976 cmzig an die Tatsachen lielt, mag die folgende tvafire Geschichte beweisen. Äuf seine»ilinik kam einmal eine kranke Bäuerin ans «Schlesien . Er untersuchte sie, konstatierte beginnende Tuberkulose und empfahl ihr, in ihre ländliche Hemmt zu reisen und sich dort zu Pflegen. Die Prognose lautete ungünstig. Nach einigen Jahren kam die Bäuerin, blühend und gesund, wieder aus die Klinik. Skoda , der sie nicht erkannte, fragte nach ihrem Leiden. Mir fehlt nichts, ich will mich nur bedanken." Wofür?" fragte Skoda . Nun, weil der Herr Professor mich gerettet haben." Wie heißen Sie und wann waren Sie da?" Die Bäuerin nannte ihren Namen und das Datum ihres ersten Erscheinens. Schnell wurde das Protokoll geholt, da standen Diagnose «nd Prognose. Was haben Sie getan?" fragte Skoda lebhaft. Ich habe weniger gearbeitet." Haben Sie keine Kur gebraucht?" Nein!" Was haben Sie gegessen?" Mein Gott, wir sind sehr arme Leute, ich habe meistens Krautsuppe gegessen." Krautsuppe? Von morgen an erhält die ganze Abteilung Kraut flippe!" befahl Skoda . Die Krautsuppe hat den anderen Lungenkranken nicht geholfen und ist aus der Pharmakopoe ebenso rasch verschwunden, wie sie aufgenommen wurde. Theater. Kleine? Theater.Marquis von Keith." Schau- spiel in 5 Aufzügen von Frank Wedekind. Das Stück wurde ein, zwei Jahre, bevor Wedekind durch die glänzende Auf- führung desErdgeist" im Kleinen Theater zu seiner Berliner Be- rühmtheit kam, an einen, derliterarischen Abende" des Residenz- Theaters unter Martin Zickels Regie gegeben. Daß der Verfasser ebenso wie früher inHidalla" jetzt auch inMarquis Lkeith" die Haupt- figur selbst spielen werde, mochte die Erwartungen besonders spannen; vielleicht daß diese Interpretation ein neues Licht auf das Werk werfen, dem Blicke früher übersehene Bedeutsamkeiten erschließen könnte? Wer so gerechnet hatte, wird arg enttäuscht gewesen sein. Ich wenigstens verspürte in der Wirkung keinen Unterschied. Dieselbe martervolle Langeweile, deren ich mich aus jener ersten Aufführung noch so deutlich erinnerte, senkte sich auch diesmal wieder mit un- entrinnbar drückender Gewalt auf mich herab. Wie ein Nebel, in dem sich auch das Allernächste kaum erkennen läßt, liegt es über dem Werke; nur daß von dem, was sonst dem Nebel Reiz ver- leiht von dem Fremdartig-Ahnungsvollen des Verhülltseins, von der Poesie des mannigfach gebrochenen Beleuchtungswiederscheins in abendlichen Straßen �hier nichts, nicht das geringste zu spüren ist. Man sieht wenig und was man sieht, ist bei allem barocken Aufputz doch Nüchternheit und Prosa. Die Rcflexcon macht allerhand Sprünge, hier und da auch einen, dem man wohl im Augenblicke nachsinnen möchte, aber nirgends tritt etwas im inneren Zusammen- hange von der Phantasie Gestaltetes, etwas poetisch Lebendiges her- vor. Gliederp, wpcnmäßig müssen die Figuren und die Be- wegungen, auf die gerade die Willkürlaune des Verfasser? verfällt, exekutieren, automatisch die Gedanken, wie sie ihm durch den Kopf schießen, nachsprechen. Gewiß, auch ein Hochstapler könnte dramatisch interessieren, wenn die Gestalt unter einem leitenden Gesichtspunkt aufgegriffen.und so unserer psychologischen Anteilnahme nähergerückt