die achttausend Mark auf Hypothek zu nehmen und den Moritz glatt auszuzahlen. Zu diesem Behuf wurde der Matz bei der Darlehnskasse in der Stadt vorstellig. Diese war auch geneigt, ihm das Geld zu geben, doch verlangte sie, daß hierbei in Uebereinstimmung mit ihren Satzungen Verfahren werde. Danach hatte sie bei den Liegenschaften, die ihr verpfändet werden sollten, als Gläubigerin an die erste Stelle zu treten, die dem Dotzheimer und dem Allendörfer eingeräumt war. Nur deren Bereitwilligkeit, zugunsten der Kasse sich mit der zweiten Stelle zu begnügen, konnte die Sache zum Abschluß bringen. Der Matz sah sich also vor die Wahl gestellt, ent- weder— womöglich lebenslang— an den Moritz Edelschild gekettet zu sein oder den Dotzheimer um seine Unterstützung anzugehen und ihm offen zu sagen, was sich bei der Brait zugetragen. Nachdem die Mariann seine Frau geworden, waren von seines Schwiegervaters Seite weder Herum- trägereien noch Schwierigkeiten zu befürchten, denn die In- teressen der Familien waren gemeinsame. Indessen zauderte er doch, seinen Vater der Verachtung des Berz preiszugeben, und ging wie tiefsinnig umher. Endlich brach sich die Ueber- Zeugung bei ihm Bahn, um seiner selbst willen dürfe er keinerlei Rücksicht walten lassen und müsse der Wahrheit die Ehre geben. lFortsetzung folgt. H NatunvirrenfcbaftUcbc ücbcrficbt. Von Dr. C. T h e s i n g. Wenn wir die reiche Welt der Organismen, Tiere wie Pflanzen, betrachten, die unsere Erde, das Meer und die Luft bevölkern, so finden wir in dem feinsten Aufbau des Körpers all dieser Lebe- Wesen eine grundlegende Uebereinstimmung, nämlich die Zusammen- setzung desselben aus einer großen Anzahl winziger Bausteine, die wir als Zellen zu bezeichnen pflegen. Jede dieser Zellen, welche sich oft zu vielen Millionen, ja Milliarden im Körper eines höheren Tieres und einer höheren Pflanze nachweisen lassen, kann man gewissermaßen als einen kleinen selbständigen Organismus auf- fassen, der sich mit anderen seinesgleichen zu einem großen Staats- verbände, einer ausgedehnten Kolonie, eben dem tierischen oder pflanzlichen Körper vereinigt hat. Infolge dieser Vereinigung haben die einzelnen Zellindividuen mehr oder weniger ihre Selbständigkeit aufgegeben. Während nämlich bei den niedersten einzelligen Lebewesen, den llrtierchen, Algen und Bakterien, die einzelne Zelle allein alle zum Leben notwendigen Arbeiten auszuführen gezwungen ist, hat hier eine weitgehende Arbeitsteilung statt- gegriffen. Ein Teil der Körperzcllen besorgt ausschließlich die Atmung, andere haben nur die Verdauung zu versehen, wieder andere sind zu männlichen oder weiblichen Keimzellen umgewandelt und in den Dienst der Erhaltung der Art getreten und haben keine andere Aufgabe, als die Fortpflanzung zu vollziehen. Eine weitere große Anzahl von Zellen hat sich endlich zu Schuppen, Federn. Haaren oder Borke umgewandelt und sorgt so für den Schutz und die Er- wärmung des übrigen Körpers. Ja, die Anpassung an diese ver- schiedenartige, dem gesamten Organismus und damit indirekt freilich auch seder Zelle nützende Arbeitsteilung ist so weit durch- geführt, daß eine einzelne Zelle aus dem Körper eines höheren Tieres oder einer vielzelligen Pflanze herausgenommen überhaupt nicht mehr imstande wäre, für sich zu sorgen, sondern in kurzer Zeit zugrunde gehen müßte. Trotzdem können manche Zellen, z. B. die EIcschlechtszellen, unter geeigneten Bedingungen auch außerhalb des Körpers mehrere Tage am Leben erhalten werden, ja in der Samentasche der Bienenkönigin erhalten sich die männlichen Samen- fäden nach der beim Hochzeitsfluge erfolgten