Panzerhemden hingen an den Pfeilern, Schilde bedeckten dieWände, und durch die Spitzbogen der geöffneten Fenster floßmagisches Licht auf die schwarzen, mit weißen Malteserkreuzenausgelegten Marmorfliesen.Bei diesem hellen Sternenlicht putzte Graf Jblin eineRüstung seiner Vorfahren, während der Doktor d'Amenjeuunbeweglich und schemenhaft auf seinem Diwan ausgestrecktlag und aus den grünlichen Rauchwolken seiner HaschischpfeifeVergessenheit sog.Elias gegenüber hob sich in weiter Ferne von einemsilbernen Hintergrunde Jerusalem, bleich und nebelhaft, wieein Bild aus einem alten Meßbuche, ab.Draußen belebte sich die Straße nach Bethlehem, die amFuße der Wassergräben vorüberführte, mit zunehmendemLärm. Deutlich unterschied man das Trappeln der Pilgerund den militärischen Schritt der türkischen Soldaten. DasRascheln der Rosenkränze mischte sich in das Klirren derBajonette, und zwischen den Kommandos der Aghas ertöntenlaut die Befehle des Anführers einer Prozession.Mit dem bittern, herben Duft der Weihrauchfässer stiegenauch die lithurgischen Gesänge empor und drangen in denSaal.Bitterkeit drang auch in Elias' Herz.„Ist's nicht die reine Ironie? Sie fingen von Friedenund werden von mohammedanischen Kriegern begleitet, da-mit sie sich nicht im Namen Christi gegenseitig den Hals ab-schneiden! Acht Christus! Christus! Wie wird doch Deingöttlicher Geist mißverstanden und noch dazu hier, an derStätte Deiner Geburt und Deines Leidens! Und doch habenan einem solchen Abend die Engel den Hirten, die dort untenauf jener Ebene ihre Herden hüteten, verkündet, daß desHimmels Herrlichkeit zur Erde herabgestiegen sei... Seitjenem Tage mögen die Religionen sich vielleicht veränderthaben, die Herzen aber sind noch dieselben geblieben. Fürdas Wort„Religion" kann man ebenso gut die Worte„Haß"und„Unduldsamkeit" setzen:. wie einst an den Altären Jehovasoder Baals, erwürgt man sich auch heute noch in Gedankengegenseitig, und mit einem Bibelspruch trifft man Euchsicherer als mit einem Todesurteil. Ach, wann wird die glück-liche Zeit kommen, da die wahre Religion darin besteht, keinezu haben oder vielmehr sie alle zu verehren, die in einemeinzigen großen Gedanken: die Güte, und in einer einzigenLchre: die Liebe, gipfeln."--„Und Friede den Menschen auf Erden, die einesguten Willens sind," schmetterte die kreischende Stimme einesSolosängers.„Auch ich war ein Mensch guten Willens," seufzte Elias.„Ich habe gewollt, was ich für gut und wahr hielt: dennochhabe ich den Frieden nicht gefunden. Die einen bemitleidenmich, die anderen lassen mich chre Verachtung fühlen: meineFrau verleugnet mich, von meiner Tochter habe ich michtrennen müssen und selbst in meiner Arbeit finde ich keinenTrost mehr."Bohemund ließ seine Rüstung fallen, daß die Stahl-schuppen rasselten, stand auf und durchmaß das Zimmer mitlangen Schritten. Plötzlich blieb er vor Elias stehen undbetrachtete dieses vom Sternenlicht beschienene, schmerzver-zogene, blasse, durchsichtige Antlitz, das einer Alabasterurneglich, in der sich alles menschliche Leid angehäuft hatte.„Ach, mein armer Freund, man hat Sie gekreuzigt! Alldiese Pharisäer, Schriftgelehrten und Zöllner haben sich ver-einigt, um Sie zu kreuzigen. Welch ein Judas ist dieserSlamin, und welch ein Pilatus dieser Pastor! Acht DaßMir nicht mehr in der Zeit des Rittertums leben! Ich hätteSie aus ihren Händen befreit und jene an die Pfeiler meinerRüstkammer genagelt. Aber wo findet man jetzt solchetapferen edelmütigen Paladine, solche fränkischen Ritter,solche Rächer des Unrechts und Beschützer der Schwachen, wiesie einst hierher kamen, um für eine Idee zu sterben?"Schweigend ging er wieder auf und ab.Draußen waren Truppen und Prozessionen vorüber-gezogen, und man hörte nur noch einige Nachzügler schlürfen-den Schrittes nachhinken.Der herbe Myrrhenduft schwebte noch in der Luft. DerRitter trat ans offene Fenster, lehnte sich in die spitzbogigeNische und betrachtete die Stadt der Legenden, die durch dieAbendluft herüberleuchtete.