Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 5.
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Schwärmer.
Dienstag, den 9. Januar
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1906
( Nachdrud verboten.) der Gemeinde; half das nicht, so reiste er selbst zu den Sündern auf Besuch. Er wurde ein gefährlicher, gefürchteter Mann. ind er schonte niemand. Auf eigene Faust hatte er ausgekundschaftet, daß einer seiner eigenen Gehülfen, mit Namen Levion, eine Schwester hatte, die losen Sinnes und den Fischerburschen gefällig war; auch sie bekam einen Brief. Er rief ihren Bruder zu dem Zwecke zu sich und entsandte ihn mit dem Briefe und dieser Weisung: Gib ihn ihr. Und sage ihr, daß ich sie bewachen werde mit offenen Augen ins Zimmer gerufen. Der Besuch war kurz, aber bedeutungsKaufmann Mack kam zu Besuch, und der Pfarrer wurde voll: Mad wollte dem Pfarrer seine helfende Hand bieten, wenn er für einen Armen im Kirchspiel Hülfe brauchte. Der Pfarrer dankte und war seelenfroh. Hätte er es nicht schon gewußt, so erhielt er nun die Gewißheit, daß Mack auf Rosengaard aller Menschen Beschützer war. Wie vornehm und mächtig er war, der alte Herr; sogar der Frau, die aus der Stadt war, imponierte er: er war ein feiner Herr, das waren sicherlich echte Steine da an der Nadel, die er im Hemde trug. Es geht gut mit dem Heringsfang," sagte Mack;„ es
Roman von Knut Hamsun . Autorisierte Uebersehung von Hermann Kiy. Dann verhärtete der Pfarrer sich nach und nach und ließ ab, fie täglich zu tadeln, mit zusammengefniffenem Munde und mit so wenig Worten wie möglich räumte er auf und ordnete er die hunderterlei Dinge. Und die Frau hatte nichts dazu einzuwenden, sie war es gewohnt, daß jemand hinter ihr stand und die Ordnung wiederherstellte. Und manches Mal fand ihr Mann auch, sie sei zu bedauern. Da ging sie gutmütig und abgemagert und in schlechten Kleidern umher und seufzte nie über ihre Armut, trotzdem sie alles Gute gewohnt war. Da konnte sie fizen und nähen und ihre so oft schon geänderten Kleider von neuem ändern und konnte froh sein und trällern wie ein junges Mädchen. Dann plötzlich lebte das Kind in ihr wieder auf, und die gute Frau verließ ihre Arbeit, ließ alles liegen, wie es lag, und ging ins Freie hinaus. Tische und Stühle konnten mit aufgetrennten Kleiderbahnen bedeckt sein, einen, ja zwei Tage lang. Wo ging sie hin? Von Hause ist mir wieder eine Absperrung gelungen. Na, es ist nicht hatte sie eine Vorliebe dafür mitgebracht, in den Läden herum- weiter von Bedeutung, an die zwanzig Tonnen bloß; aber zuflanieren, es machte ihr Freude, irgend etwas zu erstehen. immerhin ist es ein kleiner Zuschlag zu dem vorigen Fang. Sie hatte immer Bedarf für Tuchstücke, Bandreste, für alle Und da dachte ich, daß man auch seine Pflichten gegen die Arten Haarkämme, Riechwasser, Zahnpulver, Metallgegen- anderen nicht vernachlässigen soll." stände, wie Zündholzdosen und Pfeifen zum Hineinblasen. Raufe lieber einen einzigen großen Gegenstand, dachte der Pfarrer, laß ihn teuer sein, bring' mich in Schulden. Ich will versuchen, eine kurze Kirchengeschichte fürs Volk zu schreiben und die Schulden damit bezahlen.
Und die Jahre, sie verstrichen. Oft gab es Reibungen, aber die Eheleute liebten sich doch, und wenn der Pfarrer sich nicht in zu vieles hineinmischte, so nahm alles den besten Verlauf. Doch er hatte die lästige Eigenheit, über dieses und jenes ein wachsames Auge zu haben, sogar aus der Entfernung, sogar von dem Fenster im Studierzimmer aus; gestern hatte er bemerkt, daß es auf ein paar Bettdecken, die im Hofe hingen, regnete. Soll ich alarmieren? dachte er. Plötzlich sieht er seine Frau kommen, sie ist draußen gewesen und flüchtet sich jetzt vor dem Regen nach Hause. Sie wird die Decken nicht mitnehmen! dachte der Pfarrer. Und die Frau ging auf ihr Zimmer hinauf. Der Pfarrer rief in die Küche hinein; da war niemand, und die Jungfer hörte er in der Milchkammer rumoren. Der Pfarrer ging selber und holte die Decken herein.
