„Du meinst, weil ich so abgezehrt sein?" sagte sie er-rötend.„Das hat dademit nix zu tun."Eine Weile schwiegen sie, dann hob sie wieder an:„Duschwatzst als von mir, Fried. Schwätz doch emal von Dir.Also morn soll's fortgehn?"„Ja," versetzte er,„morn früh um vier."„Gelle, Tu machst ins Bayerische?"„Nach Aschaffenburg."„Js dann das über Frankfurt enaus?"„Noch zehn Stund."„Ui, wie weit!"„Mir noch net weit genug," sagte er mit schmerzerfüllterStimme.„Ich Hab mich ja lang degegen gesträubt, ich wolltnet fort, aber ich sehn's ein:'s is de Best so für mich. Ichwerd hier die schweren Gedanken net los. Oftmalig, wannich bei der Arbeit sitz, hör ich's rufen: Fried! Fried! Undmein, Du wärst da. Und renn vor die Tür. In der Werk-statt kann sich das keins net erklären, und sie haben ihren Uzmit mir. Und nachts erst die Träum, die fürchterlichenTräum! Morgens sein ich gerad wie zerschlagen. Guck,Mariann, seit mir's der alt Bickelmeier verzählt hat, wie'sDein Mann Dir macht, sein ich in einer Angst um Dich. Unddaß mich's so hin und her reißt, das halt ich net aus. Ichbin schier krank. Und dessentwegen mutz ich fort. Ich bleibauch net in Aschaffenburg. Ich mach weiter erunter insOesterreichische, durchs Gebirg durch bis ans Meer. Da sollein Spitakel sein, daß man sein eigen Wort net versteht.Das paßt mir so recht. Seit, hoff ich, hör ich Dich net mehrrufen. Und krieg Ruh."Sie sah ihn mit leuchtenden Augen an.„Fried, lieber Fried! Mir geht's akrat wie Dir. Ob'sin der Früh is oder spat, ich Hab kein andern Gedankenwie Dich. Guck, daß ich so ein Behaltskopf Hab, das is meinGlück in meinem Unglück. Von selbigmal her, wo wir zweiklein waren, bis daß wir richtig miteinander gangen sein, ismir nix cntschnappt. Und wann mir's so recht schwul is, tunich mir vorstellen, wie schön das war. Der Matz mag nochso bösartig gegen mich sein, über meine Gedanken hat hekeine Gewalt,'s is ja schlimm, daß alles so kommen is, aberunser Herrgott hat's net anders gewollt. Und mit dempernern*) kann ich net."„Du arm Tier!" sagte der Fried und legte seinen Armum ihren Hals.„Gell," sprach sie treuherzig,„wir wollen uns etz dieStund net vergällen. Ich sein ja so froh, daß ich Dich nochemal bei mir Hab! Js das net kurios? Wie ich diesenAbend beim Säuhirtekarl vorbeigangen sein, saß dem seineMinz*") auf'm Fensterbrett und tat sich putzen. Das bedeutdoch Besuch. Und etz is er da. Fried, lieber Fried! Guck,wanil der alt Bickelmeier aus der Stadt kommen is, Hab ichals auf ihn gelurt. Von dem weiß ich auch, wie tüchtig Duin Deinem Handwerk bist, und daß Du viel Geld verdienst.Dir kann's doch net fehlen. Die Spanner im Dorf, die ihrenSpott mit Dir getrieben haben, lachst Du deletzt aus. Ge-denkt Dir's noch, wie der Lehrer Reitz gemeint hat, Du müßtKaufmann lernen oder Lehrer?"(Schluß folgt.)