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Er fragte den Küster, ob er sich nicht aufs Haarschneiden dem Dichter wie nicht minder dem lleberseber, wie flüssige Prosa. verstehe. Doch der Küster hatte sich nie in seinem Leben mit sprache, nur freilich gehoben durch ihren Reichtum an poetischen Haarschneiden befaßt, Olga war es vielmehr, die das für das Bildern und Vergleichen. Wenn man laut einer Eröffnung des ganze Haus besorgte. Und nun ließ Rolandsen ein paar be- Dichters in Betracht zieht, daß an dem Roman fünf deutsche Literaten gescheitert sind, so verdient die vorliegende Uebertragung große geisterte Bitten an Olga vom Stapel gehen, daß fie ihm seine Anerkennung. Sie liest fich partienweise, als hätte ihr keine andere Haare schneiden möchte. Sie wurde rot und versteckte sich; als die deutsche Sprache zugrunde gelegen, womit ich sagen möchte, ich kann nicht," sagte sie. Aber Rolandsen fand sie wieder daß der Ueberseber vollständig in das Innere, in die Seele der und brachte einen so prächtigen Wortschwall vor, daß sie nach- Dichtung und ihres Schöpfers eingedrungen ist. Hat er diese geben mußte. poetische Feinfühligkeit bewiesen, so muß ich ihm doch berechtigte Vorwürfe machen, weil er nicht immer nach den Gesehen des Rhythmus, des natürlichen Wortklanges verfahren ist. Daß FurJelenskys Heimat unweit der erzgebirgischen böhmisch- sächsischen Grenze zu suchen sein dürfte, geht aus der auch den Sachsen eigenen Betonung des Namens Georg" hervor. In Süddeutschland und Desterreich bedient man sich der französischen Aussprache„ Schorsch", während im erzgebirgischen die erste Silbe des schrift- deutsch ausge= Rolandsen spielte sich schwer auf und redete hochtrabende sprochenen Namens betont zu werden pflegt, also Georg, nicht Worte. Er sagte: Georg. Das mag ja noch hingehen, obwohl es nicht angenehm Wenn Sie im Dunkeln draußen find an einem Winter- lingt. Bedenklicher sind die Verstöße gegen den Rhythmus. Sie sind abend, und Sie kommen in eine helle Stube, so strömt von sehr zahlreich. überallher all das Licht in Ihre Augen hinein."
fonst?"
Wie wollen Sie es haben?" fragte sie. Wie Sie wollen," antwortete er.„ Wie denn wohl Er wendete sich zum Küster und machte ihm die Hölle heiß mit heiflen Fragen, so daß der alte Mann es bald müde wurde und sich in die Küche zurückzog.
Olga verstand nicht, was er meinte, aber sie sagte Ja. " Ja," sagte Rolandsen. Und so ergeht es mir, wenn ich zu Ihnen komme."
Nun soll ich hier wohl nichts mehr wegnehmen?" fragte Olga. „ Doch, doch, schneiden Sie ruhig weiter. Sie selbst sollen bestimmen. Sehen Sie, da dachten Sie nun, wenn Sie nur gehen könnten und sich verstecken, aber würde ich dann besser daran sein? Kann denn der Blitz einen Funken löschen?" ( Fortsetzung folgt.)
