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dort den Rahmen, der einen Umweg macht, damit jenes Hünd- gearbeitet tverde, so lange meinen sie es nicht ehrlich mit ihrem chen ruhig trinken kann, und dort die kleinen Mädchen, die ihre noch fleineren Brüderchen schleppen. Ach Cäcilie, mein Lieb, wolltest Du, so wärest auch Du die Wahrheit!"

Er neigte sich zu ihr, schon wieder besänftigt, reuig, er bötig, sie für das Unrecht, das er gar nicht hatte, um Verzeihung zu bitten, zu allem bereit für einen zärtlich bewegten Blid, für ein liebevolles Wort.

Doch sie blieb ganz unbewegt. Traurig den Kopf schüttelnd, sagte fie:

Ich verstehe Dich nicht, Elias, nein wirklich, ich verstehe Dich nicht. Aber das kommt vielleicht noch. Der Herr wird ams helfen, daß wir einander verstehen lernen, er, der in unseren Herzen liest."

Sie schwiegen.

Die Heiterkeit des abendlichen Bildes war erloschen. Die Fußpfade hatten sich geleert; die Kinder waren verschwunden. Auch das Kräuterfeuer war erloschen, und in der heißen Asche buf der kleine Eseltreiber Gerstenfladen mit Honig.

Elias wandte sich den Zelten zu.

Man hatte die Wandvorhänge bereits heruntergelassen und festgeknöpft. Nur die Portieren blieben noch wie Segel an den Stangen aufgespannt. In jedem Leinwandfämmerchen schwankte ein an der Beltstange aufgehängtes Lämpchen, bei deren Schein er sah, wie sich in dem einen vom türkischroten Hintergrunde ein kleiner, mit Zinnbestecken gedeckter Tisch, in dem anderen zwei kleine, dicht aneinander gerüdte, mit Mousselinvorhängen überzogene Betten abhoben. n

Bei diesen reizenden, eine Vision köstlicher, naher timität hervorzaubernden Anblick durchschauerte es Elias. Er rückte seinen Stuhl neben den seiner Frau und flüsterte, den Kopf an ihre Schulter lehnend:

Lieb, mein Lieb, wirst Du mich immer so lieben, wie ich Dich?"

Und da sie nicht antwortete, ergriff er ihre kleine, schlaff herabhängende Hand, und bedeckte sie mit heißen Küssen. Am nächsten Tage besuchten sie die Stadt. In den Straßen begegnete ihnen eine Reisegesellschaft lutherischer Bastoren und englischer Missionare. Cäcilie schien darüber erregt zu sein, und zwar nicht sonderlich froh.

Als sie in die katholische Kirche   eintraten die Prote­stanten bejizen feine in Nazareth befreuzigte Elias fich aus alter Gewohnheit mit Weihwasser und beugte die Knie. Vor Unmut tief errötend, stieß Cäcilie ihn mit einem Blick auf die reformierten Touristen:

"

Aber Elias, ich bitte Dich, nimm Dich zusammen; man beobachtet uns."

Darauf trat sie zum Altar vor und aufrecht stehend, wie ihre Glaubensgenoffinnen, das Haupt nur leicht geneigt, sprach sie ein stilles Gebet, während Elias betrübt bei sich dachte:

,, Nun bittet sie den lieben Gott, ihrem armen Manne seine Abgötterei zu vergeben."

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Vom alten Roßmäßler.

Zum 100. Geburtstag am 3. März.

