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Sicherheit. Und da niemand in der Nähe war, wagte er es, ihr einen Brief au geben." Lies!" baten seine Augen. Ganz erstaunt hob sie den Kopf und stellte die Gießfanne hin. Ihre Hände waren feucht, daß sich die Linte etwas verwischte, aber sie begann neugierig zu lefen. Bald wußte sie auch, daß der Duschet- Franz ihr einen regulären Antrag machte und sie heiraten wolle.
Er stand schwer atmend am Jaune und hatte alles in den Augen, was er nicht sagen konnte. Mit den Händen hatte er das Stafet gefaßt und zitterte, und sah sie an, und wurde weiß und rot. Sie bekam jedoch vor Zorn einen roten Kopf, denn sie war ein stolzes Persönchen. Und mit scharfem Lachen sagte fie:" Die Hike war wohl zu groß, Herr Nachbar." Dabei tippte ihr Zeigefinger gegen die Stirn. Weil ich nicht bei jedem Kuß weiße Fleden will, nehm' ich keinen Müller. Aber schwarze Flecken passen mir noch schlechter, Herr Schornsteinfeger ." Und sie warf ihm den feuchtgewordenen Brief über den Zaun, schürzte mit einer Hand rasch und zornig das Kleid und griff mit der anderen nach der Gießtanne. Die Kann war noch halb voll. Achtlos schüttete sie den vollen Guß auf einmal über den Efeu und verschwand im Hause.
Der Duschek- Franz öffnete den Mund als wollt' er ihr nachschreien, aber er bekam wie immer auch diesmal nur einen unartikulierten Laut heraus. Dann schüttelte er wie wahnsinnig den Zaun, als wollt er ihn umbrechen. Bis er dann endlich mit vorftoßenden Knien über die Straße ging. Aeußerlich war dies alles. Es folgte nichts. Christel Klein Heiratete bald und verließ die Stadt. Und der Duschel- Franz fletterte nach wie vor auf Dächer und ließ die Kugel in die Schornsteine und die Rauchtanäle rollen.
Aber innerlich war das nicht fertig und richtig. Da stimmte etwas nicht. Oft blieb der Stumme, was er sonst nie getan, auf dem Dachfirst siken und sah über die Dächer fort, fah hinab auf die Straßen, empor zum Himmel. Es war etwas in ihm, das er nicht faffen fonnte. Beinah ihm selber unbewußt spannten seine Finger fich manchmal, als wollten sie es greifen, ihm Form geben, es halten, damit er es erkennen fönnte. Und einst, als er wieder auf einem Dache faß , empfand er etwas Seltsames, das es wohl sein Unter ihm, die Gassen, waren voll Nebel, so daß man die Menschen nicht zu erblicken vermochte. Nur unverständliche Rufe und Worte drangen herauf zu ihm wie aus weiter Ferne.
fonnte.
Da dachte er, daß eigentlich so sein ganzes Dasein war, daß er einsam und gleichsam vom richtigen Leben geschieder dasaß. Niemand fümmerte sich um ihn; die Mutter war früh gestorben, dem Vater war er eine Last gewesen. Von allen Spielen der übrigen Kinder hatte seine Stummheit ihn ausgeschlossen. Sie zog auch die Scheidewand zwischen ihm und seinen Kollegen, zwischen ihm und dem Meister. Denn weil ein Gespräch mit ihm immerhin um ständlich war, so scheute jeder die Mühe und beschränkte fick auf das Notwendigste, das kahl und dürr war wie ein Stamm, dem alle Zierden der Blätter und Zweige fehlen. Genau wie es hier oben war, war es also unten auch: niemand, der ihm nahe stand. Er war unendlich einfam.
Langsam und ungefüg arbeiteten sich in dem Stummen diese Bilder, Gedanken, Gefühle heraus. Und immer noch stand dahinter Christel Klein, die sich die blonden Löckchen in die Stirn zupfte, die aus der Regentonne schöpfte, die selbst an Wochentagen so fauber und geleckt aussah, wie er nicht mal am Sonntag.
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was
Die ganze Liebe zu ihr, der Antrag, den er gemacht war das weiter gewesen als ein Versuch, aus dem Nebel, aus der Einsamkeit herauszukommen? Einen Menschen zu haben wie die anderen, behaglich zu zweien zu fiken, einem auszudrücken, was man so sein ganzes Leben in der sammelnden Kraft der Stille gedacht hatte, ohne es sagen zu können das mußte unendliches Glüd sein.
