Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 24.

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Sonnabend, den 3. Februar.

( Nachdrud verboten.)

Der Kuppelbof.

Roman von Alfred Bock .

Dem Henner blizte es durch den Kopf: jetzt war die passende Gelegenheit, seine Sache vorzubringen.

Ich hätt eine Bitt an Euch," fing er kurz entschlossen an. ,, Was soll's sein?" fragte der Bauer.

" Ich möcht die andere Woch emal zwei Tag fort."

In das Gesicht des Berz trat ein Ausdruck von Miß­

stimmung.

,, Alleweil? Das hast Du Dir schlecht ausgesucht."

' s läßt sich net anders einrichten."

"

Was is dann los?"

"

1906

sammen. Am Vieh hab ich ein Narr gefressen. Auf'm Feld geb ich keinem nig nach. Lezt erst hat der Bäckerphilipp zum Säuhirtekarl gesprochen:" Der Doßheimerberz muß ein gut Gesän*) über seine Aecker getan haben, daß bei dem alles so schön steht." Wie man das nimmt. Ich sein so wundergläubig net. Das gebt Ihr doch zu, ein wink sein ich auch an dem Segen schuld!"

Daß der Henner um die Mariann warb, hätte den Doß­heimer nicht in Harnisch gebracht. Das war halt eine Narretei. Daß er sich aber erdreistete, die geheimnisvoll wirkende Kraft der Gesane" mit seiner Hände Arbeit in einem Atem zu

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nennen, ia zu bespötteln, verſetzte den Bauer in große Wut.

,, Alleweil is es genunt," rief er rot vor 3orn. Du Strohkopp hältst die Finger an die Nas' und willst die Weis­heit vom Himmel langen. Mit so Sachen treibt man kein Spott. Das is meinem Sinn nach teufelhaft!"

Er zog sein großes, rotes Sacktuch hervor, fuhr damit

Der Henner zögerte mit der Antwort, als trage er Be- übers Gesicht und setzte wieder heftig hinzu:" No, und von denken, sich seinem Herrn anzubertrauen.

Der Bauer blickte erstaunt zu ihm auf. No?"

"

Wann Ihr's partu wissen wollt, kann ich's Euch ja sagen. Ich hab von deheim Nachricht gekriegt, net weit von meinem Ort sollen Aecker verstrichen*) werden. Da mach ich hin."

Da machst Du hin?"

" Ja.' s fönnt sein,' s wär was für mich. Man will doch auch emal sein eigener Herr sein."

,, Hast Du dann Riwwel**)?"

Ich hab was. Und was fehlt, haben andere Leut." Der Bauer machte eine saure Miene.

Guck, Henner, ich hab ja da nir ereinzuschwätzen. Ich jag auch, wann einer ein wink Grüß im Kopf hat und sich rührt, fann er's noch zu was bringen. Aber meinem Gedunk nach solltst Du Dir's dreimal überlegen, ehnder Du Dich festsetzen tust.' s gehört viel Moos dazu, wann man heut­zutag unbedrängt dastehen will. Ich weiß wohl, Du kriegst die Aecker auf Ziel. Und sie stellen Dir das Vieh in Stall. Baß emal acht: eins, zwei, drei hat Dich so ein Nullmächer am Bändel. Und kommst net mehr los."

sch sehn mich schon vor, dadrauf könnt Ihr Euch ver­lassen," tat der Henner selbstbewußt.

wegen Deinem Gejuck wirst Du Dir doch net einbilden, daß ich ernsthaft mit Dir dadrüber palmentier. Ich geb mein Mädchen keinem Knecht. Die friegt ein Bauer, wie sich's gehört." Henner den letzten Trumpf aus. Aeußerlich ruhig, aber innerlich kochend, spielte der

Ich verstehn net, warum Ihr so großpratschig tut. Die Mariann is scheinbarlich net so stolz."

Der Doßheimer trat ein paar Schritte zurück. ,, Was soll denn das heißen?"

Der Knecht hob die Hand.

,, Stellt Euch net eso. Ihr wißt ganz gut, daß sie sich den Geißbock angeschafft hat. h hätt ihr den Pfad abstecken können bei dem Gerenn. Ich wollt nur net. Einmal ver­schammeriert läßt sich net mehr vertuckeln. Wo habt Ihr dann gleich ein Bauer her? Ich sein am Plak und schweig still. Ich denk, mit dem Stalmud seinem Fried nehm ich's noch auf!"

die Ehre abschnitt, duckte der Dokheimer unwillkürlich den Unter der Wucht dieser Beschuldigung, die feinem Kind Kopf. Sein Gesicht war aschfahl. Nun sprang er plötzlich vor und packte den Henner an der Brust.

