Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 29.

15]

Sonnabend. den 10 Februar

1906

Bei all dem Schlamassel noch ein bißchen Glück," sprach

( Nachdruck verboten.) er bei sich.

Der Kuppelbof.

Roman von Alfred Bod. Dreihundert Mark?" haschte Henner auf, der bis dahin nur mit halbem Ohr zugehört hatte. Tust Du Dich net verschießen?"

,, Nee," sagte sie, dreihundert Mark sein's, ich weiß es genau."

"

Wo hast Du die dann hingetan?"

,, Ei, in meine Rist."

Dreihundert Mart, überlegte er, das hätte er ihr gar nicht zugetraut. Schade, daß er das jetzt erst erfuhr, wo er auf dem Sprung stand. Sacht, sacht! Die Dine war stock­dumm. Möglicherweise gelang's, ihr das Geld abzuluchsen. Der Lug von der Ackerversteigerung in seiner Heimat hatte ihn beim Dokheimer nicht zum Ziel geführt, vielleicht hatte er bei der Dine mehr Glück damit.

Er schmazte sie noch einmal tüchtig ab, dann sagte er: ., Dinche,' s wird Zeit. Ich hab einen weiten Weg. Ich mach die Nacht noch nach Bellersheim."

"

Was is dann passiert?" fragte sie betroffen.

Morn werden Aeder bei uns verstrichen. Da streich ich mit. Wie ich hau das dem Bauer auseinanderlegen tat, wurd he saugrob. He meint, ich hätt's lang gut bei ihm, er ließ mich net weg. Ich sagt, man will doch auch emal sein eigener Herr werden. Dadrüber sein wir hintereinander kommen. Nu gehn ich fort."

Herr Jesses im Himmel, Du gehst fort?" stieß sie zu Tod erschrocken heraus.

Sei doch gescheit," beruhigte er sie. Ek paßt's ja wunderschön. Wann's glückt, frieg ich mein Eigengut. Ein wink Geld hab ich parat.' s reicht zwar noch net, aber ich sein mit dem Edelschild gut bekannt. Der lehnt mir zwei-, dreihundert Mark. He stellt mir auch das Vieh in Stall. Wann alles hübsch in der Reih is, dernachert laß ich Dich kommen."

Sie war ganz verwirrt. Der Henner ging fort. Warum hatte er ihr das nicht früher gesagt? Ja, wann hätt' er ihr's sagen sollen?' s war faum eine Stund her, daß sie sich gefunden hatten. Sollte sie flennen, oder sollte sie juchzen? Der Abschied tat weh, aber man würde sich wiedersehen. Der Henner war ein Mordskerl. Was der sich vornahm, führte er durch. Und Bellersheim lag nicht am Ende der Welt. Er fonnte gleich Nachricht schicken. Wahrhaftig, es paßte wunder schön. Wenn's gut ging, würden sie schon in ein paar Wochen Hochzeit machen.

Was brauchst Du dann den Edelschild?" sagte sie vom Gefühl des Glücks überwältigt. Ich hab ja Geld." " Ich will Dein Geld net," lehnte er ab.

Ei, Du Dickkopp," rief sie übermütig, Du wirst doch dem Judd nen Remach*) net gunnen."

,, Net gern," gab er zu, aber was is da zu machen? Ich muß das Geld beim Berstrich morn haben."

Sie lachte hell auf.

,, Seist Du denn ganz vernagelt? Ich schaff Dir's gleich. Wir gehn ez zusammen bis zum Prozeßheckche. Da wartst Du auf mich. Ich spring schwind heim und hol das Geld." ,, Nee, nee," sträubte er sich.

Sei doch net äbsch."

Nee."

Tu mir's zulieb, ich bitt Dich drum."

No meinetwegen," willigte er endlich ein.

Nur über dem

Sie war herzlich froh, seinen Widerstand besiegt zu haben. Alsbald brachen sie auf. Sie hatten Mühe, auf dem rechten Weg zu bleiben, so dunkel war's. Festplatz lag ein rötlicher Schein. Deutlich vernehmbar drangen die Klänge der Tanzmusik herüber.

Am Prozeßheckchen trennten sie sich. Sie eilte davon, während er sich auf einen Grenzstein niederließ und seine Pfeife anzündete.