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Und wenn zum Dache empor, auf dem der Schornsteinfeger hantierte, manchmal das heitere Lachen der Mädchen scholl, bann drängte sich wie eine rasende Flut, die Dämme brechen wollte, etwas in dem Duschek- Franz empor, und er fürchtete, das würde einmal frei werden in einem großen, furchtbaren Schrei, der die ganze Welt erschrecken mußte. Eine dumpfe, gewaltige Sehnsucht 30g ihn nach unten, zu den behaglich- luftigen Menschen, und immer wieder das unklare Begehren nach einem, dem er nahe war, der alle Worte seiner Stummheit verstand, nach Christel Klein, nach einer Frau, nach einem Kinde.
...
Je älter er wurde, um so mehr liebte er gerade die Kinder. Nach der schroffen Ablehnung seiner Werbung hatte er nicht mehr Mut und Glauber genug, sich an die Mädchen heranzutrauen. Vielleicht war das Bild Christels auch noch zu wenig verwischt in ihm. Jedenfalls hatte er Kinder mehr und mehr gern und blieb von weitem oft stehen, fie in ihrem flinken Lauf oder in ruhigem Spiel zu beobachten.
Denn kam er näher, so stoben sie wie Vögel nach allen Richtungen der Windrose davon, die einen spottend, die anderen heulend. Er war ja der schwarze Mann", von dem die Dienstmädchen den Aleinen erzählt hatten. Und immer, wenn der Duschek- Franz die panitartige Flucht fah, zudte es in seinem Gesicht, und wie in schnell aufsteigendem Zorn und Weh verschoben sich die Augapfel, daß das Weiße start hervortrat. Es sah in dem berußten Geficht doppelt schrecklich aus.
( Schluß folgt.)
Kleines feuilleton.
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Profeffor an der Berliner Universität, neue i. Wie Johann Friedrich Dieffenbach , der berühmte Chirurg und pflegte, erzählt einer seiner ausländischen Hörer. Dieffenbach war Nafen zu machen ein Typus eigener Art. Er war flein , hager, nur Knochen und Nerven, von dunkler Farbe, glatt rafiert, Kleidung nach Schnitt und Stoff von höchster Eleganz. Seine Bewegungen waren gemessen, sicher. Sein Vortrag war sozusagen null und beschränkte sich auf wenige Worte; aber operieren mußte man den Mann sehen. Da war fein Ueberlegen, lein Baudern, teine überflüffige Geberde, ungewöhnlicher Körperkraft. Durch nichts ließ er sich irre machen. alles rasch, ficher, geschmackvoll, beinahe Künstlerisch, unterstützt von Db das Blut ihm über die Hände rann, daß man nichts mehr unter scheiden konnte, ob der Patient schrie, gleichviel. Dieffenbach kannte jeden Muskel und dessen Verzweigung, war seiner Sache sicher. Jin Nu, höchstens in ein paar Minuten, war jede Operation fertig. Dabei trug er keinen Schurz, arbeitete im Frad, mit leicht geftülpten Aermeln. Selten wurde er bespritzt. Mehr als drei Operationen wurden nicht gemacht. Fünfundzwanzig Minuten nach dem Schlag hörte man ein leichtes, zweirädriges Fuhrwert in scharfem Trabe heranrollen. Es war Dieffenbach , und in demselben Moment trat und rollte davon. Es war die Zeit der Rhinoplaftit( organischer er auch schon in den Saal. Mit dem Schlage war er stets zu Ende Wiederersatz der Nase). Aus einem Bogen Papier schnitt Dieffenbach verschiedene Rasen aus und fragte den Patienten, welche Sorte ihm am besten gefalle. Eine bourbonische, eine griechische? Je nach der Antwort legte er die Papiernase auf ein Stück Leder Stirne des Patienten, verkehrt, Spitze nach unten. schnitt sie aus, flebte sodann das Leder auf die Mit ein paar Schnitten war die Stirnhaut losgetrennt, oft bis in die Haare hinein, wurde umgekehrt, der obere Teil nach unten gezogen. Die fünftige Nasenwand wurde an der Lippe, oberhalb des Schnurr bartes, festgenäht, der hohle Raum mit Scharpie gestopft, die Ränder in die Baden eingefügt, das Ueberflüssige mit der Schere weggezwickt, und die Nase, wie sie der Batient gewünscht, stand ihm im Geficht. Die leere Fläche in der Stirn wurde nun durch Zus fammenziehen der Stirnhaut vermindert, so daß nur eine Lücke etwa von der Größe eines Pfennigs verblieb, welche durch ein Bflästerchen verdeckt wurde. Vierzehn Tage später wurden die Patienten wieder vorgeführt, deren neue Nasen sich nicht übel aus, nahmen. Dieffenbach starb in Berlin 1847.
