schaffen würde. Außerdem war Jungfer van Laos sehr tüchtig; ohne sie würde nichts in Ordnung sein. Er entsann sich, wie es im Anfang hergegangen war, als seine Frau auf eigene Faust wirtschaften sollte, ja, das vergaß er nie. „Wen willst Du für sie nehmen?" fragte er. Die Frau antwortete:«Ich will lieber selbst ihre Ar- beit tun." Da lachte der Pfarrer bitter und sagte:„Ja, dann würde die Arbeit getan werden!" Verletzt und gekränkt äußerte die Frau:„Mir bleibt ja doch die ganze Zeit schon nichts anderes übrig, als mitzu- helfen im Haushalt. Was die Jungfer tut. hat nicht viel auf sich." Der Pfarrer schwieg. Es hatte keinen Zweck, weiter zu antworten, Gott mußte helfen!„Die Jungfer kann nicht ziehen," sagte er. Aber seine Frau saß da mit ihrem ge- platzten Schuh, daß es ein Jammer war. und bevor er ging. sagte er:„Wir müssen wirklich sehen. Dir ein paar Schuhe zu schaffen, sobald wie möglich." „Ach, es ist ja Sommer." erwiderte sie. IX. Die letzten Watenboote liegen segelfest, der Fang ist zu Ende. Kaufmann Mack hatte allen Hering gekauft, den er bekommen konnte, und niemand hatte gehört, daß seine Zah- lungen jemals stockten; nur den letzten Watenmeister hatte er um kurzen Ausschub gebeten, bis er nach Süden telegraphiert hätte des Geldes wegen. Aber da hatten die Leute gleich ge- munkelt:„Aha, er sitzt in der Patsche." Aber Kaufmann Mack war so mächtig wie früher. Mitten aus feinen übrigen Geschäften heraus hatte er der Pfarrers- frau eine Bäckerei versprochen,— und siehe, die Bäckerei machte Fortschritte, die Arbeiter waren gekommen, die Gnmd- mauer war errichtet. Die Frau fand ein wahres Vergnügen daran, hinzugehen und es mit anzusehen, wie ihre Bäckerei in die Höhe wuchs. Aber jetzt sollte mit dem Gebäude be- gönnen werden, und dazu brauchte Mack andere Arbeiter; es fei auch nach ihnen telegraphiert worden, sagte Mack. Doch nun hatte der Bäcker beim Vogt sich zusanimen- genommen. Was des Pfarrers Brief nicht ausgerichtet hatte, das richtete Mack mit seiner Grundmauer aus.„Es wird schon Brot zu haben sein, wenn es Brot ist. was die Leute wollen," sagte der Bäcker. Doch die Leute verstanden ja sehr gut, daß der arme Mann nur nutzlos zappelte, jetzt würde Mack ihn erdrücken. Rolandsen fitzt in seiner Kammer und setzt ein sonder- bares Plakat auf mit einer Unterschrift von eigener Hand. Er liest es mehrmals wieder durch und findet, daß es in Ordnung ist. Dann steckt er es in die Tasche, nimmt seinen Hut und verläßt das Zimmer. Er schlug den Weg zu Macks Fabrikkontor ein. Rolandsen hatte gewartet und gewartet, daß Jungfer van Loos reisen möchte; aber sie reiste nicht, die Pfarrerssrau hatte ihr gar nicht gekündigt. Rolandsen hatte falsch ge- rechnet, wenn er hoffte, die Frau werde ihm Dienste erweisen, er bekam seinen gesunden Verstand wieder und dachte: Wir wollen uns an die Erde halten, wir haben also niemand betört. Dagegen hatte Rolandsen einen Brief ernsten und strafenden Inhalts vom Pfarrer erhalten. Rolandsen der- heimlichte es nicht, daß ihm das widerfahren war, er erzählte es weiter an Hoch und Niedrig. Der Brief sei wohlverdient, sagte er, und er habe ihm gut getan; kein Pfarrer habe sich seiner auch angenommen seit der Konfirmation. Ja, Roland- sen ging so weit, daß er meinte, der Pfarrer müsse viele solcher Briese versenden zur Freude und Erbauung von jedermann. Doch das konnte dm Telegraphisten Rolandsen keiner ansehen, daß ihm just in der letzten Zeit eine solche Freude und Erbauung zuteil geworden war, im Gegenteil, er arübelte mehr als je und schien sich mit besonderen Gedanken zu tragen.„Soll ich es tun, oder soll ich es nicht tun?" konnte er murmeln. Als aber nun seine vormalige Braut, Jungfer van Loos, ihm heute gleich in der Frühe aufgelauert und ihm wieder das Leben sauer gemacht hatte mit der dummen Serenade im Pfarrhof, da hatte er sie mit den bederrtsamen Worten verlassen:„Ich tu es." lFortsetzung folgt.) lNachdruck verboten.) Von dem Joanne, der auszog, den üod zu bekämpfen» Bon Lisa Wenger -Ruutz Es war einmal ein Mann, der eine weite und lange Reise ge- macht hatte. Dabei hatte er vieles gesehen und gehört, und war immer fröhlich und guter Dinge gewesen. Als er nun endlich zurück kam, fand er keinen mehr von allen, die er lieb hatte: Vater und Mutter, auch Bruder und Schwester, alle waren sie gestorben. Da kam ihm die Welt schwarz und öde vor, und sein Herz wurde