Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 6.

6]

Schwärmer.

Mittwoch, den 10. Januar.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Knut Hamsun .

Autorisierte Uebersetzung von Hermann Kiy.

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1906

setzen und sagen: Für gestorben und verdorben erkenne ich Dich hiermit bis in Ewigkeit!

Doch Olga langweilte sich redlich und war nicht mehr schüchtern. Ueber der Halskrause trug sie heute ein rotes Seidenband, so daß sie wie eine Dame aussah, und es konnte jezt auch kein Mensch mehr die Stecknadel sehen.

Noch gründlicher will ich mich rehabilitieren, dachte

Rolandsen sagte: Wie Sie aussehen! Ihre Blicke sind Rolandsen. Er sagte: Ich hatte erwartet, es würde etwas Schüsse, sie verwunden mich."

Ich verstehe Sie nicht," sagte Olga.

So. Aber glauben Sie denn, daß ich selbst mich besser verstände? Ich habe den Verstand verloren. Nun steh' ich hier und mach' Ihnen nur noch ein bißchen leichter, mir den Kopf zu verwirren für heute Nacht."

,, Dann sollten Sie lieber nicht hier stehen," sagte Olga. " Heut nacht hab ich Worten gelauscht in meinem Inneren. Unjagbare Worte waren es. Sturz und gut, ich habe be­schlossen, die große Entscheidung herbeizuführen, wenn Sie meinen, Sie könnten mir dazu raten.".

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" Ich? Was hab ich denn damit zu tun?" " Soso," sagte Rolandsen. Sie sind recht bitter heute, Sie fißen nur da und wehren sich Ihrer Haut. Uebrigens bleibt Ihr Haar Ihnen bald nicht mehr auf dem Kopfe liegen, so üppig wächst es."

Olga schwieg.

daraus werden. Meine alte Braut im Pfarrhof hat mir so viele Anfangsbuchstaben in meine Sachen gestickt, und mun ist alles, was ich habe, so gut wie mit Olga Rolandsen ge­zeichnet. Das schien mir ein Wink des Himmels zu sein. Aber jetzt will ich mich verabschieden und mich für den heutigen Tag bedanken!"

Und Rolandsen schwang seinen Sut und ging. So über­legen schloß er. Es müßte doch sonderbar zugehen, wenn sie fich nicht daran machte, ein bißchen über ihn nachzugrübeln. Was war geschehen? Sogar die Küfterstochter hatte ihn abgewiesen. Gut! Aber deutete nicht manches darauf, daß alles nur Spiegelfechterei wäre? Warum saß sie draußen vor der Türe, wenn sie ihn nicht hatte kommen sehen? Und warum hatte sie sich mit dem rotseidenen Bande wie eine feine Dame geschmückt?

Aber schon ein paar Abende danach sollte Rolandsens Dinkel zuschanden werden. Von seinem Fenster aus sah er Haben Sie gehört, daß der Orgeltreter Börre eine Olga zu Macks Materialwarenladen gehen. Bis spät gegen Tochter hat, die ich bekommen kann?"

Da brach Olga in Lachen aus und sah ihn an. ,, Nein, Sie dürfen nur ja nicht anfangen zu lächeln. Das macht mich nur noch mehr vernarrt in Sie."

Sie sind ein verrückter Mensch!" sagte Olga leise, und ihr Gesicht rötete sich.

Zuweilen denke ich: Kann sein, daß sie mir nur ins Ge­ficht lacht, um mich noch mehr zu verwirren. Schlachtet man nicht Enten und Gänse, indem man ihnen zuerst einen kleinen Stich in den Kopf versetzt, dadurch schwellen sie an und werden noch einmal so schmackhaft!"

Olga erwiderte verlegt: So bin ich nicht. Das brauchen Sie nicht zu glauben." Und sie stand auf und schickte sich an hineinzugehen.

Wenn Sie hineingehen, komme ich Ihnen doch nur nach und frage Ihren Vater, ob er die Bücher durchgelesen hat," sagte Rolandsen.

,, Vater ist nicht zu Hause."

,, So. Ihn will ich auch nicht treffen. Aber Sie. Olga, wie hart und spröde Sie heute sind! Es ist mir nicht möglich, ein freundliches Wort von Ihnen zu' erlangen. Ich bin Luft für Sie, Sie werfen mich zu Boden."

Olga lachte wieder.

Börre hat also eine Tochter." sagte Rolandsen. Das Mädchen heißt Pernille. Ich bin herum gewesen und habe mich erkundigt. Ihr Vater tritt die Bälge in der Kirche." Müssen Sie an jedem Finger eine Liebste haben?" fragte Olga offenherzig.

