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Andeutung des Autors dieser lähmenden Atmosphäre entrinnen, I eindrud ist groß, und wenn man näher zufieht, bewundert man das vielleicht den Weg zu einem höheren Dasein finden.

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Gewiß, das Traurig- Widerwärtige existiert. Und wenn ein Dichter es gestaltet, kann, was in der Wirklichkeit uns abstößt, in dem umgeschaffenen künstlerischem Bilde tief an die Seele rühren, Gefühl und Anschauung im Innersten bereichern. So hat Haupt­mann in seinem Friedensfeft" einen verwandten Gegenstand be­handelt. Aber wie bedeutsam, wie dramatisch fruchtbar hat er hier das Motiv des Familienzanks gehaßt! Da öffnet sich dem Blicke die Vergangenheit, man sieht und fühlt, wie alles in dieser Ehe so hat kommen müssen. Da ist keine ermüdende, im Zirkel sich drehende Zustandsschilderung da herrscht Bewegung, da spannt sich die Erwartung auf eine endliche Versöhnung der lang Ge­trennten unter dem Frieden kündenden Weihnachtsbaum, und der Rückfall in das scheinbar Ueberwundene padt fast mit tragischer Gewalt. Man spürt, so meisterhaft hat der Dichter den Umschlag motiviert, in ihm das Walten eines unabwendbaren Verhängnissez. Welche Fülle von Nüancen, welche Perspektive und Hintergründe in der Charakteristik der beiden Brüder! Organisch wächst der Konflikt in Wilhelms Seele die Furcht, daß sein ererbtes jähes Wesen auch das liebe Mädchen, von dem er die Erlösung hoffte, un­glücklich machen werde aus dem Zusammenhang des Ganzen Herbor. So ist Handlung vorhanden, Handlung, die den Zuständen, aus denen sie fließt, ein neues und erhöhtes Interesse sichert.

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Leben, das Temperament der Mache. Es ist, als jauchzten die Farben, und doch scheint alles besonnen und gebändigt. Erst sehen wir eine Reihe Einzelstudien. Dann kommt die Kraft gesammelt zur Erscheinung in den beiden Hauptbildern: eine Straßenece; die Häuser zeigen einen dunkelbraunen Farbenstrich; in den Fenstern, die sich weißgerandet aus dieser Fläche herausheben, flattern weiße und gelbe und blaue Tücher; Schilder zeigen grelle Ankündigungen; in Karren liegen Waren in schreienden Farben ausgebreitet, Ge. müsekeller zeigen ihre buntfarbigen Auslagen, und in den Straßen bewegen sich Gestalten in bunten Kostümen. Es ist eine übers raschende Festigkeit in allem, und doch zuckendes Leben; der Moment und dennoch fünstlerische Einheit und Besonnenheit. Eine tiefe, dunkle, satte Farbigkeit. Ein Hinstreben zu derbem Kontrastieren, um herauszukommen aus dem eleganten, empfindsamen Stil. Auf seine Weise folgt Liebermann dem Zug der Entwickelung, der dahin führt, kräftiger wieder die Farben walten zu lassen, das Verschwims mende ein wenig zu meiden und zu zeigen, daß die Schönheit des Momentes, das flüchtige Erhaschen des ersten Gesamteindruces, auch hierbei erhalten werden kann.

Für den, der das Anfangsstadium Liebermanns, die dickflüssige, dunkle Malerei der achtziger Jahre kennt, in denen Liebermann  mit altmeisterlicher Ruhe ebenfalls holländische Motive malt und bei dem Holländer Maler Jsraels lernt, kommt in der neuen Art eine Erinnerung an dies frühere Stadium hindurch. Es ist Vergangen. heit, aufgefrischt und erneuert durch ein neues Gehen. Alles Atelier. licht ist verschwunden. Das Licht des Tages scheint. Und so heben sich alle Gegensäze kräftiger heraus, und das Alte gewinnt junge Straft, indem es mit neuen Augen angesehen wird. Es ist das alte Holland, das wir hier zu sehen bekommen, gesehen durch ein modernes Temperament.