schwer, und zornig sagte er sich:„Ich will ausziehen, den Tod zu bekämpfen!" Er ließ sich einen undurchdringlichen Harnisch machen, ein starkes und langes Schwert schmieden, und sein Roß mit neuen Hufeisen versehen. Darauf ritt er hinaus und suchte den Tod, denn der Mann wußte nicht, wo er sich aufhielt. Zuerst ritt er durch einen dunklen Wald. Wo er früher nur Schönes und Fröhliches gesehen, fand er nun. seit der Tod in seinem Hause gewütet hatte, Trauriges und Häßliches. ES kam ihm vor, als ob alle Kreatur nur de, wäre, um zuletzt dem imex- bittlichen und grausamen Würger in die Arme zu fallen I Ueber Käser und Mücken, Eidechsen und Frösche, Hasen und Rehe, sogar über Hirsche und Wölf« war der Tod Herr geworden I Unter jedem Moos, hinter jedem Stein, au jeden, Wäfferlein lagen die hülflos von ihn, Gemordeten. Ueberall fand der Mann die Spuren des Todes, ihn selber aber fand er nicht, so sehr er auch suchte. Zu seinem eigenen Leide hatte sich nun auch das Leid der Tiere gesellt, die er rächen wollte an ihrer aller Feind, dem Unerbittlichen, Schrecklichen! Achtkos all des Schönen um ihn herum ritt er mit gesenktem Haupt durch den Wald, durch die Wiesen und Felder, über steile Berge und hinunter durch tiefe Täler. Manchmal jrug er die Leute, ob sie den Tod nicht gesehen hätten. „Diese Nacht ist er da gewesen," sagten sie,„und hat uns unser Kind genommen I Aber gesehen haben wir ihn nicht." Und sie fluchten dem Tod. Ter Mann ritt immer weiter, monatelang. Da kam er an einem kleinen Hause vorbei, in den, ein Köhler wohnte. Er hörte das Wimmern eines Kindes„nd das Weinen einer Mutter, und stieg von seinem Pferd herab, band es an einen Baum und trat in die Hütte. Tie Frau, die da saß, sagte-ihm, daß ihr Kind noch in dieser Nacht sterben müsse. „So will ich dableiben und Wache stehen, denn ich will mit dem Tod kämpfen," sagte der Mann. Er stellte sich vor die offene Tür und wartete. Ununterbrochen weinte das Kind. Manchmal schrie die Mutter auf:„Ich will es nicht hergeben!" Aber wenn das Kind sich in seinen Schmerzen wand, küßte sie es und weinte wieder. Zuletzt schlief sie er» mattet ein. Ter Mann an der Türe wartete Stunde um Stunde ans den Tod, aber er kam nicht. Wenn der Wind durch die Tannen heulte, glaubte er seine Stimme zu hören, und wenn die schwarzen, langen Neste sich bewegten, und die weißen Flechten, die daran bcrsteten, hin und her wogten, glaubte er das hämische, grinsende Gesicht des Feindes zu sehen und faßte sein Schwert fester, um gerüstet zu sein, wenn er käme. Da trat eine hohe Gestalt aus der Dunkelheit des Waldes her- vor, in einem weißen Gewand, und mit Augen, die weit in die Ferne sahen. Sie ging an dem Mann vorbei und trat an das Bett des wimmernden Kindes, nahm es in ihre Arme, küßte es, und legte es leise in seine Kissen zurück. Tann wandte sie sich, ging hinaus und verschwand in der Nacht. Hinter ihr wurde es still, das Wüten des Sturmes hatte sich gelegt, und das klägliche Weinen des Kindes war verstummt. „Wer mag dieser milde Mann gewesen sein," dachte der Ritter, „bielleicht der Priester, der die Mutter nicht wecken wollte!" Als das erste fahle Frührot in die Hütte drang, und die Morgennebel die Tannen zu umspinnen begannen, erwachte die Mutter. „Es ist tot," schrie sie auf und warf sich über ihr Kind. „Tot?" rief der Mann.„Tot ! Und ich habe den Mörder nicht gesehen! Ich habe ihn nicht bekämpfen können! Ich muß weiter ziehen und ihn suchen!" Wieder ritt er lange umher. Eines Abends kam er an einem großen Gebäude vorbei, aus dem Jammern und Wehklagen drang, und aus dessen Tor auf einer Bahre ein Toter getragen wurde. Er frug, was für ein Haus das sei, und nian bedeutete ihn, daß hier Kranke gepflegt würden, bis sie gesundeten oder bis sie stürben. „Also ist der Tod oft in diesem Hause?" frug hastig der Mann. „Alle Tage", antwortete man ihm. Da ging der Mann hinauf und trat in einen der Säle. Dort lagen Frauen und Männer auf ihren Betten, mit blauen, vcr» zerrten Gesichtern. Eine furchtbare Krankheit war über das Land gekommen und hatte die Menschen zu Hunderten ergriffen. Tie Kunst der Aerzte war machtlos. „Sie alle werden den nächsten Morgen nicht mehr erleben," sagte traurig die Krankenschwester, und deptete auf die stöhnenden Kranken.
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23 (12.1.1906) 8
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