts auf der Mole standen und zurückschauten auf die nächtliche See, schien der ganze Hafen und das Meer, so weit der Blick reichte, von mildem Feuer erhellt. Doch die Worte find zu arm, um den unauslöschlichen Eindruck zu schildern, den das Meerleuchten in der Erinnerung jedes Menschen hinterläßt. Man muß es selbst in seiner ganzen Pracht gesehen haben, wie es nur in den Meeren südlicher Himmelsstriche auftritt. Wohl kann man bisweilen auch bei uns in der Nord- und Ostsee ein Leuchten des Wassers beobachten, doch ist dieses nur ein schwacher Abglanz im Vergleich mit der Herrlichkeit, mit welcher es uns bereits in den nordafrikanischen Gewässern, besonders aber in den tropischen Meeren, entgegentritt. Meist sind es ungezählte Milliarden eines winzigen, einzelligen tierischen Lebewesens, der berühmten k�octilucs miliaris, welche dieses seltsame Naturschauspiel hervorzaubern. Diese kleinen Tierchen— ihre Größe schwankt zwischen% bis 1 Millimeter Durchmesser— gehören zu der artenreichen Klasse der Geißel- infusorien. Der Körper der Noctilucen besteht aus einem Tröpfchen einer zähflüssigen Masse, des sogenannten Zellsaftes. In diesem Zellsafte eingebettet liegt das wichtigste Organ jeder Zelle, ein kleiner, kugeliger Zellkern. Die Tierchen haben ungefähr die Gestalt eineS Apfels oder Pfirsichs, und an Stelle des Fruchtstieles ragt aus ihrem Körper ein dünner, peitschenförmiger Fortsatz, die Geißel, hervor, mit deren Hülfe sie im Wasser umherschwimmen. Bei gutem Wetter steigen die Noctilucen bisweilen in so un- geheuren Scharen an die Oberkläche des Meeres, daß das Wasser am Tage wie ein dicker rötlicher Brei erscheint. Nahen sich Stürme. Regen und Kälte, so senken sie sich zur Tiefe nieder in Regionen, in denen ewige Ruhe herrscht und kein Unwetter sie mehr zu er- reichen vermag. Besondere Leuchtorgane fehlen den Noctilucen vollständig; viel- mehr ist es ihr ganzer Körper, der bei dem geringsten Reize mechanischer oder chemischer Natur Leuchterschcinungen zeigt. Es ist überhaupt ein charakteristisches Merkmal aller leuchtenden Tierarten, daß ihr Licht kein beständiges ist, sondern scheinbar willkürlich, meist als Ausdruck der Erregung, hervorgerufen wird. Nur neben- bei sei erwähnt, daß die Noctilucen als Fischnahrung eine wichtige Rolle spielen. Dieses echte Leuchten, wie wir es bei Noctiluca kennen lernten, beruht auf einem ganz ähnlichen chemischen Vorgang, einer Ver- brennung, wie unser Atmen, nur daß hierbei nicht wie beim Atmen Wärme, sondern Licht erzeugt wird, und es findet natürlich so gut am Tage wie in der Nacht statt. Infolge von Besonnung wird das Leuchten nicht verstärkt, dagegen hat die Temperatur einen wesent- lichen Einfluß. Am schönsten und hellsten ist die Erscheinung bei -f 10 bis 12 Grad Celsius, bei höherer sowie bei niederer Tem- peratur nimmt die Lichtstärke stetig ab. Sinkt das Thermometer- unter 3 Grad Wärme, so hört die Lichteniwickelung sofort gänzlich auf. Man darf dieses echte Leuchten daher nicht mit dem bekannten Phosphoreszieren des Flußspates verwechseln laus dem z. B. häufig die Nachts leuchtenden Zifferblätter von Weckuhren hergestellt werden), der nur, wenn man ihn Tags über den Strahlen der Sonne ausgesetzt hat, bei Eintritt der Dunkelheit sein mildes Licht erstrahlen läßt. Ebenfalls beruht das Flimmern der, vom Volks- munde als Lcuchtmoose bezeichneten kleinen Pflänzchcn, die sich häufig in den Waldungen der deutschen Mittelgebirge , in den Höhlungen des Schicfergejteins finden, ferner das Aufleuchten mancher Farrcnkräuter und Bärlappgewächse auf einer ganz an- deren Ursache, als das echte Leuchten. Es beruht nämlich lediglich auf einem Wiederschein des einfallenden Tageslichtes, das von eigen- tümlich gestalteten, linsenförmigen Zellen gebrochen und zurück- geworfen wird. Außer den Noctilucen sind noch viele andere Tierarten an der Illumination der Meere beteiligt. Zuerst ist da zu erwähnen die große, artenreiche Gruppe der Salpcn oder Scetönnchen, wie jie
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22 (30.11.1905) 233
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