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Er( mit einer pathetischen Handbewegung): Und was beweist das? Das beweist doch nur, daß Du die Sachen nicht schonst, daß Du alles ruinierst, jawohl! Ihr Frauen seid wie die Kinder! Sobald Jhr ein neues Kleid habt, müßt Ihr Tag für Tag darin ausgehen, aus Gefallsucht, aus Eitelfeit, damit man Euch bewundert. damit die lieben Freundinnen vor Neid bersten.
Sie: Ich gehe wahrhaftig viel aus!"
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Er( schreiend):„ Sechsmal in der Woche mindestens und immer in vollstem Staat, als wenn Du den Großtürken verführen wolltest Es ist schmachvoll, einfach schmachvoll! Und außerdem, ob Du ausgehst oder nicht, das bleibt sich ganz gleich. Für den ersten besten Ged, der hierher kommt, behängst Du Dich von Kopf bis Fuß mit Spizen, Rüschen, Bändern, Juwelen. Und alles bloß, um die Leute zu blenden!"
Sie( ruhig):„ Gott ! wie abgeschmackt Du bist, mein Lieber! Die Leute blenden!"
Er: Nicht? Umso schlimmer! Dann geschieht's, damit man Dir den Hof macht!"
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folgt wurden, Duldung und Heimat gefunden. Und nicht nur Dul dung, sondern auch Gelegenheit, durch ehrliche Arbeit ihr Leben zu fristen und damit die Möglichkeit, ohne Bettel und Diebstahl ihren Hunger zu stillen. Zuo Basel haben wir ein völdklin, die nennt man die fryetsknaben, das sint von stat verordnete jackträger, die die frücht der obriteit uff die kästen( d. h. Kornböden) tragen," schreibt der Chronist Ryff im 16. Jahrhundert über die Bewohner dieser Unehrlichenkolonie. Die Mehrzahl derselben beschäftigte sich also ton altersher als Sadträger und sonstige Gelegenheitsarbeiter. Unter Frhetstnaben, Freihardtsbuben verstand das Mittelalter all jene Menschen, die feine Heimat und keinen Herren hatten. Sie wurden sonst überall wie Hunde gehezt und getrieben. So heißt es in einem Beschluß des schwäbischen Bundes 1490, es sollen die Bundess berwandten darauf halten, teine freihardtsbuben zu hegen, sondern too sie betreten werden, sie aus dem Gebiete des Bundes hinaus schaffen."
Sie:„ Man das heißt Deine Freunde, nicht wahr?( Bestimmt) Na schön, mein Lieber! Diesen Vorwurf sollst Du mir in Zukunft nicht mehr machen, ich schwöre es Dir! Von heute ab werde ich, wenn einer dieser Herren tommt, unsichtbar bleiben oder noch besser, ich werde ihn empfangen.. dal.. in diesem prächtigen Morgenrod! Der hat Dich hoffentlich nicht ruiniert? Fünfsprochen für gericht bieten loßt, find sy zuo erscheinen nit schuldig, zehn Frank hat er im Ausverkauf geloftet! Und ich werde meine Spizen, Rüschen, Bänder und Juwelen für meine Freundinnen behalten. Auf die Weise werde ich halb soviel Geld vergeuden, wie bisher, und Du kannst Dir etliche Anzüge mehr bestellen."
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Er: Da find wir ja glücklich wieder bei meinem Anzug angelangt!( Auf die Uhr sehend): Na wenn es Dir Spaß macht, fönnen wir ja morgen weiter darüber sprechen. Heute abend erwarte ich Duhamel zum Essen, und Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn Du Dich jetzt ankleiden wolltest."
Sie( fategorisch): Nein!"
Er: Wie? Nein?" Sie: Nein!"
Er: Bitte, feine Kindereien! Geh und
Sie:„ Nein! Ich werde in meinem Zimmer bleiben, oder Dein Freund muß mich so nehmen, wie ich bin. Deine Verhältnisse gestatten mir nicht, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen, um mich für den ersten besten Geck, der hierher kommt, zu putzen!"
Er( fich die Haare raufend):„ Und alles das wegen dieses einen verfluchten Anzugs!"