( Schluß.) Roßmäßler steht in der ersten Reihe der Entwidler der wissen­fchaftlichen Bollsrede. Er wußte: es fehlte an Lehrern, es fehlte an Lehrmitteln. Wie er sich in Tharandt   die naturwissenschaftlichen Lehr­bücher und Leitfäden selber schaffen mußte, so schuf er sich jetzt mit eigener Hand praktisches erläuterndes zeichnerisches Material, und über das, was volkstümlich reden heiße, ließ er sich mit einem Sin weise auf Laffalles Wort aus: daß wahre Wissenschaftlichkeit in einer Klarheit des Dentens bestehe, die jedem das verständnisvolle Folgen ermögliche. Allen Schäden der verwahrloften Bollserziehung ging er zu Leibe, er fämpfte gegen den Wolfsbücherschund, der den großen Kindern moralische Struwelpeters vorhalte, sagte von den Leihbibliotheken, sie seien oft nichts weiter als geistige Schnaps­läden, wo arme Köpfe fich für einen Dreier literarischen Fusel holen", und schuf zu seinen volkstümlichen naturwissenschaftlichen Büchern mun selber Boltsbücherreihen und Zeitschriften, wie er fie haben wollte. In seinem Blatte Aus der Heimat" gab es leine Bugeständnisse an die Geschmadsverderbtheit der& serwelt.

Volfe. Man wird vielmehr annehmen dürfen, daß es ihnen ganz recht sei, daß jene Schichten nicht zur flaren, bewußten und darum Abhülfe fordernden Erkenntnis ihrer gedrückten Lage kommen. So der Boltsschule ist die Aufgabe der Humanitätsbestrebungen, fie fommen wir auf folgerichtigem Wege zu dem Eaße: Die Hebung ist die breite humane Unterlage, welche begründet werden muß."- " Solange die für Unterrichtszwecke und-Anstalten ausgesetzten Geld­summen, selbst in den sogenannten Musterstaaten der Intelligenz nur wie ein fleiner Bruchteil neben denen für die Hülfsmittel des Krieges, für das Soldatentum, stehen, so lange fann von einer Ers reichung des höchsten in der Boltsschule nicht die Rede sein; und zwar solange die Schule unter der Gewalt der Kirche steht, solange irgendwo in Friedenszeiten auf hundert Soldaten mehr Unter- und Oberoffiziere tommen als Lehrer auf eine gleiche Anzahl von Schülern.  -Solange sich nicht ein wahrer Ingrimm über die Hintansehung des Volfsunterrichts gegen irgend ein anderes Staats­intereffe, möge es heißen, wie es wolle, der Bäter und Mütter be­mächtigt glaube ich nicht an eine ernste Aussicht auf die Verwirt lichung solcher Hoffnungen. Ein Bolt, welches nicht Mann für Mann den Schiverpunkt seiner Größe in den Volfsunterricht legt, hat kaum ein Recht, über Regierungsbevormundung zu klagen." Gebante der Zeit". Denn ohne Voltsbildung galt ihm kein poli Die Hebung der Volksschule war für Roßmäßler der treibende tischer Fortschritt für möglich. Die Hebung der Volksschule sei das feste Ziel, das dem Wolfe vorgehalten werden müsse, wenn man es allmählich sich in eine geschlossene Partei verwandeln sehen wolle. So fagte er 1864, damals also, als in der Arbeiterschaft bereits die Bewegung eingesetzt hatte, sich von der Fortschrittspartet abzuta lösen und politische Selbständigkeit zu gewinnen. Daß er von der Fortschrittspartei in der Bildungsfrage keine Hülfe zu erwarten habe, wußte Roßmäßler. Aber er blieb trotz der erlittenen Ent­täuschungen bei der alten Fahne, weil er in Absplitterung und Uneinigkeit, zumal in jenen Jahren des preußischen Militärkonfliktes, teine Kräftigung der volksparteilichen Sache sehen mochte. Einmal beshalb befehdete er auch die Lassallesche Bewegung, der er sich nicht anschloß.