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Meine Braut hieß Marie van Loos," antwortete er; ., aber wir haben abgemacht, daß es nun aus sein soll zwischen uns. Sie können fie fragen. Sicher reist sie jest bald.

" Ja, Mutter, ich komme schon," rief Olga zum Fenster hinein.

Ihre Mutter hat Sie nicht gerufen, sie sah Sie nur an." " Ja, aber ich weiß, was sie will."

" Aha. Ja, ich werde jetzt gehen. Sehen Sie, Olga, Sie wissen wohl auch, was ich will, aber mir antworten Sie nichts von einem Ja, nun kommen Sie."

Sie öffnete die Tür. Nun hatte sie sicherlich den Ein­druck bekommen, daß er nicht der überlegene Rolandsen wäre, und er mußte das wieder wett machen. Ging es denn wohl an, so gröblich Einbuße zu leiden? Er begann vom Tode zu reden und stellte sich drollig dabei an: für ihn hieße es ja jetzt: sterben, und so sehr zuwider würde ihm das Sterben nicht sein. Aber das Begräbnis wolle er nach seiner Fasson haben. Er selbst würde eine Glocke zum Läuten konstruieren, und der Schwengel solle das Schenkelbein von einem Ochsen sein, so dumm wäre er gewesen. Und der Pastor solle die fürzeste Rede von der Welt halten und bloß seinen Fuß auf das Grab

Abend blieb sie da, und als sie nach Hause ging, war sie in Begleitung von Friedrich und Elise. Nun hätte der stolze Rolandsen sich ruhig verhalten sollen, er hätte bloß eine kleine Melodie summen oder gleichgültig einen Marsch mit den Fingern trommeln und unausgesetzt an seine eigenen Sieben­sachen denken sollen; statt dessen aber ergriff er feinen Hut und stürmte in den Wald. Er machte einen großen Bogen und kam weit vor den Dreien wieder auf den Weg. Da blieb er stehen und schöpfte Atem. Dann ging er ihnen entgegen.

Aber die drei brauchten eine ungewöhnlich lange Zeit, Rolandsen sah und hörte sie nicht. Er pfiff und sang vor sich hin, als fönnten sie irgendwo im Walde sitzen und ihn be­obachten. Schließlich sah er sie kommen, sie gingen un verschämt langsam für die späte Stunde, und niemand von ihnen hatte es eilig mit dem Heimkommen. Mit einem langen Strohhalm im Munde und einem Weidenzweig im Knopfloch ging er ihnen entgegen; beide Herren grüßten bei der Begegnung, und die Damen nickten.

Wie erhitzt Sie sind," sagt Friedrich; wo sind Sie ge­

wesen?"

Rolandsen antwortet ihm über die Schulter zurück: Das ist der Frühling; im Wandern grüß ich den Frühling."

Das war fein Geschwäß, sondern die schiere, pure Wahr­heit! Hoho, wie langsam und gleichgültig und unentwegt er an ihnen vorbeigegangen war; er hatte sogar noch die Straft gehabt, Elise Mack von oben herab zu betrachten. Aber kaum war er ihnen aus den Augen gekommen, so schlich er sich in den Wald hinein und tat nicht mehr groß, sondern fühlte sich bewegt und geschlagen. Olga, die war ohne Bedeutung, und sobald es ihm einfiel, zog er die Busennadel aus der Tasche, brach sie mit Fleiß entzwei und warf sie fort. Aber da war Mads Tochter Elise, die war groß und sonnverbrannt, und wenn sie lächelte, sah man ihre weißen Zähne ein wenig. Die hatte ihm Gott in den Weg geschickt. Stein Wort hatte sie ge­sagt, und vielleicht reiste sie morgen nach Hause. Und alle Hoffnung erstarb.

Es war yut so.

Aber daheim an der Station stand Jungfer van Loos und wartete auf ihn. Schon einmal hatte er ihr wiederholt, vorbei sei vorbei, und sie solle lieber reisen. Und Jungfer van Loos hatte geantwortet, darum solle er sie nicht zweimal zu bitten haben; und darum: Adieu. Aber nun stand sie da wieder und wartete auf ihn.

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Da hasi Du den Tabaksbeutel, den ich Dir versprochen habe," sagte sie. Wenn Du ihn nicht verschmähst." Er nahin ihn nicht, sondern antwortete:" Ein Tabats. beutel? So ein Beug brauch' ich nicht."

..Ach so," sagte sie und zog ihre Hand zurück. Und er bezwang sich, um sie wieder sanfter zu stimmen: