Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 12.

12]

Schwärmer.

Donnerstag, den 18. Januar.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Knut Hamsun . Autorisierte Uebersetzung von Hermann 1 y.

Da brach der Pfarrer in ein boshaftes Lachen aus. Die Frau warf ihre Näherei hin und stand auf.

Er ließe sie im Leben nicht in Ruhe, sondern bergälle ihr das Dasein mit seinem Understand. Und wieder entspann sich eine dieser törichten und fruchtlosen Zwistigkeiten, wie sie sich seit vier Jahren mit Zwischenräumen wiederholt hatten. Der Pfarrer war gekommen, sein Weib in Demut um Aufschub wegen der Schuhe zu bitten, aber es wurde ihm mehr und mehr unmöglich, sein Vorhaben auszuführen, die Galle lief ihm über. Ging es doch auch toll auf dem Pfarrhofe zu, seit Jungfer van Loos abgereist war und die Frau den Haushalt übernommen hatte.

,, Außerdem: könntest Du nicht endlich einmal ein bißchen mit Umsicht unten in der Küche wirtschaften?" sagte er. Umsicht? Ich denke, ich wirtschafte mit Umsicht. Geht es schlimmer her als früher?"

"

Gestern hab' ich den Kehrichteimer voll Essen gefunden." " Du solltest Deine Nase nicht in alles Mögliche stecken, dann ginge es besser."

Neulich hab' ich eine Menge Nahmgrüße vom Mittag her gefunden.

" Ja, die Mädchen hatten so häßlich davon abgegessen, ich fonnte sie nicht mehr gebrauchen."

Auch einen großen Rest Reisbrei fand ich." ,, Die Milch war geronnen. Dafür konnte ich doch wirklich nichts."

,, Einen Tag vorher hab' ich ein gekochtes und geschältes Ei im Kehrichteimer gefunden.

Die Frau schwieg. Aber sie hätte sich auch in dem Punkte zu reinigen gewußt.

" In so glänzenden Verhältnissen sind wir im Grunde nicht," sagte der Pfarrer, und Du weißt, wir kaufen die Eier. Neulich einmal hat die Kaze Eierkuchen bekommen."

Es war nur ein Rest vom Mittag. Aber Du bist nicht recht gescheit, will ich Dir sagen, Du müßtest wegen Deines Zu­standes zum Doktor gehen."

" Ich habe Dich mit der Katze auf dem Arme gesehen, wie Du ihr die Milchschale hinhieltest. Und so etwas läßt Du auch die Mädchen mit ansehen. Die lachen Dich im Innern aus." Die lachen durchaus nicht. Aber Du, Du bist geistes­frant."

Schließlich ging der Pfarrer wieder in sein Amtszimmer hinunter. Und die Frau hatte ihren Frieden wieder.

Beim Frühstück am Morgen darauf hätte es keiner der Frau angesehen, daß sie gelitten hatte und traurig gewesen war. Aller Kummer war wie weggeblasen von ihr, sie schien Gott sei Dank den ganzen Zwist vergessen zu haben. Ihr froher Wankelmut half ihr so gut über alles weg und ließ sie das Leben ertragen. Der Pfarrer war wieder gerührt. Hätte er nicht auch den Mund halten können wegen dieser Haus­haltungsangelegenheiten; die neue Jungfer, die sie bekommen sollten, war wohl schon auf dem Wege nach Norden.

,, Leider wirst Du nun Deine Schuhe nicht bekommen fönnen," sagte er.

,, Nein, nein," antwortete sie bloß.

1906

Wahrhaftig, wenn Du nur meine Schuhe anziehen fönntest," sagte er, und ihm war weich ums Herz.

Da lachte die Frau herzlich: Ja, und Du meine, hahaha!" Sie stieß an seinen Teller, daß er zu Boden fiel und entzwei ging; das falte Stotelett war mit dabei. Wart', Du sollst einen anderen Teller bekommen," sagte die Frau und lief hinauf.

Kein Ton der Klage über den Schaden! dachte der Pfarrer, nicht die Spur von solchen Gedanken! Aber ein Teller kostet auch Geld!

als

Du willst doch nicht das Kotelett essen?" rief die Frau, sie wieder hereinkam.

Was sollten wir sonst damit tun?"

,, Das kann aber wirklich die Sage bekommen."

" Ich bin aber nicht in so guten Verhältnissen mie Du," sagte er, wieder umwölft. Und wieder wäre der netteste Bank entbrannt, wenn die Frau nicht geschwiegen hätte. Aber die Freude war jedenfalls beiden verdorben.

Am Tage darauf wurde eine neue große Begebenheit bekannt: Rolandsen war verschwunden. Als er von dem Fund im Walde und von Enochs Geständnis gehört hatte, hatte er im größten Aerger gesagt: Das ist doch zu verrückt! Min­destens einen Monat zu früh!" Der Bälgetreter Börre hatte es gehört. Späterhin am Abend war Rolandsen nicht zu finden, weder drinnen noch draußen. Aber das Boot des Bälgetreters, das am Landeplatz des Pfarrhofes gelegen hatte, war fort, mit Rudern und Fischereigerätschaften und allem, was darin gewesen war.

Mad auf Rosengaard erhielt sofort Nachricht, wer der richtige Einbruchsdieb sei, aber seltsamerweise beeilte er sich nicht damit, zu kommen und von neuem einzugreifen. Viel leicht wußte der alte Mack, was er tat. Telegraphist Rolandsent hatte ihn um eine Belohnung geprellt, mit der er jetzt noch einmal herausrücken mußte, und das kam ihm in der Tat ungelegen. Er war ein so echter Mack, daß er sich nicht darauf verlegen konnte, fleinlich zu werden in dieser Ehrensache; aber für den Augenblick war er in Schwulitäten. Die vielen Ge schäfte, die Mack betrieb, erforderten hohe Auslagen, und das Bargeld floß nicht mehr in Strömen ein. Sein mächtiger Heringsvorrat lag beim Agenten in Bergen, aber die Preise waren zu niedrig, er verkaufte nicht. Mit Sehnsucht wartete Mack auf die Hundstage; dann war aller Fischfang beendet, und die Preise würden in die Höhe gehen. Außerdem hatten die Russen Krieg, der Ackerbau in dem großen Lande würde vernachlässigt werden und die Bevölkerung Bedarf für Heringe haben.

Mehrere Wochen hindurch vermied es Mac, in der Fabrik vorzusprechen. Hatte er nicht auch der Pfarrersfrau eine Bäckerei versprochen, und was sollte er ihr jetzt antworten? Die Grundmauer stand da, und die Planierungsarbeit war fertig, aber es wurde kein Haus gebaut. Schon begann wieder ein Geschwätz umzugehen, daß es Mack wohl Schwierigkeiten bereiten müsse, die Bäckerei zustande zu bringen. Das ging so weit, daß der Bäcker vom Hofe des Vogts wieder zu trinken anfing. Er fühlte sich sicher, eine Bäckerei fönnte man nicht in einer Woche bauen, er hätte Zeit, zu bummeln. Dem Pfarrer wurde der Rückfall des Mannes hinterbracht, und er wendete sich persönlich an den Bäcker; aber es schien nichts zu helfen, so sicher fühlte der sich.

In der Tat, der Pfarrer, dieser Arbeiter vor dem Herrn, hatte viel zu tun; obschon er sich keine Schonung gönnte, häufte fich die Arbeit doch immer mehr. Nun war sogar der eine

,, Das Opfer, das ich von Enoch bekommen habe, muß ich Gehülfe abgefallen, der eifrigste von ihnen allen, Enoch. Schon zurückgeben, er hatte das Geld gestohlen."

Was Du sagst!"

" Ja, dent' mal an, er hat den Einbruch bei Mack be­gangen. Gestern hat er es dem Vogt gestanden." Und der Pfarrer erzählte das Ganze.

,, Dann hat Rolandsen es ja gar nicht getan," sagte die Frau.

" Der, der Landstreicher! Der Rotterbube!,** Aber mit den Schuhen mußt Du jezt also warten."

,, Ach, was tut's!"

"

So war sie immer: gut und aufopfernd bis dort hinaus, ein Kind! Und niemals hatte der Pfarrer sie über ihre Armut jammern hören.

ein paar Tage nach seinem Fall war denn auch Levion wieder­gekommen und war recht sehr geneigt gewesen, die Stellung wieder zu übernehmen.

Der Herr Pfarrer sieht jetzt wohl ein, daß niemand besser zum Gehülfen geeignet ist als ich."

"

Man hat Dich im Verdacht, Du hättest den Waldbrand

angeſtiftet.

"

Das lügen Spißbuben und Gauner," entfuhr es Levions

Munde.

,, Gut. Aber Du wirst jedenfalls nicht Gehülfe." ,, Wer soll es diesmal werden?"

Niemand. Ich werde ohne Gehülfen auskommen." So war der Pfarrer stark und beharrlich und gerecht nach