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das Geld zum Waldspaziergang und Du hast doch nun das Doppelte ich will es... ehrlich wiedergeben... vielleicht kannst Du mir aushelfen Du tätest mir einen sehr großen Gefallen."
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Menne Knoll redete noch allerlei, manches, was gar nicht zur Sache gehörte. Denn ein wahnsinniges Schamgefühl hatte ihn gepact, verwirrte ihn, daß er stotterte, ließ ihn faum die Augen erheben.
Otto Seydel war mit großen Geistesgaben nicht gesegnet. Er war ganz gutmütig, aber findisch.
,, Sieh mal, Knollchen," antwortete er erstaunt, das geht nicht. Ich hab nämlich den dicken Duhme und Richard Teubner schon zu Nachmittag eingeladen, weißt Du, hinter Lessers Scheune rauchen wir Zigaretten. Wenn Du da hinkommen willst, kannst Du auch eine kriegen. Aber die fünf Groschen brauch ich. Vielleicht ein andermal."
Menne Knoll blieb ruhig stehen, als hätte er gehört. Er streckte sogar die Hand aus.
"
Gib sie mir, Seydel!"
nichts
Aber ich hab Dir doch eben gesagt, es geht nicht. Pump fie Dir von einem anderen. Das nächste Mal kann ich Dir vielleicht aushelfen."
schön!"
Das nächste Mal," nickte Menne Knoll. Danke..
" Bist Du frank?"
Ach, etwas Kopfschmerzen. Ich werde doch wohl.. nach Hause gehen."
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.
Er schleppte sich über den Schulhof. Auch das also half nichts. Und in fünf bis sieben Minuten würde das Klingelzeichen ertönen, der strenge Ordinarius in die Klasse treten und der Namensaufruf beginnen.
Ich werde... nach Hause gehen," sagte der Knabe vor sich hin.
Er stieg die Treppe empor, schritt den Korridor entlang und öffnete eben die Tür des Schulzimmers der Untertertia, als der inspizierende Lehrer ihn bemerkte. Es war der Alte, der sich in der französischen Stunde nach seinem Befinden erfundigt hatte. Den Schülern war verboten, bei gutem Wetter während der großen Pause die Klassenzimmer zu betreten. Als aber Menne Knoll sagte, er wolle vielleicht doch nach Hause gehen, nickte der Oberlehrer und gab ihm den guten Rat, sich gleich ins Bett zu packen.
Der Kleine schritt nach seiner Bank, legte die Bücher zusammen und preßte die Stirn wie zur Kühlung auf den Deckel der Ellendt- Seiffertschen Grammatik. Sein Kopf glühte immer mehr, die Lippen waren trocken und spröde.
Plötzlich sah er starr nach vorn. Da pflegte Otto Seydel zu fizen. Otto Seydels Federkasten sah unter der Bank hervor. Es war ein ganz eigener Federkasten, mit dem man Kunststücke machen konnte. Wenn man kräftig damit gegen den Aermel rieb, 30g er ein kleines Stückchen Papier an und hielt es fest.
Ein schöner Federkasten. Darin lagen auch die beiden Fünfzigpfennigstücke.
Langsam, mit fieberisch glänzenden Augen, schritt Menne Knoll darauf zu.
Er wollte ja nicht das Geld. Nur Kunststücke machen mit dem schönen Federkasten.
Er zitterte an allen Gliedern, als er ihn anfaßte. schüttelte ihn. Es klang und klirrte. Er öffnete ihn. lagen Federhalter und Bleistift und im kleinen Fach Fünfzigpfennigstücke.
Er
Da
die
Wie das Rad im Kopf herumlief, das heiße Rad, und wie die Nadel stach!
Plötzlich schlug draußen die Glode an. Der Pedell läutete. Vom Fenster sah man, wie die Schüler sich langsam von drüben zum Eingang schoben.
Jetzt kam das Furchtbare jett gab es fein Entrinnen mehr jetzt würde er vor der ganzen Klasse dastehen und nicht einmal aufschreien können.
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Und hier lag die Rettung. Dieses eine Fünfzigpfennigstück von Otto Seydel .
Draußen tönten Schritte. Mit einem Rud hatte Menne Knoll den Federkasten auf seinen Platz geschoben und war ans Fenster gestürzt in seiner heißen Hand jene Münze, für die heut Zigaretten gekauft werden sollten.
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Als es ihm zum Bewußtsein kam, erschrat er. Aber schon stürmten die ersten ins Zimmer. Er konnte das Geld nicht mehr zurüdlegen. Es war auch alles egal.
Und nun trat der Ordinarius ein.
Der Ordinarius war ein junger Lehrer. Er hatte Glück gehabt. Bei einer Revision durch den Schulrat hatte die Sexta,
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die er als Probekandidat leitete, so gut bestanden, daß der tüchtige und energische Pädagoge schon nach dem zweiten Jahre angestellt, hierher versetzt und zum Ordinarius der Untertertia gemacht worden war.