Sie( nachläffig):„ Ich glaubte, wir wollten heute nicht mehr davon sprechen?"
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In Basel standen die geduldeten Freihardtsbuben natürlich in feinem Rechtsverhältnisse zur Stadt selbst, sondern unmittelbar unter dem Bogte, der bis 1386 Reichsvogt gewesen war. Sie waren befreit von allen bürgerlichen Lasten, Wachten und Diensten, und durften nicht vor die Baseler Gerichte gezogen werden. Do sind sh befrhet, das sy weder hietten noch wachen dörffen wie andere burger oder hindersässen. So man ihnen umb geltschulden oder ander an so mag mar sy umb geltschulden ouch nit in gefangenschaft legen." Auch sonst machte das damalige strenge Rechtsverfahren ihnen gegen über eine Ausnahme. Wo sy mit iemand zuo unfriden komen, mit ime rupfen und kein messer zucken, sind sy frävels frey." Als Unehrliche uni ihrer ganzen sozialen Stellung nach, von der es in der Chronit heißt: Buben, die weder messer noch degen und auch kein hosen tragen" oder„ freiheiten, die da ohne messer und hosen gehen," hatten sie keine Ehre, und wa: von Ehrverletzung ihnen gegenüber oder untereinander keine Rede. Daher bestimmte eine Rats verordnung von 1406, daz die Buben, die weder maße, messer noch tegen und ouch kein hosen tragend, daz die kein unguchte gegen einander beschulden mögent, so sy einander mit füsten schlahent und truckenen streichen, ob sy doch schnidemesser trügent und die nüt uszüget."
Die Freistätte am Kolenberg wurde wohl ganz von selbst im Laufe der Zeit auch zur Gerichtsstätte für die aus der bürgerlichen Gesellschaft Ausgestoßenen. Der Ursprung des Gerichtes verliert fich, wie so vieles in der Geschichte, im Dunkel der Vergangenheit. Ueber die Kompetenz dieses Gerichtes sagt die Ratsordnung von 1469 ziemlich erschöpfend, Unzuchten und Frevel mit Worten und Werken, begangen von Blinden, Lahmen, Gilern, Stirnenstoßern, Nachrichtern, Todtengräbern und deren Knechter soll der Vogt richten, wie es in dem roten Buche steht und von Alters Herkommen ist. Henker und deren Sippe, denn Ryff, der als Augenzeuge diesem Gerichte beiwohnte, sagt, vor disem gericht rechtfertigen die scharpffrichter und salvo honore die schinder einander, und wan ein erlicher man mit iren einen ansproch bekäme, so miest er sy doselbsten an meinet- flagen."
Er( versöhnlich):" Geh', zieh' Dein blaues Kleid an!" Sie: Weder das blaue, noch das rote, noch das grüne!( Sehr ernst) Du begreifft: Heute Duhamel, morgen Baul, über- In der Hauptsache war es wohl ein Frebel- und Bußgericht für morgen Jacques.. Wenn ich dieser Leute wegen, die mir höchst gleichgültig sind, meine Kleider auftrage, was bleibt mir dann noch, um meine Freundinnen zu empfangen, von denen ich beneidet und nicht bemitleidet werden möchte? Mag man mich auf der Straße in meinem alten, unmodernen Mantel sehen wegen! Hier zu Hause aber will ich wenigstens.
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Er( sieht von neuem auf die Uhr, bestürzt): Halbfieben! Bitte, zieh Dein blaues Kleid an! Ich werde Dir dafür auch einen. einen neuen Mantel kaufen."
Sie( ungläubig):" Deine Versprechungen!"
Er:„ Mein Wort!"
Sie:„ Ehrenwort?"
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Er: Mein Ehrenwort!( Da sie sich nicht rührt) Willst Du das Geld sofort?"
Sie( plötzlich strahlend):" Nicht nötig! Ich brauche es erst morgen, wenn man ihn bringt."
Er( verständnislos):„ Wen?"
Sie( harmlos):„ Wen? Na, den Mantel! Ich habe ihn schon bestellt!( Fällt ihrem Gatten um den Has und bricht in Lachen aus.) Die Geschichte mit Deinem Anzug kam mir sehr gelegen!"