*) Gewinn,

Außer den achtundzwanzig Mark, die ihm der Dotz­ heimer eingehändigt hatte, besaß er nichts. Darum waren ihm die dreihundert Mark von der Dine sehr willkommen. Bei Tagesanbruch hoffte er in Grünberg zu sein. Dort wollte er den Frühzug benußen, der abwärts über Frankfurt ins Rheinische ging. Ein Schulkamerad von ihm schaffte in Oberringelheim. Der hatte einmal geschrieben, drunten sei ein fideles Leben. Zum Frühstück und zum Vesperbrot be­tämen die Arbeitsleute Wein. Und erst die Mädchen. So was gäb's nicht mehr auf der Welt. Donnerfiel! Da war er am Play. Und die Dine? Die mußte halt Lehrgeld zahlen. Ein zweites Mal würde sie vorsichtiger sein. Viel­leicht. Vielleicht auch nicht, denn sie war dümmer, als die Bolizei erlaubte. Er war gar nicht in die Lage gekommen, die dreihundert Mark von ihr zu verlangen, sie hatte sie ihm geradezu aufgedrungen.' s war zum Plazen.

Nach einer guten Viertelstunde kam sie atemlos an und übergab ihm einen Strumpf voll Geld.

er.

Nachzählen kann ich's net in dere Dunkelung," sagte ,,' s sein doch dreihundert Mark?"

"

,, Bei Heller und Penning," versicherte sie.

Er machte sich daran, die Taler, die Mark- und Fünfzig­pfennigftüde in seinen Hosentaschen unterzubringen. Diese schwollen mächtig an.

Darauf schieden sie mit Kuß und Händedruck.

Langsam schritt sie ins Dorf zurück. Eine Kräftigkeit spürte sie in sich, daß all ihre Muskeln sich spannten. Ar­beiten war das Beste auf der Welt, gewiß. Aber immer und ewig für fremde Leute schanzen, war doch ein trauriges Ge­schäft. Künftig würde das anders werden. Und der Henner follte seine Freude an ihr haben, der liebe Kerl! Ach Gott­chen, daß ihre Eltern das nicht mehr erlebten! Heute nacht war der Himmel mit Wolfen verhängt. Morgen in aller Frühe würden sie droben hinter den großen, glizernden Scheiben siten und auf das Glück ihres Kindes hernieder­schauen. So wohl war ihr wie nie zuvor, und leise hob sie zu singen an:

,, Daß du mein Schätzche bist, Daß du es weißt,

Daß du kein andern liebst, Bis ich dich's heiß."

12.

Glock vier, nach ein paar Stunden stärkenden Schlafs, war der Doßheimer wieder auf den Beinen. Im Stall fand er den Hannpeter bereits am Werf, eine Last Klee auf die Raufen zu verteilen, und er lobte im stillen den Fleiß seines neuen Helfers.

Gu Morje, Nachbar!" bot er ihm freundlich die Zeit. Der Hannpeter drehte sich um. Gu Morje!"

"

,, Das war ein hübsch Wetterchen die Nacht." " Das will ich meinen. Hast Du's schon gehört?" ,, Was dann?"

Beim Dappersluis hat der Sturm die neu Scheuer zusammengeschmissen."

Der Bauer tat einen Schritt zurück. ,, Donner aber auch!"

,, Wahrscheins hat sich der Wind da gefangen."

Das is möglich," sagte der Doßheimer. Du kannst mir's glauben, ich in meiner Stub hab auch ein paar Mal gedenkt, das Gebälk tät auf mich brechen."

Der Hannpeter tam näher.

,, Babberlababb! Dein Haus hält sein Mann aus. Aber mein Gelerr. Da muß man sich wundern, daß nix passiert is." ,, Wie uns' Herrgott will," sprach der Bauer. Ich gehn et risch emal aufs Feld und gud, wie's aussieht. Ich sein schwind wieder da."

Wo das Wasserspiel so recht drauf geplatscht is, sein die Salm zerknickt," gab der Hannpeter seiner Ueberzeugung

Ausdruck.

Mit einem ,, gu Morje beisammen!" trat die Dine in den Stall und machte sich ans Melkgeschäft.