stoff bot. Unterdessen stellten sich die Geladenen ein: der Bäckerphilipp nebst seiner Frau, der Andreas Albach, genannt der Notring, beide mit dem Dotzheimer   weitläufig verwandt, der Hannpeter als Freiersmann, der alte Bickelmeier, zuletzt der Bürgermeister mit dem Grundbuch in der Hand. Auf dem Tisch lag für dasSchriftliche" alles bereit. Sobald das Dorfoberhaupt Platz genommen hatte, ließen sich auch die übrigen nieder. Die Verhandlung begann. Der Bernhard Dotzheimer und der Zacharias Allendörfer waren willens, ihren gesamten Besitz ihren Kindern zu übergeben, wogegen sie sich den lebenslänglichen Einsitz in ihren Behausungen und die Leistung gewisser Reichnisse an Lebensmitteln und Natur- erzeugnissen ausbedangen. Bis zur vollständigen Erfüllung dieser Leistungen behielten sich die Abtreter das Eigentums- recht an ihren Gütern vor. Die Gutsübergabe sollte Martini stattfinden. Der Bürgermeister amtierte heute in seiner Eigenschaft als Vorsteher des Ortsgerichts. Wohlbewandert in derlei Ge- schäften, richtete er vor allem sein Augenmerk darauf, daß die bedungenenAuszüge" die Wirtschaft der neuen Besitzer nicht übermäßig belasteten. Frag und Antwort flogen hin und her. Manchmal geriet man scharf aneinander, und die Köpfe wur- den heiß. Zwischendurch tat der Dotzheimer die Aeußerung, er habe gehört, der Karges fei dem Moritz Edelschild von Bellersheimetzliche Tausend Mark" schuldig. Er verlange genaue Auskunft, wie sich die Sache verhalte. Ohne aufzu- blicken erwiderte der Allendörfer, er gestehe zu, mit dem Jud gehandelt" zu haben. Weil er aber gemerkt habe, daß dieser die Bohnen aufpetze" undden Sack samt dem Zippel" ver» dienen wolle, habe er ihm die Freundschaft gekündigt. Sein Besitz sei schuldenfrei. Der Matz sah den Hannpeter an. Hatte der ihm etwas vorgefabelt, sein Geschäft als Freiers- mann besser zu betreiben? Oder war es dem Vater gelungen, sich von dem Edelschild frei zu machen und seine Schulden zu bezahlen? Daß er die Wahrheit verhehlte, traute der Sohn ihm nicht zu. Der Hannpeter rieb sich das Kinn und dachte: Wann der Karges nock> nie gelogen hat, alleweil lügt er. Was geht's mich an?"'-- Ein paar Stunden vergingen, eh alles durchgesprochen und geregelt war. Darauf brachte der Bürgermeister unter Zuhülfenahme des Grundbuchs den Vertrag zu Papier, las- ihn vor und ließ ihn unterschreiben. Man kam überein, so- gleich auch dasEheberedungsprotokoll" aufzusetzen, dessen Niederschrift wiederum geraume Zeit beanspruchte. Endlich war der geschäftliche Teil der Brait erledigt. Die Dine und dem Hannpeter seine Frau trugen Kasse und Kuchen auf, und der Dotzheimer holte Schnaps herbei. Der Andreas Albach, der Gewohnheitstrinker war, begleitete den ersten Wuppdich", den er sich zu Gemüte führte, mit den Worten: Branntewein. Du edler Christ, Wirfst gar manchen auf den Mist, Hast s meinem Vater angetan, Fängst jetzt auch bei mir schon an." Mit feinem SpottnamenNotring" hatte es folgende Be- wandtnis. Alle Stunde begab er sich in denPflug", dort ein Viertelchen Schnaps zu trinken. Begegnete ihm jemand und fragte:Andres, wohin?" lautete die Antwort:In die Schmied, ein Notring") holen." Ost wurden an einem Tage zwölf Notringe gezählt. Im übrigen entwickelte der Andres, wenn er betrunken war, einen ganz gesunden Humor. Gerad war von Frischborn   die Redr, wo der Blitz ver- gangene Nacht gezündet hatte. Das sein etz dreizehn Jahr her," sagte der Notring, daß der Schäfer von Frischborn in die Höh gangen is." Alle machten verdutzte Gesichter. In die Höh gangen? Wie is dann das zu verstehn?" Nur stät," machte der Notring,ich will's Euch ver- zählen." Mit gefüllten Backen hörte man ihm zu. Von Lauterbach   sollt ein Fuhrmann ein Faß Wein nach Dirlammen   bringen,'s war im August und barbarisch heiß. Der Fuhrmann schlief. No, der Gaul kannt sein Weg. Etz kam eine Steig. Das Faß rollt erab und geht auseinander. Dreizehn Wildgäns' sehn's gullern und machen sich über den Wein her und saufen sich blindhagelvoll. Wie sie nun so erumdurmcln, fallen sie dem Schäfer von Frischborn in die Händ. Der bind schwind alle dreizehn an seine Hundskett und lacht sich ins Fäustchen, was er für einen guten Fang *) Ein Ersatzstück, das die Fuhrleute brauchen, tvenn ein Ring in der Jugkette platzt. getan hat.'s dauert abernei lang, da sein die Wildgäns' wieder nüchtern worden. Und schlagen mit den Flügeln, daß es dem Schäfer schwul wird. Wuppl gehn sie mit ihm in die Höh. Von der Zeit an hat man nix mehr von ihm gehört." sgortsetzung folgt. 