Er mochte Menne Knoll nicht leiden, weil der Junge keinen Freund hatte, weil er nicht sprang und turnte, weil er niemals dumine Streiche verübte und weil er sein Pensum ftets am Schnürchen hatte. Kurz: weil er ein Musterschüler war. Und wenn auch nicht zu seinen Zöglingen, so pflegte Doktor Wenig doch zu seinen Kollegen manchmal zu äußern: Aus den Musterschülern sind im Leben noch keine tüchtigen Kerle geworden. Das Blut, meine Herren, das Blut und die Rasse! Der Teufel hol die blutarmen Büffler!"
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Mit dem gerade durch seine scheue Zurückhaltung ge schärften Instinkt hatte Menne Knoll das wohl empfunden. Und er tat alles, um den Ordinarius für fich einzunehmen. Leider fing ers am falschen Ende an und lernte doppelt eifrig für die Fächer, in denen Doktor Wenig unterrichtete.
Der junge Lehrer machte die Einzeichnung ins Tagebuch und sagte dann:
Wir sammeln jezt die Beiträge ein für das Waldfest. Ich lese die Namen vor und jeder tritt ans Katheder heran." Es geschah. Das Alphabet bestimmte die Reihenfolge. Mehr tot als lebendig, saß Menne Knoll auf seinem Playe Wann rief man ihn?
,, Knoll," sagte der Lehrer.
Er trat vor. Er legte das Fünfzigpfennigstück zu den anderen. Niemand scherte sich darum. Nur Otto Seydel mochte sich wundern. Er war gerade dabei, seinen Feder fasten zu öffnen. Das S tam ja zuletzt. Er hatte noch Zeit, Plötzlich ward er unruhig. Er sah unter die Bank, schlug Bücher nach, griff in die Tasche.
richt
der
zu
Der Namensaufruf war beendet. Der übliche Unter begann.
„ Seydel, willst Du endlich zur Ruhe kommen!" drohte Lehrer plötzlich. Was soll denn das?!"
Der Junge vertiefte sich einige Zeit in die Grammatik Aber nicht lange, und er begann von neuem die Taschen revidieren. Doktor Wenig hatte ihn scharf im Auge be halten. Er wollte eben von neuem auffahren, als der Knabe selbst meldete durch Aufheben des Zeigefingers.
sich
In
,, Was hast Du, Seydel?"
Fast weinerlich stand er auf.
,, Mir hat... jemand... fünfzig Pfennig fortgenommen, der großen Pause... lagen sie noch im Federkasten." Der junge Lehrer ward rot. Als hätte man ihm selbst einen Schlag versett, erhob er sich jäh.
,, Bedenk, was Du sprichst, Sendel," sagte er scharf,„ Du bezichtigst einen Deiner Kameraden des Diebstahls!" Aber das Geld.. war doch noch da. Und jetzt. jetzt ist es verschwunden.
"
Es war mäuschenstill in der Klasse. Jeder hielt den Atem an. Einige von den größeren Schülern mochten gleich falls die Peinlichkeit der Situation empfinden. Sie wurdent rot und fahen mit großen Augen zum Katheder empor. Der Ordinarius klappte sein Buch zu.
Ihr habt gehört," wandte er sich an die Klasse ,,, welcher Verdacht hier ausgesprochen ward. Es muß Euch als Kindern anständiger Eltern und als Schülern einer höheren Lehranstalt selbst daran liegen, die Sache sofort aufzuklären. Sch frage die ganze Klasse hiermit, ob einer etwa aus Scherz, um Seydel zu erschrecken, das Geldstück an sich genommen hat. Der Scherz ist töricht, aber wenigstens begreiflich." Totenstille. Keiner erhob sich.
( Schluß folgt.)
Kleines feuilleton.
cg. Sie spielten. Karl, der zwölfjährige, saß am Tisch. Der um zwei Jahre jüngere Emil stand ihm gegenüber. Beide schnitten aus großen bunten Papierbogen die verstreuten Gliedmaßen von Hampelmännern aus: Karl einen Husaren mit Tschato, mächtigem Schnurrbart, langen Beinen und Sporenstiefeln, Emil einen Orgeldreher, dessen ordengeschmüdter Rumpf ebenso wie ein Holz. bein von den Heldentaten des alten Kriegsinvaliden erzählten. schöner."
Emil sah neidisch zu dem Husaren hinüber: Meiner ist Pöh!" Karl blies verächtlich die Baden auf: Bilde Dir man nich ein. So'n oller Leiermann, der betteln tut!' ne Schnapsnase hat er auch." Nich wahr! Es is bloß verdruckt! Es is die eine rote Backe,"