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Humoristisches.

Mann, schenke ich Ihnen einen Rod. Er ist noch von meinem Richtige Beurteilung. Witwe: Hier, liebez feligen Manne."

Bettler: Das sieht man auch sofort."

Witwe: Wieso denn?"

Bettler: Na, der glänzt ja vor lauter Seligkeit."

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Die Schattenseite. Fremder: Das finde ic hübsch, daß der Verschönerungsverein endlich diese schwerfälligen, hölzernen Ruhebänke entfernt und sie durch eiserne ersetzt hat." Bäuerin: Ja, aussehen tut's schon besser... aber womit heizen wir denn nun im Winter?"

Dem Schauspiel Naidjonows fehlt jeder solcher Reiz. Vater Wanjuschin beteuert jammernd immerfort, er begreife nicht, warum seine Kinder so geworden. Auch der Zuschauer hat keine Ahnung: warum, bis endlich in dem dritten Akte eine pädagogische Erklärung felgt. Ihr Eltern habt euch nicht genug um uns gefümmert, ihr überließet uns den Dienstboten, so sagt der Gymnafiast zum Vater. Das mag in bürgerlich russischen Familien ein sehr verbreiteter Erziehungsfehler sein; aber wir sehen seine Spuren in dem Stücke nicht. Und jener nachträgliche Hinweis, der das Gewordene an die Bergangenheit zu knüpfen fucht, wirkt deshalb auch in keiner Weise überzeugend. Die Figuren, obwohl einige in flarer Umrißzeichnung herausgekommen sind, entbehren dennoch all jene intimeren Züge, bie eine Spannung psychologischer Neugier im Zuschauer erzeugen fönnten. Am schlimmsten steht es aber, anscheinend ist das ein Erb­fehler der russischen Dramatit, um die Handlung. Nirgends auch nur der Anlauf zu einer fonzentrierenden Entwickelung. In ver­wirrender Mannigfaltigkeit und doch monoton laufen die Fäden nebeneinander her. Da wird einer plöblich abgerissen, dort mitten brin ein neuer angeknüpft, bis die 4 Akte um sind. Ebenso gut hätte das Stück auch nach dem ersten Aufzug schließen können. Der Gymnasiaft, der von seiner Choristin morgens nach Hause schleicht, die Dienerin, die ihm den ersten Unterricht in diesem Fache gab, die aus dem Schlafzimmer des älteren Bruders schlüpfende 80gen? Da liegen aber fünfe." Kousine, dieser brutal- egoistische Kerl selbst, die im Ehebruch er­fahrene, ihrem trunksüchtigen Mann entlaufene Schwester, und was sonst noch so drum und dran hängt, genügt vollauf, uns mit den Eigentümlichkeiten der jüngeren Wanjuschinschen Generation ver­traut zu machen. So verschwenderisch wird hier mit Trümpfen moralischer Verkommenheit gearbeitet, daß für die späteren Atte eine Steigerung ausgeschlossen ist. Nachdem der wackere Alte es jahrzehntelang bei der Familie ausgehalten, fällt es auch schwer, an seinen Selbstmord- Schlußpunkt des vierten Aktes zu glauben. Die Darstellung machte dem Schiller- Theater alle Ehre. Franz Rolan   und Marie Gundra wirkten in der Rolle der Eltern Wanjuschin schlicht und rührend. Recht gut war auch Herr Trautschold, einer der angenehmen Schwiegersöhne, und Paul Otto als ältester Bruder. Von den Damen seien Emmy Wyda   und Else Wasa noch besonders genannt. Das Stüd, das bei allen seinen Mängeln doch manches wohlgelungene Detail enthielt, wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen.-

Kunft.

dt.

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Harter Kampf. 3 wei 8ähn' hast dem Seppl ge­ Die andern dreie sind von mir."

Bader  :

Notizen.

( Meggendorfer- Blätter.")