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Und dabei hätte es sein Bewenden haben können. Aber der Pfarer fonnte seinen Mund nicht halten, der Murrkopf. Am Abend vermißte die Frau die Decken. Sie wurden gebracht. Sie sind ja naß," sagte die Frau. Und wären noch nässer, wenn ich sie nicht hereingeholt hätte," sagte der Pfarrer. Da schlug die Frau einen anderen Ton an:„ Du haft sie hereingeholt? Das hättest Du durchaus nicht nötig gehabt, ich hätte es den Mädchen schon selbst befohlen." Der Pfarrer lächelte bitter:" Dann würden die Decken jetzt noch draußen hängen." Die Frau war verlegt.„ Um der paar Regentropfen willen brauchtest Du nicht so zu knurren. Den ganzen Tag lang ist nichts mit Dir anzufangen, Du steckt Deine Nase in alles!" Mir würde es schon passen, wenn ich es sein Lassen könnte," erwiderte er.„ Siehst Du, daß Deine Waschschüssel augenblicklich auf dem Bette steht?" Die Frau antwortete: Ich habe sie dahingestellt, weil sonst nirgends Platz ist." Wenn Du noch einen Waschtisch dazu bekämst, so würde auch der mit Sachen bepackt werden," sagte er. Die Frau berlor die Geduld und sagte:„ Gott , wie abgeschmackt Du bist, Du bist überhaupt krank. Nein, ich halte das nicht aus!" Und sie setzte sich und brütete vor sich hin.
Aber sie hielt es aus. Einen Augenblick später war alles vergessen, ihr gutes Herz bergab alles Unrecht. Sie war eine so glückliche Natur.
Und der Pfarrer hielt sich immer mehr in seinem Studierzimmer auf, wo die sonstige Unordnung des Hauses sich nicht bemerkbar machte. Er war zäh und stark, ein rechtes Arbeitspferd. Er hatte die Gehülfen nach dem sittlichen Leben des Kirchspiels ausgefragt, und was er erfuhr, war nichts weniger als erfreulich. Da schrieb der Pfarrer Briefe strafenden und ermahnenden Inhalts, bald an dieses, bald an jenes Mitglied
„ Das ist recht!" sagte der Pfarrer. So soll es sein!- Zwanzig Tonnen, ist das ein kleiner Fang? Ich verstehe so wenig von diesen Dingen."
" Ja, tausend Tonnen sind mehr."
,, Dent mal an, tausend!" sagt die Frau.
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,, Aber was ich nicht selber absperre, kaufe ich von den anderen auf," fährt Mack fort. Einer fremden Mannschaft ist gestern ein guter Fang mit der Wate geglückt; ich habe ihn sofort gekauft. Ich will alle meine Fahrzeuge mit Heringen laden." „ Sie stehen einem ausgedehnten Betriebe vor," sagte der
Pfarrer.
Mack gab zu, daß der Betrieb anfange, sich auszudehnen. Es sei eigentlich ein altes, ererbtes Geschäft, sagte er, aber er habe es ja erweitert und neue Zweige eröffnet. Das alles täte er um seiner Kinder willen.
Du großer Gott, wie viele Werkstätten und Fabriken und Läden haben Sie denn eigentlich?" fragte die Pfarrersfrau begeistert. Mack lachte und antwortete:
,, Das weiß ich wirklich nicht, gnädige Frau. Ich müßte
zählen." Und Mack vergaß über dem Geplauder für eine kleine Weile seine Sorgen und Kümmernisse; nach seinen Geschäften gefragt zu werden, war ihm durchaus nicht unlieb.
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Wären wir nur in der Nähe Ihrer großen Bäckerei auf Rosengaard," sagte die Frau und bewies damit Umsicht in der Wirtschaft. Wir backen hier so schlechtes Brot." ,, Beim Vogt wohnt ja ein Bäcker. " Ja, aber er liefert fein Brot."
Der Pfarrer sagte:„ Reider, er trinkt so unmäßig. Ich habe einen Brief an ihn geschrieben."
Mack saß eine Minute lang schweigend da. Dann errichte ich auch eine Bäckerei hier bei der Filiale," sagte er. Er war allmächtig, er tat, was er wollte. Ein Wort von ihm, und eine Bäckerei stand da.
,, Dent mal an!" entfuhr es der Frau, die verblüffte Augen machte.
Sie sollen schon Brot bekommen, gnädige Frau. Ich telegraphiere gleich wegen der Arbeitsleute. Es wird nur furze Zeit dauern, ein paar Wochen."
Aber der Pfarrer schwieg. Wenn nun seine Hausmamsell und alle seine Mädchen das Brot bücken, das gebraucht würde? Nun würde das Brot teurer werden.
Ich muß mich bei Ihnen bedanken, weil Sie mir in Ihrem Materialwarenladen so zuvorkommend Kredit ein geräumt haben," sagte der Pfarrer.
" Ja," sagte auch seine Frau und bewies damit wieder Umsicht.
Das war ja selbstverständlich," erwiderte Mack.„ Alles, was Sie wünschen, steht zu Diensten."