Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 56.
Mittwoch, den 21. März.
( Nachdruck verboten.)
1906
in wilden Haschischträumen auf einer Matte lag. Außer dieser Leidenschaft interessierte ihn nichts. Niemals beteiligte er sich an der Unterhaltung, und raffte er sich doch jemals auf, so
Die Eroberung von Jerufalem. geſchab es nur, um mit verträumter Stimme den ſalomont
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In dieser geistigen Vereinsamung war Elias froh, bei seinen Exkursionen öfters dem Edelmanne im schwarzen Mantel zu begegnen, den er am Tage nach seiner Anfunft in Jerusalem auf dem Minaret getroffen hatte, und den Herr Fischer einen armen Narren nannte.
Er hieß Bohemund, Graf Jblin de Courtenay, Edler Herr von Asfalon, Joppe und Arzur, Malteserritter und Freiherr vom Heiligen Grabe ". Er stammte aus einer der ältesten abendländischen Adelsfamilien, die mit Gottfried von Bouillon nach Palästina gekommen war, deren männliche Sprossen später im Heiligen Lande" mit kühner Stirn gekämpft hatten, während ihre Frauen derweil in Frankreich für sie beteten.
Mehrere seiner Vorfahren waren Tempelherren gewesen, einer König von Cypern; ein anderer, Herzog von Tiberias und Palmyra , hatte eine Prinzessin vom Libanon geheiratet. Und diese Melisanda, die Schloßherrin von Zion und Seneschalin von Bethlehem, war so rein und keusch gewesen, daß bei ihrem bloßen Anblick die Ungläubigen sich zum Christentum befehrten und die Berührung ihrer Hand Aussäßige heilte."
Auch nach dem Falle der Amaury, der Einnahme von Affon und der Vertreibung der Tempelherren behielten die Iblin de Courtenay ihren Titel als„ Edle Herren von Balästina" bei. Zum Zeichen der Trauer jedoch vertauschten fie ihren weißen Mantel mit einem schwarzen, und in ihrem Schilde wurde das blutigrote, wie ein Schwert emporragende Kreuz zu einem friedlichen, weißen Stern.
Aus dem Heiligen Lande" bertrieben, halfen sie nach und nach bei der Begründung der Orden von Cypern, von Rhodus und schließlich von Malta und wurden darauf zu seefahrenden Rittern, die mit ihren, das Kreuz in der Flagge führenden Schiffen auf die Korsaren Jagd machten.
Dann folgten Jahrhunderte ohne Großtaten und ohne Abenteuer.
In Bohemund waren nun alle heroischen und mystischen Tugenden nochmals aufgeblüht; unter Louis Philipp zur Welt gekommen, machte er den Eindruck eines echten Ritters aus dem Mittelalter.
Noch in jugendlichem Alter hatte ihn unglückliche Liebe zu einer Dame zum Asketen gemacht. Er zog ein härenes Büßerhemde unter seinen Panzer, gürtete einen Degen darüber, verfaufte seine Güter, legte goldene Sporen an, erstand in Mar seille einen Korkhelm und schiffte sich nach Palästina ein.
Als er in Jaffa dessen Wappen, den Walfisch des Jonas, er in seinem Schilde führte, an Land stieg, war er höchlichst erstaunt, daß der Pascha nicht eilends herbeifam, um ihm die Stadtschlüssel zu überreichen. In voller Mittags glut wartete er eine geschlagene Stunde im Sande, so daß er beinahe einen Hitschlag bekommen hätte, bis er sich endlich entschloß, nach Zion weiterzuziehen. In Jerusalem angelangt, durchforschte er die ganze Umgegend und entdeckte dabei an der Straße nach Bethlehem die Ruinen eines bon Tanfred erbauten Kastells, auf denen sich später dann die Burg der Herren von blin und von Courtenay erhob. Dort ließ er ein befestigtes Schloß aufführen und hing nun inmitten seiner Rüstungen, Adelskalendern und Trophäen seinen Lieblingsträumen von einem für den fränkischen Adel wieder eroberten Zion nach. Oder er schwang sich auf seinen Renner und sauste um die Stadt auf der Suche nach einem Pilger von ebenso reiner Rasse und ebenso reiner Gesinnung, um ihn in seine Ritterschaft aufzunehmen.