Hund, verfluchter! Dir stopp ich das Lästermaul!" Für den Goliath bedurfte es nur eines Griffs, sich los zu machen. Seine Riesenfäuste hielten den Arm des Berz wie mit eifernen Klammern umspannt.

Der Plan seines Knechts, sich selbständig zu machen, fam dem Doßheimer äußerst ungelegen. Bei dem Mangel an ländlichen Arbeitskräften würde es ihm schwer fallen zumal et im Sommer sich gleich einen Ersaßmann zu verschaffen.hr Dann war ihm der Henner eine Stüße, die er um so höher schätzte, als seine eigene Leistungsfähigkeit merklich abge­nommen hatte. So wahrte er nur sein Interesse, wenn er versuchte, den Steigerlustigen von seinem Vorhaben abzu­bringen.

Ezz wollen wir emal von was anderm schwäßen," sagte er leutselig. Eilt Dir's dann so mit dem Eigengut? Wer langsam tut, fommt auch voran. Hier legt Dir feins nig in den Weg. Hast Deinen schönen Lohn. Und ich sein auch net abgeneigt, Dir nach der Kirmes was zuzulegen."

Der Henner schüttelte den Kopf.

" Nee. Ich sein so gesinnt: besser ein kleiner Herr als ein großer Knecht. Wann's Euch aber drum zu tun is, daß ich bleib, Ihr habt's in der Hand."

Wieso?" fragte der Bauer, der nicht im entferntesten ahnte, wohin der Goliath steuerte.

Dieser sagte mit der Anmaßung eines Menschen, der sich für unentbehrlich hält: Ihr seid der Gefündst gerad net, und die Nuh is Euch zu gönnen. Ihr wißt, was Ihr an mir habt. Gebt mir Euer Mädchen und setzt mich als Aere***) ein.". Der Dotzheimer hatte alles eher als diesen Antrag er­wartet. In seiner Verblüfftheit fand er nicht gleich das er­

widernde Wort.

Der Henner legte das zu seinen Gunsten aus und schwatte weiter: Daß einer ins Werk geheirat hat, is schon mehr dagewest. Ich vernautnuß Euch nir und halt's zu­

*) versteigert.

**) Krumen, hier in der Bedeutung von Geld. ***) Schwiegersohn.

hr habt mich angepackt," höhnte er. Wann ich Euch furz und klein schlag, sein ich in meinem Recht. Aber braucht keine Angst zu haben, ich tun Euch nig." Darauf gab er ihn frei.

"

Wart ein wink!" feuchte der Doßheimer und verließ mit schlotternden Knien den Stall.

Es dauerte nicht lange, so war er wieder da. Er hatte seinen landwirtschaftlichen Kalender mitgebracht und ein Beutelchen voll Geld.

,, Wir wollen emal rechnen," sprach er, mit zitternder Hand das Buch aufschlagend. Du hast noch zu kriegen vierzig Mark. Dadevon hast Du aufgehoben zwölf Mark. Bleiben achtundzwanzig Mark."

Er klappte den Kalender zu, machte das Beutelchen locker und zählte dem Henner das Geld hin.

,,' s stimmt doch?" fragte er.

" Ja," erwiderte der Knecht.

,, Gut. Wir zwei sein fertig miteinander. Du trollst Dich tutswitt**)!"

Der Henner fah, daß er das Spiel verloren hatte. Trop und Wut im Gesicht strich er die Münzen ein und ging mit einem kurzen Adjes!"

"

Bis dahin hatte der Bauer sich aufrecht erhalten. Nun taumelte er nicht anders wie einer, der zu tief ins Glas geguckt hat. Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn, der Atem kam rasselnd aus seiner Brust. Die Bläß, seine Lieb­lingsfuh, wandte sich nach ihm um und schaute ihn mit ihren großen, braunen Augen an. Er lehnte sich an ihren Stand. " Sundsübel" war ihm, zum Umfallen schlecht. Vormittags noch hatte er das Tränkchen vom Säuhirtekarl genommen.

*) Zauberspruch. **) sofort.