J. S. Machar: ,, Magdalena".
( Ein Roman in Versen.)*)
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Wer ist J. S. Machar? In der tschechujen Literatur der Gegenwart, die besonders unter dem Einflusse der modernen wenn auch nur sporadisch der russischen, wie nordischen und deutschen Dichter eine sehr bemerkliche Evolution genommen hat, gilt 3. S. Machar als der Hauptrepräsentant dieser Entwickelungsepoche des tschechischen Schrifttums. Er ist deren bestgehaßter, arg berlästerter und mit dem Brandmal des„ Verräters an seinem Bolte" gezeichnete Vertreter." In Machar verkörpert sich, wie FurJelensky schreibt, die unerbittliche und erbarmungslose Bekämpfung jedwedes Augurentums, gleichviel auf welchem Gebiete: Im Leben, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Politik. Nichts ist imstande, ihm Respekt abzugewinnen, was seine Echtheit und Gediegenheit nicht voll und ganz zu erweisen vermag. Und aus eben diesem Grunde gab es und gibt es zwischen Machar und den sogenannten Parnassisten im tschechischen Volke teine wie immer auch geartete Annäherung, fein Kompromiß! Mit Machar erschien in der Arena ein haarscharf umriffener Typus, vor dessen durchdringenden Blick die Autoritäten mit ihrer erträumten Gottähnlichkeit ihre herkömmliche Komödie im öffentlichen Leben nicht weiter spielen durften, ohne daß er sie nicht als Komödie stigmatisiert hätte, ein Typus, der auf keinerlei Art und unter feiner Bedingung sich hätte verlocken Lassen, diese Komödie mitzuspielen. Schon die Nennung seines Namens ist ein Schlachtruf; sein Auftreten ist gleichbedeutend mit der Verneinung und völligen Vernichtung all der falschen, hohlen und erlogenen Imponderabilien, auf denen die Parnassisten ihr Leben und Wirken aufgebaut haben, und die genau besehen gar feine Imponderabilien find." Als Politiker, wenn man den böllig unabhängigen Dichter denn schon so nennen will bekämpft er das chauvinistische, in historischen Bahngebilden fich auslebende Jungtschechentum".
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Machar ist als Sohn eines Müllergehülfen am 29. Februar 1864 zu Kolin in Böhmen geboren. Nach Absolvierung des Gymnafiums in Prag trat er als Einjährig- Freiwilliger ins Militär ein. Er machte dann die Offiziersprüfung, sah sich aber später, als er ein armes Mädchen geheiratet hatte, genötigt, den Dienst zu quittieren. Seitdem ist er Beamter bei der Bodenkredit- Anstalt in Wien , wo er einst mit einem Hungergehalt von monatlich 32 fl. 50 Sr.( 55,25 M.) anfangen mußte. Schon während seiner Prager Sajul-, noch mehr seiner Militärzeit veröffentlichte er mehrere Bände Ihrischer und satirischer Dichtungen. Nachgefolgt find dann ein 3yllus politischer Lieder, ztvei Epen, ein Drama, zwei Bände Feuilletons , sowie ein Buch Gedichte und„ Bekenntnisse eines Literaten". Als sein Hauptwerk gilt der Roman„ Magdalena", der nun zum ersten Male im deutschen Sprachgewande geboten wird.
Zwei Merkmale an ihm stechen in die Augen: Die Versform, in der er geschrieben ist und der Stoff. Machar ist so sehr Dichter, daß er sich der Prosasprache nicht bedienen mochte. Das Wert ist in bierfüßigen reimlosen Trochäen geschrieben und liest sich, dank
*) Einzig autorisierte Uebersehung aus dem Tschechischen von Zdenko Fur- Jelensky.( Wiener Verlag , Wien und Reipzig 1905.)
Nun zum Roman selber. Er erörtert das Problem: Gibt es eine Rehabilitierung einer Gefallenen? Machar verneint dieſe Frage. Erstens verhindert die sogenannte„ Gesellschaft" die Rehabilitierung, zweitens scheitert sie wahrscheinlich immer an der schließlich doch die Oberhand gewinnenden finnlichen Leidenschaft desjenigen Mannes, der solch ein Wesen„ retten" will, und drittens bleibt, wenn alle besten Vorfäße, im Kreise der Gesellschaft als moralisch gleichwertiges Individuum Achtung zu erlangen, in die Brüche gehen, der Gefallenen entweder nur der Weg in den Tod oder, da sich die Stimme des jungen Lebens zumeist mächtiger erweist, der Rüdfall in die aufgegebene Daseinssphäre.