Diese Bewegung brach ja geradezu in seinem eigenen Lager los. Er saß seit Jahren im Rate der Leipziger deutsch- katholischen Ge­meinde, die in der Reaktionszeit natürlich ein Sammelpunkt der Aus­harrenden wurde, und er gehörte bann auch zu den Gründern des ersten Arbeitervereins, der endlich mit dem Beginn der neuen Aera wieder möglich wurde. Julius Vahlteich   hat geschrieben, die aufopfernde, pflichttreue Tätigkeit Roßmäßlers fönne nicht rühmend genug hervorgehoben werden: Wenn sich in Leipzig   eine Anzahl Arbeiter zusammenfinden konnten, die mit einer für die damalige Beit bemerkenswerten Klarheit die Situation erfaßten, so ist das ficher indirekt das Verdienst Roßmäßlers. Er hatte dem Sturm der Reaktion, stolz, aufrechtstehend, Troß geboten und durch seine populär- wissenschaftlichen Vorträge sowohl, als auch insbesondere durch sein aufopferndes Wirken in der deutsch  - katholischen Gemeinde das Denken und Vorwärtsstreben wenigstens bei einem fleinen Teile der Bevölkerung wach erhalten."

Arbeitern stand, bedingte, daß auch er zu den zehn Personen jenes Das enge Verhältnis, in dem Roßmäßler zu den Leipziger Zentralfomitees gehörte, das den damals geplanten deutschen Arbeiterkongreß vorbereiten sollte. Roßmäßler hat in jener be deutsamen Zeit Ende 1862- Worte gesprochen und geschrieben, die golden waren. Er mahnte: Die Arbeiterbewegung muß in eurer eigenen Hand bleiben, wovon nur in einzelnen Fällen der unbedingte Mangel einer Persönlichkeit aus euver Mitte eine Aus­nahme machen darf. Selber ist der Mann!" Um die reaktionäre Vereinsgefebgebung zu umgehen, riet Roßmäßler, den Schwerpunkt der Betvegung nicht in die Arbeitervereine, sondern in die Arbeiter­bersammlungen zu legen. Also dorthin, wo die Arbeitermassen entschieden. Roßmäßlers Schrift Ein Wort an die deutschen Ar­beiter" wurde vom Leipziger   Zentralfomitee neben Lassalles Offenem Antwortschreiben" vertrieben. Weil aber darin stand, daß die unter dem Einflusse der Orthodoxie stehende Bolfsschule zum Teil dasjenige Wissen den Arbeitern vorenthalte, das diesen am not­wendigsten sei, mußte Roßmäßler wiederum auf drei Wochen ins Gefängnis wandern. Im Herbst 1863 faß er die Strafe ab.

Im Frühjahr aber hatte Lassalle  , dem er sich mißtrauisch und univillig entgegengestellt hatte, die Gründung des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins   in Leipzig   durchgefekt. Roßmäßler hatte mit feinem Finger gegen diese Gründung gewirft; er glaubte, die Lassallesche Krisis in der Arbeiterbewegung Leipzigs   werde nicht von langer Tauer sein und werde gesund überstanden werden". Ihn empörte das Losveißen von der Fortschrittspartei, die Gering­schäßung der wirtschaftlichen Selbsthilfe und der Bildungs­bestrebungen der Arbeiter. Die eigentliche Bedeutung des Lassalle­schen Handelns sah er nicht, und darin stand er ja durchaus nicht allein: selbst namhafte Führer aus der Arbeiterschaft drangen nicht sofort in den Stern. Roßmäßler sah immer mur mit dem Titel eines bielgelesenen Buches von ihm sei es gesagt den Menschen Heftige Worte hat Roßmäßler über das Elend und die Ver- im Spiegel der Natur". Der Begriff Naturgesch vertiefte sich ihm elender der Voltserziehung geschrieben. Sie verdienen, nicht ver- nicht nach der Seite der ökonomischen Gefeße hin, ohne die man die geffen zu werden. Man höre:" Solange von seiten der Staatslenter Vorgänge und das Bild der menschlichen Gesellschaft nicht verstehen nicht mit Eifer und Entschiedenheit dafür gesorgt wird, daß der tat- kann. Die bürgerlichen Manchestermänner von damals waren ber lofen und verzichtleistenden geistigen Trägheit der unteren Bolts- Ansicht, auch die ökonomischen Erscheinungen seien durch Natur­fchichten durch Hebung ihres Wissens und ihrer Bildung entgegengesetz geregelt, z. B. das Gesetz des Arbeitslohnes, und Roßmäßler

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