Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 53.

Freitag, den 16. März.

1906

Die Eroberung von Jerufalem. Zinken aber, nach Often hin, stieg wie aus unzählbaren Weih­

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( Nachdrud verboten.) Stolz über ihre üppigen Gärten geschwellt. Weiterhin ver­sanken Gaza   und Askalon   zwischen Sand und Meer. Zur rauchfässern von Moabs rosigen, luftigen Höhen leichter, feiner Duft zum Himmel empor.

Noman von Myriam Harry  . Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Alfred peuter

Von diesem Dußen und der Verknüpfung des Namens Cäcilie mit solchen Trivialitäten angewidert, schwieg Elias. Er betrachtete die stümperhaft gemalten frommen Sprüche, Gesangbuchstrophen oder Bibelverse an der Wand, in denen die Menschen den Herrn auch mit Du" anredeten, obgleich sie seinen Namen mit Goldlettern schrieben.

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Herr Fischer, dem es nun wohl etwas verschwommen ein­fiel, daß er diesem Götzendiener" gegenüber seine Würde als Prediger zur Geltung bringen müßte, pfropfte die Flaschen wieder zu, schob die Honiggläser zurück, fegte die Fliegen mit der Hand fort und sagte dann in salbungsvollem, belehrendem Tone:

,, Nein, Kinder, der Mensch ist nicht zur Einsamkeit ge­schaffen. Die Ehe ist uns von Gott   dem Herrn anbefohlen. Wachset und mehret Euch", heißt es in der Bibel, und darum wird ein Mensch Vater und Mutter lassen und an seinem Weibe hangen, und werden die Zwei ein Fleisch sein." Nur muß man sich, wohlverstanden, in Christo lieben, darauf kommt es an."

Mit dem Arm hinter sich greifend, nahm er das dort liegende Neue Testament und las das Kapitel des Tages vor, während die Pastorin, deren Rinn auf dem umfangreichen Busen wie auf einer Platte ruhte, leise schnarchte.

Elias Blicke wanderten vom Kopfe des Gekreuzigten, dem man die Schutzdecke übergehängt hatte, zum Ripssofa; vom breiten, triefenden Munde Fischers zur aufgeknöpften Taille Amalies, deren Serviette sich im Schlafe verschoben hatte, und er dachte bei sich:

Wie in aller Welt stellen jene es bloß an, sich in Christo zu lieben?

Trotz der Hitze wäre Elias am liebsten sofort wieder auf gebrochen, aber Cäcilie bat ihn, doch bis zum Abend zu bleiben. Man mußte doch die Kapelle des Pastors gebührend be­wundern, seine Bienenstöcke und Weingärten besuchen, die außerhalb der Stadt an einem Abhang im alten Felde des Booz lagen. Hier sah man auch die Stelle der Tenne, wo Ruth, die Moabitin, auf den Rat Noëmis, ihrer Schwieger­mutter, sich nachts zu Füßen des bethlehemitischen Besizers niedergelegt hatte.

Die unter Herrn Fischers Obhut stehenden Waisenkinder gruben den Boden um, richteten die Weinstöcke empor und lichteten die Delbäume. Sie trugen europäische Kleider aus Sadkleinwand; bei dem kurzgeschorenen Haar traten die Ohren unförmig groß hervor, und ihre aus den furzen Hosen wie Stelzen herausragenden dünnen Beine schleppten nur müh­fam die großen, benagelten Schuhe. Einige hatten sich die Abwesenheit ihres Herrn zunuze gemacht und die Marter­instrumente ausgezogen; ihre Füße sahen in dem weichen, fetten Boden schmutzig, rot und angeschwollen aus. All ihre angeborene Grazie war verschwunden, sie glichen ganz und gar häßlichen, heftischen europäischen Strolchen.

,, Warum lassen Sie diesen armen Teufeln nicht ihr Nationalfostüm?"

Verwundert blickte Herr Fischer ihn an. Warum? Aber

Sie möchten doch nicht etwa, daß ich sie in den Lumpen hätte stecken lassen sollen!" Warum nicht? Oder geben Sie ihnen neuen Stoff, aber lassen Sie ihnen dabei die malerische Kleidung." Woran sollte man denn aber erkennen, daß sie Christen find?"

Das stimmt; daran habe ich gar nicht gedacht." Aber Elias konnte sich des Gedankens nicht erwehren: ,, Das ist nun ihre einzige Befehrung, die zum Häßlichen. Zum Glück streifen sie dieselben nach ihrem Fortgange ebenso rasch wie ihren Glauben ab."

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Er streifte durch die Felder.