- Eine Verultung der neuen Rechtschreibung. Der Wiener   Physiker Ludwig Bolkmann hat seinen unlängst erschienenen Populären Schriften" ein" Forwort" vorausgefchidt, das also anhebt:

ich mußte mir in meinen lezten büchern die neue ortografi gefallen lassen, di zu erlernen ich zu alt bin; so möge man sich hir im forworte di neue ortografi gefallen laffen. ich glaube, man soll di abweichungen fon der fonetik, wenn man si nicht ganz ferschonen will, dann schon alle hinrichten. wenn man dem hunde den schwanz nicht lassen will, schneide man in mit einem griffe ganz ab 1"

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- Mar Dreyers Schauspiel Venus Amathusia e. s. Der Kunstsalon Cassirer bietet eine Zusammen geht am 15. Dezember im Schauspielhause zum erstenmal in stellung von Werken Max Liebermanns. Es sind alles Bilder Szene. aus den letzten Jahren, so daß es möglich ist, über diese Epoche

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" Herrenrecht", Max Bernsteins neues Schauspiel, in dem Schaffen des Berliner   Malers, in dem sich die moderne gelangt am 16. Dezember im 2obe Theater in Breslauzur norddeutsche Malerei typisch tonzentriert, einen Ueberblick zu geben. Uraufführung.  - Es scheint so

an

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sieht man die neuesten Bilder Liebermanns

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gegangen.

80 000 kronen sind erforderlich. Der Entwurf des Denkmals stammt von dem Bildhauer Hans Scherpe  .

Das Ensemble des Lustspielhauses" gastiert am als sei sich Liebermann   flar darüber gewesen, daß er allzu 17. Dezember im Dresdener   Hoftheater. Gegeben wird sehr in das Fahrwasser des Eleganten, Vornehmen hineintam und Der Jude von Konstanz", Drama von Wilhelm von Scholz.  - streben mußte, fräftigere Töne wieder zu finden. Er tat dies, indem er, wie früher, Hollands   Hülfe in Anspruch nahm. Wieder Zur Errichtung eines Denkmals für Robert ging er borthin. Er behielt das eigene, schnelle, scharfe Sehen und Hamerling in Wien   find 10 000 kronen an Beiträgen ein­einte damit die Kraft, wie wir sie an den Münchener   Malern sehen; auch eine primitive Note ist darin, Farben, wie sie der Naturmensch oder der Bauer sieht, derb und ungebrochen eine fünft­liche Primitivität, wie sie etwa der französische   Maier Gaugin bat, der nach der Südsee zog, um von den Wilden dort derbe Afforde in den Farben zu lernen. Die Lokalfarben treten hervor. Das Rembrandtsche Holland wird hell und fräftig in der Erscheinung und verliert alles dämmerige Dunkeln. Das eigentümliche Hin streben zu einem großzügigen Gestalten, einer gewissen Monumen talität, wird in diesen neuen Bildern aus Holland   besonders bemerk­bar. Der Impressionismus hat alles Kleinliche abgestreift. Haupt. sächlich sind es die buntbelebten Motive aus der Judenstraße in Amsterdam  , ein Durcheinander hingehauener Strichel Der Gesamt­Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin  . Drud u. Verlag: Vortvärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.

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c. Die größte Bibliothek der Welt wird wohl die neue große Büchersammlung werden, die in New York   aus den Be­ständen der Bibliotheken von Astor und Lenog zusammengebracht ist. Sie wird 4 500 000 Bücher enthalten, die einen Wert von etwa 12 000 000 m. repräsentieren. Die Bibliothek findet Unterkunft in einem gewaltigen Gebäude, das an der Stelle errichtet wird, wo früher das große Wafferhebewert von New York   stand. Für den Miesenbau ist ein Kapitalfonds von 14 Millionen Mark durch den Tilden- Trust zusammengebracht worden. Die Bibliothek wird den Namen führen:" Deffentliche New Yorker Bibliothek, Astor, Lenor­und Tilden- Stiftung".-