würde. Aber von welcher Seite kommt man an diesen Wcdekindschen Helden, der sich selbst zum Marquis geadelt hat, heran? Er wird uns unter aller- Hand Verhältnissen vorgeführt, die und jene Züge reihen sich an- einander, doch fügen sie sich nicht zu einem anschaulichen Bild. Es scheint so, als habe Wedclind den Keith bei dem Beute- zeuge wider die Taschen der Philister als. eine überlegene Intelligenz darstellen wollen. Indes in den Plänen und Anschlägen, mit denen er sich abgibt, tritt davon nichts hervor. Keine Wendung in allem seinem Handeln, die unserem Verstände Respekt abnötigt I Wenn einem das Puntpen und das Gründen so leicht gemacht wird wie in diesem Stücke, so gehört eben nicht besondere Kunst dazu. Oder hat ihn der Autor selbst am Ende»nr als einen wind- beutelnden, fahrigen Phantasten, deflen Tatkraft durch ein bloßes Hin und Her von Einbildungen in Atem gehalten wird, gedacht? Oder soll er beides in sich vereinigen? Man wird nicht klug daraus; so wenig man über die Bedeutung der Keithschen Cynismen ins klare kommt, ob sie von Wcdekind als Kriegsruf eines freien, sehr freien Geistes" wider die herkömmliche Moral gemeint sind, oder nur als bizarre Spiegeleien in dem Hirne eines Phantasten? Der jämmerliche Zusammenbruch des Abenteurers, die Aufforderung des verrückt gewordenen Freundes, mit ihm zusammen das Leben in einem komfortablen Jrrenhause zu beschließen, spricht für das Zweite. Die groteske Ironie dieser Szene, die, wenn nicht in der dramatischen Ausführung, so doch in der Idee Größe besitzt, ge- mahnt sehr charakteristisch an den Ausgang vonHidalla". Nur die Fonn ist eine andere, wenn da der Zirkusdirektor dem neuen Wede- kindsche» Helden, dem wunderlichen SchönheitSfanatiker Hctmann den Antrag macht, bei ihm als dummer August aufzutreten. Sehr un- klar bleibt auch das Verhältnis des Marquis zu der Geliebten, die er als Konzertsängerin berühmt machen will. Ebenso ist sein l Zusammenleben mit dem eifersuchtgeplagtcn Burgermädchen, da" er von Hause entführt hat, viel zu oberflächlich skizzenhaft behandelt, um irgend ein Interesse zu erregen. Der Selbstmord des armen Geschöpfes berührt nur als Theaterkonp. Endlich der Freund, der melancholische Gewissensmensch, der aus Verzweiflung sich vonKeith zum Genußmenschen ausbilden lassen möchte und bei dem ersten Verliebtsein schleunigst den Verstand verliert, ist reines nicht einmal witzig erfundenes Konstruktionsschema. Der Gegensatz der beiden Geistesrichtungen, aus den es doch wohl abgesehen war, verzerrt sich dabei ganz zu wesenloser Karikatur. Dramatische Handlung fehlt völlig, und die Schilderung des Milieus ist von überraschender Farblosigkeit. Was Wedekinds Spiel inHidalla" so zustatten kam: die gedrungene untersetzte Gestalt, die sparsamen und eckigen Be» wegungen, die verstandesmäßig-phlegmatisch klingende Klarheit de? Organs alles Momente, die zu dem pedantischen Fanatiker Hetmann trefflich paßten erschien in seiner Darstellung des Keith als hemmende Schranke, die er an keinem Punkte durch wahrhaft schauspielerische Wandlungskrast zu überwinden vermochte. Es kam wohl da und dort der Hallunke, aber nicht der geschmeidige glatte Hnllunke, der sich durch seine Ueberredungs- und