einmaligen Befruchtung bis zu vier Jahren lebensfähig. Doch wenden wir uns wieder zurück. Wir sahen bereits oben, daß die einfachsten Tiere so gut wie die niedersten Pflanzen nichts anderes sind als selbständig lebende, einzelne Zellen. Ja auch jedes höhere, noch so kompliziert gebaute Lebewesen besteht am Ausgangs- punkte seines Lebens nur aus einer einzigen Zelle, dem Ei, oder richtiger der befruchteten Eizelle, denn in der Regel ist es nötig, daß sich eine weibliche(Ei) mit einer männlichen Keimzelle(Samen- faden-Spermatozoon) vereinigt, um die Entstehung eines neuen Lebewesens zu ermöglichen. Den Vorgang, in welchem diese Ver- einigung stattfindet, nennt man Befruchtung und das Resultat ist eben die befruchtete Eizelle. Indem sich nunmehr das Ei bielfach hintereinander teilt, ent- stehen zuerst zwei Zellen, dann vier, dann acht, sechzehn, zweiund- dreißig und so fort immer mehr neue Zellen. Im weiteren Ver- laufe der EntWickelung formen sich diese jungen Zellen dann ent- sprechend um, je nach der Aufgabe, welche sie im späteren Leben im Organismus zu erfüllen haben; gleichartige schließen sich zusammen SiU Geweben, die Gewebe vereinigen sich zu Organen und Organ- ystemen, und so entsteht endlich das fertige höhere Lebewesen. Auch dieser Vorgang gilt in gleicher Weise für Tier- und Pflanzenreich. •) veruneinigen. Die Entdeckung und Begründung der modernen Zellenlehre ist noch verhältnismäßig jungen Datums, erst dem Anfange des vorigen Jahrhunderts war sie vorbehalten, und es sind vor allem die Namen Matthias Schleiden , Schwann, v. Mohl und manche andere, die untrennbar mit dieser großen Entdeckung verknüpft sind, welche eine völlige Umwälzung der naturwissenschaftlichen Forschungswcge und einen nie geahnten Aufschwung unserer gesamten Natur- erkenntnis im Gefolge hatte. Bereits im Jahre 1667 war es einem englischen Mikrographcn Robert Hook als erstem gelungen, mit Hülfe eines selbst- gefertigten Mikroflopcs an einem Stückchen Flaschenkork den zelligen Aufbau desselben nachzuweisen und abzubilden, und Hook ist es auch, der wegen der Aehnlichkeit dieser Gebilde mit den Waben der Bienen den Namen„Zell e" in die Wissenschaft einführte. Bereits wenige Jahre später, 1672, veröffentlichte ebenfalls ein englischer Forscher, der Botaniker Nehemias Grew.ein umfangreiches, mit prachtvollen Kupfertafeln ausgestattetes Werk: Anatom!) of Plants. An den zahlreichen mikroskopischen Abbildungen nach Schnitten durch die verschiedensten Pflanzenteile ist bereits deutlich der wabenartige Aufbau derselben zu erkennen. Ja. da- mals erkannte man sogar schon, daß die einzelnen„Bienenwaben" sich in ihrem Bau und Aussehen voneinander unterscheiden und daß gleichartige zu größeren Geweben zusammentreten; ja man beobachtete wohl schon, daß in den wachsenden Pflanzenteilen die Zellen an Größe zunehmen und sich vermehren, aber der wahre Grund all dieser Erscheinungen, der Sitz des Lebens im Pflanzenkörper, blieb deshalb doch völlig in Dunkel gehüllt. Denn was man sah und abbildete, war nur ein unwichtiger, toter Bestand- teil der Zelle, ihre Zellhaut oder Membran. Erst mit der Ent- deckung des lebenden Inhaltes der Zelle, des sogenannten Zell- leibes oder Protoplasmas durch H. v. Mohl und Schleiden , mit der Erkenntnis des übereinstimmenden Aufbaues der gesamten Pflanzenwelt aus gleichartigen kleinsten Bausteinen, und endlich mit Th. Schwanns Nachweis der gleichen Verhältnisse bei den Tieren nimmt die Zellenlehre ihren wahren Anfang und gewinnt allmählich ihre heutige hohe Bedeutung. Die Größe der einzelnen Zellarten schwankt zwischen ziemlich weiten