(vleities feuUlcton.a. Ter Stab im mittelalterlichen Gerichtswesen. Das mittel-alterliche Gerichtswesen war an eine Menge heute überwundenerund vergessener Formalitäten gebunden. Gerichtsort, Zeit, Art derHegung. alles dies geschah nach uralten, meist noch von den Heid-nischen Germanen überkommenen Gebräuchen. Eine nicht geringeRolle spielte bei diesen Vorgängen der Gerichtsstab. Dieser erscheintdabei als Vertreter der höchsten Rechtsgewalt, und zwar alspolitisches Rechtssymbol, als Hoheitszeichen, neben welchem dasSchwert nur als spezielle Vertretung des Blutbannes austritt.Ohne den Stab durfte kein Gericht gehalten werden. Zu Beginneiner jeden richterlichen Handlung, zur Hegung des Gerichts hebtder Richter seinen Stab. Nach alter Rcchtssitte durfte der Stabvon dem Richter vor dem Schluß des Gerichts niemals niedergelegtwerden, sollte die Rechtskraft der Tagung nicht gefährdet werden.Selbst der Dorfrichter mußte den Stab wenigstens bis nach voll-zogencr Hegung in die Höhe halten. Wohl aber war das Auf-hängen des Stabes während der Sitzung gestattet, weshalb der Staboft mit einer Krümmung oder Gabelung versehen war, nach Art deralten Bischofs- und Hirtenstäbe.Mit dem Stab gebot der Richter den Bann und den Frieden,*) zanken.—) Katze.und nunmehr war innerhalb des Gerichtsringes tiefstes Still-schweigen bei hoher Strafe Pflicht. Wurde doch sogar jedes Räuspern.Gähnen, Husten und jedes Abwehren von Fliegen und Insekten alsUngebühr vor Gericht gebüßt.Der Stab war jedenfalls ein uraltes Rechts- und Machtsymbolder germanischen Völker. Vermutlich trugen schon die heidnischenPriester Stäbe zum Zeichen ihrer Gewalt, ebenso wie die alt-germanischen Könige, die Hirten und die Volksältesten. Von hieraus wurde der Stab in das spätere deutsche Gerichtswesen mit hin-übergenommen. Denn schon in einem Chilperischen Edikte wurdegeboten, kein Gelöbnis und kein rechtliche? Versprechen ohne«tababzugeben. Daher sprach das Mittelalter auch von„gestabten Eiden",und Ucbergabe oder Uebersendung eines Stabes galt als eidlichesVersprechen. Als im Jahre 1(X)7 der Bischof von Würzburg das demKönig Heinrich II. gegebene Versprechen, in die Errichtung desBistums Bamberg zu willigen, nicht halten wollte, überführte ihnder König des Wortbruchs durch Vorlegung des bei der Abgabe desVersprechens erhaltenen Stabes. In dem gleichen Sinne heißt esin dem alten Luzerner Stadtrechte, Art. 98:„Wir setzen voraus,daß wenn ein Schuldner von seinem Gläubiger außerhalb desGerichts um seine Schuld angesprochen wird um Bezahlungzu einem bestimmten Ziel, und er oder sie versprecheneine solche an den Stab, oder aber im Gerichte giebt einer oder eineein Versprechen an den Stab, wolle einer oder eine ein solchesnicht halten, der soll gehalten und gestraft werden,„als ob sy irtruw an cid? statt geben und die gebrochen hätten" und soll mansie in den Turm werfen unt solange liegen lassen" usw.Als Vertreter der zivilen Rechtsgewalt fehlt daher der Stabin den alten Wcistümern und bei den wichtigen Vorgängen desHofrechtes nicht.„Th weil der Richter mit gewaltigem stab an derschrann sitzt" beginnt ein oberösterreichisches Weistum. Und imWeistum von Hengsweiler Iö84 heißt es,„wenn auch ein Unter-meier oder Schöff mit Todte abging, so soll der Dinghosherr einenanderen aus den gemeinen Hubern an des Verstorbenen statt wählen.Derjenige, der erwählt wird, der soll dem Stab gehorsam sein."Einem jeden gegen das Gesetz Wiederspcnstigen schickt derRichter wohl auch das„Stäbl", um ihn an den Gehorsam zu mahnen,ehe er gegen ihn