und
H
k. h. Die Aegypter auf Sinai . In der rauhen, wilden Ges birgseinsamkeit der Sinai- Halbinsel lagen von altersher Schäße vera borgen, die die Bewohner der benachbarten Länder zu Streifzügen in das unwirtliche Land verlockten. Unter dem unscheinbaren Sand stein dieser zerklüfteten Gebirgsformationen schimmerte das leuchtende Blau der Türkisen. In den urältesten Zeiten der Entwidelung des ägyptischen Reichs rüsteten die Aegypter bereits eine große Expedition in die Wüste des Ostens, um aus den harten Felsen schimmernden Schmud für die Schönen ihres Landes zu gewinnen. So kommt es, selbst, sondern auf den Sinai - Bergen finden. Dreihundert Fuß daß wir das älteste Denkmal ägyptischer Kultur nicht in Aegypten über den Türkisenminen, die oberhalb des Höhlen- Tales" Wady Magareh tief in den Felsen gehauen find, hat ein ägyptischer Künstler die Neberwindung eines Sinai- Häuptlinge durch den ägyptischen König Semerthet der ersten Dynastie, etwa 4000 v. Chr., in cinem flach in Sandstein modellierten Relief verherrlicht. In den Schächten und Kammern der Türkisenminen haben sie noch die Namen der alten ägyptischen Könige erhalten, die die Begierde nach dem Besitz der glänzenden Edelsteine zu Streifzügen in das Sinai - Band vers anlaßt hatte und die sich und ihr Werk gern verewigen wollten. So lieft man hier die Namen der Könige Sanefht und Zefer aus der dritten Dynastie, den Namen des bekannten Königs Chufu aus der vierten Dynastie und andere mehr bis herab zu der achtzehnten Dynastie. Die Türkisenminen waren also von dieser grauen Vorzeit an bis um 1500 v. Chr.in Tätigkeit. Die Stulpturen find durch die modernen Benutzer der Meinen zum größten Teil zerstört. Die R. te sind gegenwärtig durch, den englischer Archäologen Currelly in das Museum zu Kairo übergeführt worden. Die besondere Wichtigkeit des ganzen Sinai- Gebiets für die ägyptologische Forschung, ja für die Verfolgung der Anfänge der Kultur überhaupt beweisen die neuesten Ausgrabungen, über deren Ergebnisse der bekannte Aegyptologe Flinders Petrie im letzten Heft von Harpers Monthly Magazine" berichtet. Weiter nördlich von den erwähnten Türkisens minen, in dem heute Serabit el Khadem benannten Gebiet, findet fich ein anderes Türkisen- und eisenhaltiges Sandsteinplateau, das von den Aegyptern nachweislid, ron 4000 v. Chr. bis 1100 v. Chr. bearbeitet worden ist. Auf dem höchster Gipfel des Plateaus, das fich bis zu tausend Fuß über dem Tal erhebt, wohnt die Herrin des gleißenden Steines, die Göttir, zu der die Fremben, die aus Ge winnsucht das Land betraten, heiße Gebete um den Erfolg ihres Unternehmens emporsandten. Augenscheinlich war es eine Lokalgöttin der eingeborenen Semiten, aber die Aegypter nannten sie mit dem volkstümlichen Namen der heiteren Göttin der Freude und Liebe, Hathor . Ihrem Dienst war hier schon in ganz früher Zeit ein Höhlen- Heiligtum geweiht. Spätere ägyptische Stonige bauten neue Gebäude davor zum Kult der Göttin, und so entstand schließlich ein großer Tempel, der einen Flächenraum von über 200 Fuß ein nahm. Heute liegt hier nur noch ein wüftes Trümmerfeld bon