um in den Verstorbenen wieder Liebesqualen anzufachen. So hatte er endlich diese schwarze Venus, die höllische Schwester der Tarnt, die Tochter der syrischen Göttin wieder ans Tages- licht gebracht, sie, die von sich selbst empfangen und erzeugt. die zugleich Mann und Weib, sanft und grausam, Mutter und Jungfrau, keusch und unzüchtig war. Er sah sie hochaufragend in der Wüste, allein und blut- triefend und lächelnd. Und vom rhythmischen Tonfall der Worte trunken wieder- holte er, als ob er die Perlen eines Rosenkranzes durch die Finger gleiten ließe: „Astaroth, Astarte, Aschera, Jstar!" Und von neuem beugte er sich über den Tisch und studierte diese beiden schwarzen Basaltstücke, immer wieder vom Zweifel beunruhigt, einer Täuschung zum Opfer gefallen zu sein, sowie von der Furcht gefoltert, doch nicht das ent- deckt zu haben, was alle Gelehrten vergebens gesucht hatten: das moabitische Alphabet, aus dem alle anderen Alphabete hervorgegangen waren, und dessen Arabiens Völkerschasten sich berits zu einer Zeit bedienten, als man in Aegypten noch die Bilderschrift anwandte. Von diesen Buchstaben hier hatte man bereits einige, auf Inschriften verstreut, gefunden, doch war ihre Entzifferung unmöglich, oder aber ihr Sinn unverständlich geblieben. Zum ersten Male also besaß man einen Sah, so klar und so vollständig, wie es bei solch kleinen Bruchstücken einer großen Statue eben möglich war. Einen beimche historischen Satz, denn schon die Bibel selbst erwähnt einen König von Moab , der in der Stadt Karncürn einen Tempel zur Anbetung dieser Aschera errichtet hatte. „O, grausame Königin von Moabl Ist's Dein Gc- . liebter, den Du zu Füßen der Gottheit erwürgt hast?" murmelte Elias in dem Augenblick, als Assir mit dem Oster- kuchen eintrat. „Iß. Herr, ißl Du hast Fiebert" Dann blickte er sich um, schüttelte ernst den Kopf und machte zur Abwehr von Unheil mit den Fingern ein paar Teufelshörner an die Stirn. „Es ist Satan, der Dich diese Nacht besuchte, warum suchst Du zu ergründen, was Allah den Menschen verborgen hält?" „Gott hält uns nichts verborgen: die Menschen sind es, die alles vergraben aus Furcht vor der Macht der Wahr- heit und vor der eigenen Ohnmacht." „Du solltest etwas frische Luft schöpfen. Herr!" „Bei Allahl Du hast recht. Das wird mir das Gehirn durchwehen und klären." Rasch schritt er die Treppe hinab, indem er zu sich sagte: „Ich habe nun ein Töchterchen: und kam der Teufel heute zu mir nach oben, so ist unten ein kleines Engelchen. das seinen Vater schon schützen wird." Er öffnete die Pforte. Hier schlummerte noch alles im Schatten. „Friede sei mit Euch, meine Lieben I" murmelte er, während er ihnen Kußhände zuwarf und ein Kreuz über sie schlug. Unten rührte Frau Fischer eine Suppe. „Ja. ja, Sie können ruhig ein Weilchen spazieren gehen. Es steht alles ganz gut, und das Töchterchen ähnelt ganz dem Papa." Darüber war er so vergnügt, daß er ihr einen herzhafte� Kuß ausdrückte. Als er aus seinem düsteren Gäßchen auf den Zions- platz hinaustrat, der sonst ohne Leben und in völligem Schweigen dalag, stieß er auf eine bunte, lärmende Menge, die sich nach dem Jaffa-Tor ergoß. Es war die Bevölkerung des Judenviertels, die in Festgewändern und mit Palmen- zweigen auszog, um sich außerhalb der Mauern Lauben und Zelte auszubauen, zur Erinnerung ort ihr Wanderleben in der Wüste. Voran trippelten die Frauen mit ihren seidenen Tüchern und Röcken nach der Mode von 1850, in den grellsten Farben, Rot, Grün, Gelb, Blau, Violett und Orange, mit den Ab- fätzen ihrer Pantöffelchen lustig klappernd, in der einen Hand einen wohlriechenden Strauß, in der anderen ein zusammen- gefaltetes Taschentuch geziert haltend. Ihnen folgten die Männer in sammetenen Kaftanen und Pelzmützen, den Penta- keuch unterm Arm und eine Zitrone in der Hand. Und überall sprang und tanzte die jüdische Kinderschaar umher, die. ebenso wie die Alten ausstaffiert und Zweige schwenkend, von dem ungewohnten Genuß des Luft- und Sonnen- Mannas schon jetzt ganz berauscht war. Sie hüpfte lustig um die vorangetragenen Altäre, auf denen die unter Laub- Hütten in goldenen und silbernen Futteralen ausgestellten Thorarollen weithin leuchteten. lFortsetzung folgt.), �Nachdruck»ntolen.) In Keller 8ternennacl)t. Der Großstädter lernt den Sternenhimmel und seine Pracht nicht kennen, er bekommt auch kaum eine Vorstellung davon, in welcher Weise der regelmäßige Gang der Gestirne die Grundlage des Zeitmaßes bildet und dadurch unser Leben regelt. Ob er als besser Situicrter in einem Vorderhausc wohnt, ob er als arbeitender und deshalb armer Proletarier sein Leben in den