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Georg, ein übersättigter reicher Viveur, lernt in einem Brager Bordell ein junges schönes Mädchen kennen. Sie ist die Tochter eines entgleisten Landlehrers. Der dem Trunk ergebene Vater hat sie selber dort hineingebracht und lebt von ihr. Georg beschließt, fie zu retten. Er bringt sie in sein Haus und unter der mütterlichen Obhut seiner Tante erwacht Luch zu einem neuen Menschtum. Georg ist wirklich von wahrem Humanitätsgefühl erfüllt; er hält sich respektvoll fern und freut sich an dem Glüde, das seine Schutzbefohlene empfindet und das er ihr bereitet hat. Die Freunde spötteln über ihn; er kündigt ihnen die Freundschaft. Um auch ganz unbehelligt zu sein, übersiedelt er mit der Tante und Luch aufs Land. Hier beschließt er zu bleiben und widmet sich fortan der Bewirtschaftung des Gutes. Natürlich kann man so ohne jeglichen Verfehr nicht auskommen. Im nahen Städtchen findet sich das. Mit den Honorationsfrauen gibts Verkehr. Gelockerte Moral und Klatschsucht sind deren Merkmale. Man macht sich gegenseitig Besuche, unternimmt gemeinschaftliche Ausflüge usw. Luch bildet für diese Frauen ein Fragezeichen. Man sucht hinter das Geheimnis zu Georgs Tante kommen. Eine Tochter der alten Frau Rätin" ist Luch nicht. Seine Braut? Nein. Aber sie hat früher in na ja, da hat man's. Nun beginnt Prag gelebt. Man forscht die Sippe ihr Spiel. Georg und die Tante begegnen ihm mit voller Offenheit. Nein, so was! Luch, die bald merkt, wie man sie brüstiert, zieht sich nur noch tiefer zurüd in die Einfamkeit. Gegen Georg bewahrt sie das Gefühl innigster Dankbarkeit und aufrichtiger Verehrung. Er wieder hat nichts für sie übrig; sein Denken hat sich der Tochter einer reichen Bürgersfrau aus dem Städtchen zuge= wendet. Und dann tommt noch eins. Seine Oberflächlichkeit paart sich mit ehrgeiziger Streberei. Er will auch was in der Welt gelten. Er schlägt sich zu der politischen Partei der Demokraten poden der Bürgermeisterpartei, hält Versammlungsreden und wird sogar als Reichstagskandidat aufgestellt. Nun treten natürlich auch die engeren Parteifreunde an ihn heran. Was es eigentlich zwischen ihm und Luch sei, fragen sie. Nichts, darf er reinen Herzens antworten, nur retten wollt er fie, sonst nichts, und sie sei ein edles Geschöpf. Pah, man lacht ihn aus. Ein kompletter Esel sei er. Also auch die Und nun kommt die Wandlung. Eines Tages tritt Georg an Luch heran. Ein ganz anderer ist er, wieder der alte Genüßling von ehe dem. Zuch weist ihn voller Empörung ab. Alles ist zu Ende. Heimlich verläßt sie das Haus. Nur fort, fort. So weit, als die Füße fie tragen können. Und dann den Tod im Wasser suchen. Was soll solch ein Dasein! Und so flieht sie der Moldau zu. Nur noch wenige Stunden und dann ists vorbei. Wie sie aber, ihrer unbewußt, wieder in die Stadt gekommen ist, entzündet sich ihre gesunkene Lebensflamme allmählich an der Lebenslust, die in den Straßen und Es ist, als ob sich ihre Seele spaltet. Die eine Gassen brodelt. Hälfte verlangt nach Sterben, die andere, mächtigere, lechat nach so nabe am Todessprung. Leben. Es ist ein fürchterlicher Kampf Und schließlich, huh, das gludsende Wasser da unten, wie talt! Nein, nein, sie ist noch so jung und so genießensfroh, da stirbt man nicht gerne. Unfern winkt ja das Haus der Luftbarkeit, wo sie einst war. Wenn man sonst keinen Anter weiß, um zu rasten, hier, hinter den lacht es: das Leben"! Und Luch wankt zur Türe Jalousien, da die Hand erhebend drückte sie die Klinke ienes Hauses und nieder... öffnet.
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den Antis
J. S. Machar erweist sich in diesem Roman als ein feiner Seelenkundiger. Er kennt die geistige und die moralische Beschaffenheit der tschechischen Gesellschaft". Und er kennt sie zu gut. Daher reißt er ihr alle fasche Prüderie, alle Scheinheiligkeit vom Leibe und
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