Zur Rechten wölbte Ephrata, die Fruchtbare, ihre grünen Brüste, und Hebron  , die Bielgeliebte, reckte sich impor wie von

Elias entsann sich der Geschichte des Booz, des bethlehe mitischen wohlhabenden Besizers, und stellte ihn fich als ge­wöhnlichen und behäbigen, satten und mit seinem Hab und Gut propenden proßenden Spießbürger vor. Da widerte Noëmi ihn mit ihrer fupplerischen Gewandtheit an und er malte sich Ruth, die Moabitin, die Gazelle, die sich nach Frei­heit sehnte und nach dem leichten, luftigen Zelt, die alle Abende zur Stadtmauer ging, um hinüberzuschauen nach den Bergen ihres Vaterlandes, wie diese ihre Düfte dem Himmel zum Opfer darbrachten.

Und Heimweh ergriff ihn nach Moab   und seinem Nomadenleben. 4.

Einige Tage später erhielten sie von Schwester Charlotte, der Oberin des Diakonissenhauses, eine Einladung zum Staffee" ins Hospital.

Elias freute sich darauf, sein Krankenzimmerchen und die Passionsblumenlaube wieder zu sehen, in der ihm ein so felt­sames, ideales Glück erblüht war.

Doch schon beim Eintritt wurde er enttäuscht.

Das Hospital war festlich geschmückt; man feierte sehr vergnügt und sehr fromm irgend einen Jahrestag. Gir­landen aus fünstlichem Moos, mit Papierblumen befteckt und mit Goldrosetten an den Pfeilern befestigt, zogen sich als Festons durch den Innenhof, und in dem zum Eramensaal unigewandelten großen Schlafraum des Erdgeschosses- dieser Jahreszeit gab es wenig Kranke jagten kleine Arabermädchen lispelnd ihre einstudierten Fabeln auf, mach­ten ihre Knire und zeigten sich als gezierte, altfluge Kätzchen in vollem Glanz.

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Man las darauf noch einige statistische Mitteilungen vor, sang ein paar Lieder, hörte mehrere Vorträge, und dann stieg die ganze Gesellschaft zum ersten Stockwerk empor, wo unter den von der Sonne durchglühten Veranden die Kaffeetische aufgestellt waren. Die Ehrentafel befand sich ohne Zweifel eine besondere Aufmerksamkeit für Elias- seinem für heute zum Büfett umgewandelten ehemaligen Krankenstübchen gegenüber. Unaufhörlich kamen und gingen dort die kleinen befehrten Seelen und schleppten lärmend und ungeschickt volle Suchenplatten, dampfende Kaffeekannen und Schalen mit Schlagsahne, die unterwegs zusammenſank. Schlagsahne in Palästina!"

Und die Gäste gerieten in Verzückung.

Jawohl, von Biegenmilch; feit heute früh habe ich sie geschlagen, aber sie will sich nicht halten; mir sind die Arme wie abgestorben," klagte Schwester Charlotte, auf deren vio­letter, etwas hängender unterlippe eine rote Warze saß.

,, Aber sie ist ja ganz ausgezeichnet und erinnert mich an die Synodentage bei meinem Vater," versicherte Cäcilie. ,, und hier ein Napffuchen, kennst Du so etwas, Elias? Das ist eine Spezialität meines Vaterlandes. Wie vorzüglich mundet der nach all den verzuckerten Leckereien im Libanon.

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Schwarzbrot im Veterlande schmeckt besser als Suchen in der Fremde, sagt ein arabisches Sprichwort," warf Herr Simon, ein Bankier aus der Schweiz  , ein.

Er trug eine goldene Brille, wie ein Gelehrter, und an seiner Uhrkette hing als Anhängsel ein Jehova- Auge". Elias fand den Kuchen fade und die Ziegenmilch scheußlich.

Am meisten aber hatten ihn Cäciliens Worte verlegt. Dieses Zeug also zog sie den im trauten Beisammensein geknabberten Süßigkeiten des Libanon   vor. Vielleicht gefiel ihr auch diese mittelmäßige Gesellschaft beffer als ihre wonnige Einsamkeit unter den Zedern. Sie also hatte bereits alles vergessen, während in ihm die Erinnerung unauslöschlich fortlebte.

,, Hoffentlich erweisen Sie mir die Ehre, meine Samm lung zu besichtigen, Herr Jamain. Soeben habe ich mit großen Kosten ein neues Stück von höchstem Interesse er= worben. Es ist eine der Gesetzestafeln, die ein Beduine auf dem Gipfel des Nebo gefunden hat. Ich selbst habe bereits