Grenzen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die meisten Zellen sehr klein sind und hart an der Grenze der Sichtbarkeit stehen, so daß man sie gerade noch mit unbewaffnetem Auge oder bei Lupcnvergrößerung als winzige Pünktchen zu erkennen verniag. Daneben gibt es einerseits aber auch so unglaublich winzige Zellen, daß sie überhaupt nur mit unseren allerstärksten Mikroftopen, also bei 2— SOOOfacher Vergrößerung, sichtbar gemacht werden können. Zu diesen kleinsten der Kleinen gehören viele Bakterien, einige Ur- tierchen und die männlichen Samenfäden vieler Tiere. Manche dieser Zellen erreichen kaum die Länge von 1/5000 Millimeter. Um sich eine einigermaßen richtige Vorstellung von diesen unmeßbaren Größenverhältnissen zu bilden, mag die lleberlegung dienen, daß für ein solches Bakterium oder Urtierchen ein Wasscrtropfen ein größeres Gebiet wäre als für den Menschen ein weites Land, und daß viele Milliarden dieser kleinsten Lebewesen in einem Steck- nadelkopf Raum fänden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Zellen von erheblicher Größe, die schon bequem mit bloßem Auge gesehen werden können. Ja, wahrhafte Zellriesen finden wir unter den Eiern der Tiere, und zwar namentlich bei Vögeln und Reptilien. Freilich muß man hier die große Anhäufung von totem Nährmaterial, dem Dotter. in Anrechnung bringen, welcher den Hauptteil des Eies ausmacht. Immerhin erreicht z. B. die eigentliche Eizelle beim Vogel Strauß einen Durchmesser von mehreren Zentimetern. Auch unter den einzelligen Urtierchen findet man Arten von fast einem Zentimeter Durchmesser und eine ausgestorbene Art, die Numuliten, deren Schalen gewaltige Ablagerungen bilden und beispielsweise in Süd- europa einen erheblichen Anteil an der Gebirgsbildung haben, er- reichen sogar eine Größe von mehreren Zentimetern. Betrachten wir jetzt etwas näher den Bau der Zelle. Im lebenden Zustande stellt jede Zelle ein winziges Tröpfchen einer hellgefärbten, trübdurchsichtigcn, zähen Flüssigkeit dar, und wie jeder Flüssigkeitstropfen hat auch der Zelleib oder das Protoplasma im freien unbeeinflußten Zustande das Bestreben, sich auf den kleinst- möglichen Raum zusammenzuziehen, also Kugelgestalt anzunehmen. Das Protoplasma nun ist der wichtigste Bestandteil jeder Zelle, diejenige Substanz, an welche das Leben gebunden erscheint. Wenn wir jedoch die Frage aufwerfen, was dieses Protoplasma eigentlich ist, so müssen wir leider unumwunden zugestehen, daß wir von seiner Natur nur recht wenig wissen. Selbst seine chemische Zusammen- setzung ist bisher noch immer sehr wenig klargestellt; wir wissen nur, daß es sich der Hauptsache nach aus Eiweisstoften aufbaut, die zusammengesetzt sind auS den fünf Elementen: Wasserstoff, Kohlen- stoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Stets ist das Protoplasma reich an Wassergehalt, und in manchen Fällen besteht es zu mehr als 35 Proz. aus reinem Waffer. Durch Entziehung des Wassers wird es hart und zähe und seine Lebensfunktionen treten in ein Stadium der Ruhe und Untätigkeit, ohne jedoch gänzlich zu erlöschen, vielmehr können sie bei Zufuhr neuen Wassers allmählich wieder erwachen. Viele Zellen können sich in einem solchen Zustande der Ruhe eine große Reihe von Jahren am Leben erhalten. So ist es beispielsweise von den Sporen mancher Bakterien bekannt, daß sie selbst nach zehnjähriger Ruhe wieder zum Leben erwachen und eine Krankheit hervorrufen können. Bereits bei schwacher Vergrößerung kann man am Zcllcibe
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23 (20.2.1906) 35
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