Aber es gab wenig Leute, welche die harmlose Schrulle dieses neuen Don Quixote nicht abgeschreckt hätte, und die Tanfredia blieb leer von Adepten, mit Ausnahme eines Doftor d'Amenjeu, einer Art von durchtriebenem, skeptischem Sancho Banja, der, aus Mangel an Patienten, ganze Zage
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schen Spruch zu wiederholen: Eitelkeit der Eitelkeiten! Und alles ist Eitelkeit außer dem Rauchen!" Diese letzten drei Worte waren eigener Zusat. Aber für den Grafen von Jblin hätte er sogar seine Pfeife hingegeben.
Der Ritter und der Doktor waren die einzigen Menschen aus der lateinischen Welt, mit denen Elias in Verkehr stand; denn Bohemund war zunächst Christ, dann erst Katholik und über schismatische Streitigkeiten und religiöse Zänkereien ebenso erhaben, wie sein Staſtell über der von Pilgern aller Glaubens und Irrglaubensgenossenschaften breitgetretenen Landstraße. Für ihn war die Welt in zwei scharf abgegrenzte Bonen geteilt; auf einer Seite die Idealisten, auf der anderen Seite die Positivisten. Und wenn ihm der Protestantismus so überaus unsympathisch war, lag es besonders daran, daß er ihn für die eigentliche Lehre des kühlen Verstandes und Fortschrittes hielt. Und vor diesem empfand er einen solchen Widerwillen, daß er jeden Abend beim Abbeten seines Rosenfranzes flehte:" Oh, heilige Jungfrau, erlöse uns von der Zivilisation."
Bald entwickelte sich, trob des großen Altersunterschiedes eine innige Freundschaft zwischen Elias und dem Ritter, die sich durch die Verwandtschaft ihrer gläubigen Herzen und ihrer Vorliebe für die Großtaten der Vergangenheit zueinander hingezogen fühlten. Denn abgesehen von seiner Eroberungsschrulle war Graf Bohemund ein Mann von hervorragendem Wiffen und künstlichem Geschmack, und keiner empfand wohl so wie er die schwermütige Poesie dieses von Fluch und Sonne verzehrten Orients.
Oft durchstreiften der Gelehrte und der Edelmann, der eine im schwarzen, der andere im weißen Mantel, die Ebenen des ausgedörrten, grell beleuchteten, fahlen Judäa . Dte Füße brannten in den Steigbügeln und die Sorkhüte gewährten nur schwachen Schuß, wenn sie schweigend diese Neiche phantastisch geformter Felsen durchzogen, auf denen ungeheure, felsgraue Disteln wuchsen, unter denen gleichfarbige Eidechsen schlummerten.
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Glizernd rollten Felsblöcke zu Tal, dürres Holz krachte, und fern am Horizont glitt ein Bug fahler Kuppen waren es Kamele, waren es Hügel? dahin. Von Zeit zu Zeit schnob sein Roß und unterbrach so das dumpfe, taktmäßige Klatschen der rechts und links die Flanken peitschenden Schwänze.
Das war alles, aber es war entzückend:
Manchmal machten sie vor einer schwarzen Höhle Halt. Auf jeden Baum rollten sie einen schweren Stein, zündeten dann mittels einer Lupe am Sonnenlicht eine Sterze an und durchforschten tastend beim schwachen Lichtschein des Dochtes die Grotte, deren Boden glühte und an deren Decke über ihren gebückten Köpfen die aufgescheuchten Fledermäuse wild umherflatterten.
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Hier und da leuchteten zwei phosphoreszierende Lichtpunkte die Augen eines Schakals oder einer Hyäne der Dunkelheit auf, oder ein dreieckiger Kopf pfauchte plötzlich aus einem unsichtbaren Versteck hervor. Oft auch stolperten ihre Füße über Knochengerippe; dann berauschten ihre abenteuerlustigen, naiven Herzen sich an dem köstlichen, gruseligen Rizel der Furcht vor eingebildeten Gefahren.
Eines Tages waren sie bis zum Garten Salomos vorge drungen, einem frischen, anmutigen Orte, der mit Obst. bäumen bepflanzt und von Bewässerungskanälen durchzogen war.
Unter einem blühenden Zitronenbaume verzehrten sie ihr aus Feigen und Brotkuchen bestehendes Frühstück. Einige Schritte von ihnen wuschen an einem Bache Arabermädchen lachend und singend ihre Wäsche.
Ein junges Mädchen von gesunder, gebräunter Gesichtsfarbe, mit großen blizenden Augen, bot ihnen Wasser aus der Amphore an, die sie auf der Schulter trug. Ihre weiten, auf dem Rücken zusammengebundenen Schligärmel ließen ein paar fräftige, mit Silberringen geschmückte Arme sehen; und aus dem Halsausschnitte quoll ein elastischer, fester Busen hervor.