Verführungskünste über Wasser hält, heraus. Alles geriet ernst und schwer, und die Schwere wurde zur Monotonie. Herr Kuhnert, dem der me» lancholische Antipode zugefallen, konzentrierte und welchen anderen Anhaltspunkt bot die Gestalt seine ganze Kraft darauf, den Ein- druck der Blödigkeit hervorzurufen und bis zum Ende siegreich fest- zuhalten. Fein und nüancenreich gab Marietta Ollh die kalt- sinnig rechnende Geliebte. Und das eifersüchtige Bürgermädchen fand in E l l e n N e u st ä d t e r eine Darstellerin, der der'.angstvolle Leidenschaftsausbruch im dritten Akte gut gelang. Der Beifall Ivar mäßig und nicht unbestritten. dt. HnmoristischeS. Ueber unfreiwilligen Humor in Grabschriften sprach in der Novembersitzung desVereins für Volkskunde" Frl. Elsbeth Lemke. Einiges von ihr Gesammelte möge hier Platz finden. Eine Wiener Inschrift lautet: Hier unter diesem Leichenstein Ruht eine Jungfrau: Rosa Klein; Sie suchte lang vergebens einen Mann; Zuletzt nahm sie der Totengräber an." Klara Hoffmann, zu Lobten am Bobcr im Alter von 13 Jahren verstorben, erhielt den Nachruf: Ihr half kein Arzt, ihr half kein Tee; Drum ging sie in die HimmelShöh'." Einer wohl im Inn Ertrunkenen schrieb man aufs Grab: Hier ist ertrunken Anna Lentner; Sie wog mehr als dritthalb Zentner; Gott gcb' ihr in der Ewigkeit Nach ihrem Gewicht die Seligkeit." Auf dem Leichenstein eines Schneiders in Langensalza stand zu lesen: Es liegt hier unter diesem Stein Ein magres, dürres Schneiderlein, Und stehen einst die Toten auf, So hilf ihm. lieber Gott, herauf, Und reich' ihm deine starke Hand, Denn er allein ist's nicht imstand." Der Grabstein eines Brauers trägt die Inschrift: Christ I stehe still und bei' a bissl, Da liegt der Bräuer Johann Nissl; Zu schwer fast mufft' er büßen hier: Er starb an selbstgebrautem Bier." Notizen. Von Bertha v. Suttners RomanDie Waffen nieder" ist vor einigen Wachen eine Volksausgabe(Preis 1 M.) erschienen. Von dieser Ausgabe wurden bereits 40 000 Exemplare verkaust. In derKomischen Oper" wird die dreiaktige Volks- operDie schwarze Nina" vorbereitet. Sie soll gleich nach Hugo WolffsCorregidor" gegeben werden. Die Freie Lehrer-Vereinigung für Kunst- pflege wird im Albrccht Dürer-HauS eine Ausstellung veranstalten, die in graphischen Blättern und Lichtdrucken nach Gemälden etwa 800 Werke Hans ThomaS umkaffen wird. Der neue Komet dürfte etwa zu Weihnachten dem bloßen Auge sichtbar werden. Er wird aber nur in den späteren Nachtstunden zu sehen sein. t. Eine ungewöhnliche Brücke ist jetzt bei dem Ort Vauriat auf der Westseite des berühmten vulkanischen GebirgeS der Auvergne im Bezirk des Puy de Dome in Mittelfrankreich erbaut worden. Sie ist dazu bestimmt, eine Eisenbabn in drei mächtigen Bogen über das Tal des Flusses Sioule zu führen. Die Größen- Verhältnisse sind außerordentlich, denn der mittlere Bogen besitzt eine Spannung von über 140 Metern, jeder der seitlichen eine solche von 120 Metern. Die beiden aus Granitblöcken gemauerten Pfeiler, die sich aus dem Tal erheben, sind 110 Meter hoch. - Verantwortl. Redakteur: Haus Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts.Buchdruckerei u.Verl«g»anstaltPaulSlrH?rLcCo.,BerlinL>V.