einschreitet. Im damaligen Zivilprozesse hatteder Stab als Kerbholz dieselbe Beweiskraft, wie nur je heutzutagedie bestgeführtcstcn Geschäftsbücher.Neben dem Schwert, dem Strick, dem Beil und Schlägel erscheintder Stab auch regelmäßig im Kriminalprozeß. Mit dem Stabewurde voni Richter auch das Blutgcricht gehegt. Der Träger desStabes erscheint al? Blutrichtcr. So wurde 1732 der Bürgermeistervon Emmendingen durch Uebcrgabe des Gericytsstabcs durch denLandschreiber zum außerordentlichen Blutrichtcr ernannt.Und hier beim Abschluß des Blutgerichtes erhält der Stab einefurchtbare Bedeutung für den unglücklichen Missetäter und wirdzum erschütternden Rechtssymbol. Durch den Bruch des Stabeswird der zum Tode Verurteilte endgültig aus den Reihen derLebenden gestrichen. Er hat mit dem Gerichtsstab fortan nichtsmehr zu tun, für ihn hat dieser jede Bedeutung verloren, ist nichtmehr vorhanden. So lange der Stab nicht über dem Verurteiltengebrochen, konnte dieser noch auf Gnade rechnen. Brach aber derStab, und wurden die Stücke dem„armen Menschen" vor die Füßegeworfen, dann wurden die grausamen Worte ivahr, die der mittel-alterlichc Richter dabei zu dem Unglücklichen sprach:„so gewiß alsdieser Stab gebrochen, so gewiß wirst Du heute des Todes sterben,hier bei uns Menschen ist keine Gnade, bei Gott ist Gnade".Ausnahmsweise erfolgte der Stabbruch wohl erst nach erfolgterHinrichtung. So in der Tavoscr Blutgerichtsordnung von 1652.Hier zieht der Richter nach gesprochenem Urteile mit dem Stab inder Hand voran zum Hochgericht. Nach dem Urteilsvollzug fragt derRichter den Umstand:„Hab ich am heutigen Tage gerichtet nachkaiserlichen Rechten und nach unserem Lande wohlangestelltcn Ge-bräuchen?", und nach erhaltener Antwort„ob es nun Feyerabend?"Erst hierauf bricht er den Stab, wohl zum Zeichen, daß derselbenunmehr keinen Zweck mehr habe, und zieht mit dem Umständeheim.—Kunst.e. s. Der Kunstsalon Gurlitt bietet einer neuen„Verbindung bildender Künstlerinnen" Unterkunft.Es gehören ihr Berliner und Münchener Künstlerinnen an. DieseVereinigung der Kräfte ist von Vorteil, es wird dadurch der Ein-seitigkeit vorgebeugt. Es ist auch gut, daß die Künstlerinnendanach streben, sich selbst zu vertreten, selbst ihr Recht zu wahren.Sie gelten sonst immer als Anhängsel und nur der Zufall oderBegünstigung verschafft ihnen jeweils Zutritt zu den große» Aus-stellungen. Das führt dazu, daß diejenigen, die nach Aufnahmestreben, sich befleißigen, die Sprache derer zu reden, dcrc» Gastfreundschaft sie beanspruchen, d. h. so zu reden, wie man es inder betreffenden Vereinigung gern sieht. Wenn aber schon derKünstlerbund z. B. nur zirka einem Drittel seiner MitgliederAusstellungsgelegenheit geben kann, so ist es erklärlich, wennFrauen nur in den seltensten Fällen dort zur Ausstellung kommen.Im allgemeinen macht man hier folgende Beobachtungen. Esist kein schlechtes Bild da. Das unterscheidet die Ausstellungwesentlich von den sonstigen Frauenveranstaltungeii. Es wirddazu beitragen, der Frauenarbeit Achtung entgegenzubringen undjenes mitleidige Wohlwollen, das die meisten noch der künstlerischenArbeit wie der Betätigung der Frau überhaupt entgegenbringen«