Kleines feuilleton.
e. Unehrliche als Richter. Das Mittelalter mit seinem Zunftgeist und seiner fastenmäßigen Abgeschlossenheit schuf nicht nur aus sich selbst heraus jene große Shar heimatloser und unehrlicher Elemente, die damals die Landstraßen Deutschlands und der Schweiz bevölkerten, sondern zwang auch diese jenseits des geltenden Redjtes Stehenden sich eigenes Recht und eigene Gejeze neu zu schaffen. So sehr war für die fahrenden Leute, welche das Mittelalter so unendlich differenzierte, die Notwendigkeit des engsten Zusammenschlusses gegeben, daß selbst die Stadt- und Reichsgewalten die Organisatienen der Fahrenden und unehrlichen Beute anzuerkennen geztoungen waren. Besonders der Süden Deutschlands war der Sig mehrerer derartiger Organisationen, und eine der eigentümlichsten derselben bestand während des 14. bis 17. Jahrhunderts in Basel unter dem Namen des Kolenberger Gerichte 3. Hier in Basel hatte außerhalb der Stadt, dort bei der Wohnung des Henkers, eine große Zahl jener unehrlichen Elemente, die sonst überall im Reiche auf das Härteste mit Strang und Pranger ver
Der Ort des Gerichtes befand sich außerhalb der Stadtmauern. In Basel wohnt der nachrichter und seine gespaanen, wie auch die todtengräber, uff einem berg, der folenberg genannt. Am felbigen ort vor des nachrichters hauß stoht der schranken unter einer linden, do man diß gericht haltet.'" Das Rechtsverfahrer schloß sich im allgemeinen dem damals üblichen an, nur vollzog es sich unter einer starken Beeinflussung des Baseler Blutbogtes, der die Aufsichts- und Appellationsinstanz für das Gericht bildete, und unter einer Reihe teils lächerlicher, teils erniedrigender Formalitäten, wie wir solche im Mittelalter oft finden.
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Der älteste und oberste der Freiheitsknaben fungierte im Ges richt als Richter und führte den Stab, sechs andere bildeten die Schöffen. Die äußere Form des Gerichtes war seltsam genug. Ryff schreibt: derselbig richter muoß alle zeith, so lange er zuo gericht jizt, es sey sommer oder winter, den rechten schenket bloß in einem neuwen zuber mit wasser haben, und alle und iede gerichtstag muoß man ime ein anderen zuber tauffen, der nie broucht worden seh. Die andern 6 richter fißen mit dem rechten schenkel bloß. Ebenso seltsam war der Name, den Richter und Schöffen führten: sie hießen nämlich ein für allemal Lamprecht. Lamprecht, Du Richter," so redete man den Richter an, wie auch dieser die mit dem Urteil zurückkehrenden Schöffen frug: Lamprecht, weß hast du dich bedacht?" Der Gebrauch dieser Deckadresse mochte bei der Anrüchigkeit und Vergangenheit vieler dieser Beisißer und Richter seinen guten Grund gehabt haben. Der Vogt und die Amtleute nahmen als Zuschauer und Berater am Gerichte teil, mit der Selbständigkeit des Urteilfindens scheint es dabei nicht weit her gewesen zu sein. Was Diewil Rhif darüber schreibt, läßt wenigstens tief genug blicken. nun dise, als schlechte leuth, gewiß zuo urteilen zuo schlecht und unverstendig, so find die geschwornen amptleuth und procuratores der stat Basel zuogegen, die tragen den parteyen klag und antwort für. Der bluotsvogt ftoht hinder dem richter am schranken und die zwei eltisten amptleuth neben dem vogt, die zwei jüngeren amplleuth hinder den sechs urtelssprechern. Der vogt unterwist den richter, was er thuon und lassen soll."
Einige der Fälle, über die im Gericht geurteilt wurde, hat una die Geschichtsschreibung erhalten; sie finden sich bei Ofenbruggen. So flagte 1559 Meister Pauli, der Henker, wider einen anderen