1 (Nachdruck verboten.) Oer ScKornfteinfeger. Skizze von Karl Busse  . Mit schlurrenden Pantoffeln segelte derschorrne" Franz, der Tuschek-Franz, die Chaussee entlang aus Gollnow   zu. Es war Hochsommer, und die Sonne brannte. Dunstig lagen die Fernen. Die Blätter der Bäume hingen schlaff und welk; sie waren in der anhaltender. Dürre zum großen Teil schon vorzeitig gelb geworden. Kein Wagen rollte durch die glühende Hitze, kein Windzug blies dem Duschek-Franz ins Gesicht. Aber er schien nicht ungern hier zu lvandern. Er machte auch keine Rast. Hin und wieder nahm er die kurze Leiter auf die andere Schulter und lüftete den Zylinder. Der mehlige Staub des Weges hatte wie mit feinem, zer- blasenem Pulver seine Pantoffeln bestreut, daß sie beinah grau aus- sahen. Unter dem hohen Hut rannen ein paar Schweißtropfen hinab und zogen über die rußige Stirn ihre Bahnen. Denn der Duschek- Franz hatte ein Gewerbe, bei dem der Sauberste nicht weiß bleibt. Er war Schornsteinfeger. Es hatte ihn damals, als er in die Lehre sollte, niemand ge- fragt, ob er Lust zu dem Berufe hatte, der nicht jedermanns>sache war. Ja, es war eine große Gnade gewesen, daß der Meister, dem der Kehrbezirk zugeteilt war. den Jungen überhaupt genommen hatte. Und hätten nicht gewichtige Personen ihr Wort für ihn eingelegt, so wär' heut ein anderer nacb Gollnow gewandert. Er wußte selber, daß er einem ehrwürdigen Stand angehörte. Meister Schütze hatte ihm das oft vorgestellt... der stolze, behäbige Meister, dessen Bauch nicht mehr gut in die Schornsteine rutschte, und der lieber imGoldnen Lamm" das große Wort führte. Er war noch einer aus der alten Zeit, anhänglich den von den Vorfahren überlieferten Sitter und eifersüchtig bedacht auf den Ruhm und die Ehre seines Gewerbes. So erzählte er gern und mit Stolz von den Zünften der vergangenen Jahrhunderte, führte wohl auch an, daß die Schornsteinfeger von allen anderen Gewerben sich durch ihren gewissermaßen amtlichen Charakter unterschieden, und legte dem Zylinder symbolische Bedeutung bei. Er zeige�bei der notgedrungen rußigen Arbeitstracht die Vornehmheit des Standes, der sich noch manches alte Vorrecht bewahrt habe: so zum Beispiel das Recht des ncujahrlichen Umgangs... Der Duschek-Franz hatte alles dies so oft gehört, daß er nicht im geringsten zweifelte, sondern ganz die Meinungen Meister Schützes teilte. Auf den Knien, sagte sein Lehrherr, müsse er Gott danken. daß er in das altehrwürdige Gewerbe aufgenommen sei. Bon Rechts wegen Hütt' es nicht geschehen dürfen, denn Krüppel oder mit Mängeln der Geburt und äußeren Bildung behaftete Individuen gehörten da nicht hinein. Nun hatte derschorrne Franz" zwar sinne schlanken und ranken Glieder gehabt, als Meister Schütze sich für ihn entschied, doch er war stumm gewesen und stumm geblieben. Es war ein Glück, daß man beim Kaminfegen und Esscnkehren keine Reden zu halten brauchte. Denn das Hütt' er nicht gelernt, so gut er auch das andere begriff. Ein fixer Bursch war er von Anfang an gewesen. Wie eine Katze spazierte er auf den Dächern, kletterte an den Steigeisen die Schorn. steine empor und hantierte mit Senkkugel und Krcuzbescn, daß es eine Art hatte. Ter Lehrherr wußte das wohl. Er hielt dem Duschek-Franz zwar alle Tage vor. daß er ihn gleichsam nur aus Menschenliebe und christlichem Mitleid aufgenommen hätte, aber er ließ ihn nicht ziehen und band ihn recht fest an sein Haus.Wenn ich mal Feierabend mach', Franz," sagte er und meinte den Tod damit,dann wirst Tu Meister und bekommst den Kchrbezirk. Warum also willst Du laufen?" Ter Stumme nickte.'Nein, er wollt' ja auch gar nicht fort... es war schon recht sp. Man blieb allerdings nicht immer zwanzig Jahr... man wurde älter... man dachte ans Heiraten. Es war ein feines Mädel drüben beim Klempner... die Christel Klein. Stundenlang Hütt' er ihr zusehen können. Früh- morgens stellte sie den Spiegel schräg gegcns Fenster und zupfte sich die Löckchen in die Stirn. Abends, im Sommer, begoß st« den kleinen Vorgarten. Wie sie da die Gießkannen schleppte, die ihr Vater selbst gemacht hatte! Wie sie die blanken in die Regentonne tauchte, daß gurgelnd das Wasser hineinschoß, und wie sie die schweren dann hob... man sah ordentlich die Muskeln spielen an den kräftigen Armen! Viele Burschen waren auch hinter ihr her. und man sprach davon, daß fie mit diesem und jenem hielte. Doch wußte niemand etwas Rechtes. Und eines Sonnabends, als Christel Klein wieder goß, ging der Duschek-Franz weiß gewaschen und glatt gekämmt hinüber an den Zaun. Sie lachte ihn an... er lachte wieder, aber ohne Ruhe und