Hinterhäusern hinbringt, vom Himmel erblickt er selten mehr als einen kleinen Ausschnitt, durch welchen an schönen Tagen die Sonne zu ihm herablacht, au welchem er in schönen sternenhellen Nächten einige Sterne glänzen und funkeln steht; aber es ist ihm nicht möglich. einen solchen Ueberblick über den gesamten Himmel oder doch einen größeren Teil desselben zu gewinnen, daß er die Konfigurationen (Stellungen) der Sterne zu einander sich einprägen und auf ihre Bewegung achten kann. Außer den sieben Sternen, welche man zu dem Sternbild des Großen Bären oder d«S sogenannten Himmelswagens zusammenfaßt, und vielleicht noch dem Polarstern� oder Nordstern dürfte nur wenigen Bewohnern der Großstadt ein Stern- bild eine vertraute Erscheinung sein. Nur ausnahmsweise kann der Großstädter einmal«inen Blick auf das Sterngewimmcl an allen Stellen des Himmels werfen; wenn er nämlich das Getös« der Stadt verläßt und sich zur Abend- oder. Nachtzeit an den äußersten Grenzen der Stadt ergeht, wo er den Blick ungehemmt über freie Felder schweifen lassen und fast den ganzen Horizont überschauen kann. Die letzten Tage des Monats März find zu solch einem abend- lichen Spaziergang ins Freie vorzüglich geeignet. Die Luft ist nicht mehr so rauh und streng wie im Winter, vielmehr kündet sich überall schon der nahende Frühling an, den die Astronomen ja mit dem Tage der Tag- und Nachtgleiche am 2t. März beginnen, und der Himmel bietet zu dieser Zeit einen ganz besonders prächtigen Anblick dar: Die glanzvollsten Gestirne, die den eigenartigen Schmuck unserer Winternächtc bilden, sind noch nicht unter den Horizont herabgesunken, erglänzen vielmehr noch im Westen, während im Osten bereits die sommerlichen Sterne herausziehen, die zwar weniger prächtig sind, aber doch auch manchen funkelnden Stern von der t. Größen- oder Helligkcitsklaffe aufweisen. Wir wählen zu unseren, Spaziergang den beginnenden Frühling, etwa einen Tag der letzten Märzwoche, weil das Mond- licht in diesen Nächten das helle Strahlen und Funkeln der Sterne nicht beeinträchtigt. Am 17. März erschien der Mond im letzten Viertel erst nach Mitternacht am Himmel, und der weiter ab- nehmende Mond wird am2S. a l s Neumond völlig unsichtbar. und auch an den folgenden Abenden stört die zarte, sich erst all- mählich füllende Sichel das Sternenlicht noch gar nicht. Die Sonne weilt bereits bis nach 6 Uhr über dem Horizont, am letzten März geht sie erst 5 Minuten nach W Uhr unter, und auch in dem hellen Dämmerlichte nach ihrem Untergange können wir noch keine Sterne erkenncn. Wandern wir gegen 7 Uhr hinaus ins freie Feld, so können wir im Westen, wo die«onne verschwunden ist, am scheidenden Abendrot dew schönen Abendstcrn finden, der um so glanzvoller hervortritt, je w«,ter die Dämmerung herabsinkt. Es ist der Planet Venus, der mehrere Monate hindurch vor Sonnenaufgang als Morgenstern erschien, jetzt aber wieder für längere Zeit als Abendstcrn leuchten wird. Von allen größeren Sternen ist Venus unserer Erde am nächsten, sie ist ihr an Größe fast gleich und weist auch sonst Verhältnisse auf. die den irdischen nicht unähnlich sind, vielleicht leben auf ihr uns ähnliche Vernunft- begabte Wesen, die vor der dort stärkeren Glut der Sonne— sie ist der Sonne fast S Millionen Meilen näher als die um 20 Mit- lionen Meilen von der Sonne entfernte Erde — durch eine dichtere Lufthülle geschützt sind. Am südwestlichen Himmel wird bald auch ein anderer heller Stern stcktbar, der freilich die Venus an Glanz nicht völlig erreicht, aber während der letzten Monate fast die ganze Nacht hindurch der schönste Stern an unserem Himmel war; es ist der Planet Jupiter, der Riese unter den Planeten, der die Erde 1264 mal an Größe übertrifft. Der Jupiter stellt ein Ab- bild des Sonnensystems im Kleinen dar, denn wie d,e Sonne von den Planeten umkreist wird, so kreisen um den Jupiter eine Anzahl von Monden, von denen man einige schon mit einem sehr mäßigen Fernrohr neben ihm am Himmel erblickeir kann. 'Zwischen diesen beiden Planeten, der Venus und dem Jupiter , finden wir noch einen, aber erst bei stärker herab- gesunkener Dämmerung, wenn es fast schon völlig Nacht geworden ist. den Mars , der jetzt«IL kleiner rötlicher Stern erscheint. In der Reihenfolge der Planeten, nach ihrer Entfernung von der Sonne geordnet, folgt der M a r S auf die Erde, so daß diese zwischen Venus und Mars steht; dadurch ist bedingt, daß die Ent- feiniing des Mars vow der Erde eine sehr wechselnde ist, je nach-
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23 (24.3.1906) 59
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