„Oh Jerusalem! Jerusalem! Du tötest wirklich DeinePropheten und steinigst, die zu Dir gesandt sind!"Dann fuhr Bohemund wie im Selbstgespräch fort:„Wir alle kommen her, um Jerusalem zu erobern undJerusalem erobert uns! Und selbst ivenn wir uns befreienkönnten, wollen wir es nicht mehr. Was hat es denn, daß esuns so festhält? Was hat es denn, daß es uns so bezaubert?Ist es die Klarheit seiner Nächte oder seine melodische Stille?Oder sind es nicht vielmehr alle die Leiden, aus denen eserstanden ist, alle die Hirngespinste, die von ihm aufsteigenund unsere armen Köpfe benebeln?"„Eitelkeit der Eitelkeiten! Alles ist eitel, alles außerdem Rauch," warf der Doktor mit seiner verträumten Stimmebrockenweise ein, während er sich eine neue Pfeffe stopfte.Der Graf nahm seinen Gang wieder auf.„Ja. auch ich fange manchmal an. zu glauben, daß alleseitel ist und Rauch. Zeitweise steigt auch in mir die Ahnungauf, daß ich nicht der Auserwählte bin und und daß meinEroberungstraum mit mir erlöschen wird. Aber wenigstenswerden wir beide, mein Traum und ich, hoch aufgerichtet, indie Falten unseres Rittermantels gehüllt und auf unserKreuzschwert gestützt, im Angesichte Zions sterben. Bis dahinjedoch gebe ich meine Hoffnung nicht auf, und mein Schloßsollen sie nicht haben. Denn wissen Sie schon, Elias, gesternsind sie gekommen und heute wieder, eine ganze Schar inFrack und Zylinder, Bankiers, Architekten, Ingenieure, wasweiß ich?... Auch Ihr Wucherer mit dem Jehovaaugeund Ihr Sklaven- und Gewürzhändler waren dabei. Siewollen eine Eisenbahn von Jaffa nach Jerusalem bauen, undich bin ihnen im Wege. Ein Teil der Ebene von Bethlehemund des Terebintentales gehört mir. Das ist meine Domäne.Es ist das Land, das meine Vorfahren mft ihrem Blute be-zahlt haben, und das wollen mir diese Geier und Krähen mitihrem feilen Gelde abkaufen.... Könnt Ihr Euch so etwasdenken. Freunde? Aus meinem Schloß wollen sie einen Bahn»Hof machen und aus meinem Rittersaal vielleicht einen Warte-saal. An Stelle meiner Malteserstandarte errichten sie Signal-stangen: und dort unten auf dem Templerhofe bauen siespäter eine Gasanstalt oder irgend ein römisch-griechisch-lutherisches Kasino! Ich habe ihnen antworten lassen, dasblutige Kreuz und die eiserne Krone in meinem Wappenschildbedürfen keiner Vergoldung. Sie werden also ihre Schienenüber die Berge von Judäa legen müssen, was die doppelteZeit in Anspruch nimmt. Auf diese Weise habe ich Jerusalemwenigstens noch auf zwei Jahre vor der Gefahr der Zivili-sation bewahrt. Und dann werden wir ja sehen... eherwill ich ihre Waggons in die Luft sprengen, als zugeben,daß der Pfiff der Lokomotive Zions erhabene Ruhe störe."Das Rasseln einer Reihe vorbeifahrender Wagen unter-brach den Grafen. Eine Staubwolke erhob sich bis über dieWälle, Peitschen knallten und Bruchstücke lutherischer Gesängeklangen abgerissen durch die Nacht.lgortsetzung folgt. xkleines fcuillcton.b"a. San Francis«». Keine Stadt in den Vereinigten Staatenist von so viel Romantik umwoben, wie San Francisco, die Stadtam Goldenen Tor. Im Jahre 1776 noch eine stille Mission, vonFranziskanermönchen gegründet, die sich der Bekehrung der Jn-dianer mit großem Eifer widmeten, war die kleine Riederlajsunglänger als ein halbes Jahrhundert ein weltverlorener Ort, DieEntdeckung von Gold in Kalifornien war es. die San Franciscomit einem Schlage zu einem weltberühmten„Wallfahrtsort"machte. 1348 brach das Goldfieber zuerst aus, um bald eine ge-waltige Stärke zu entfalten, und Abenteurer aus aller HerrenLänder zogen nach San Francisco, von den Goldgräbern kurz„Old Frisco" genannt. Sie kamen gern nach Frisco, die Gold-gräber, denn hier fanden sie reiche Gelegenheit, sich für die leichterworbenen Schätze Vergnügen jeder Art zu verschaffen; da gabes Tingeltangel, hübsche Mädchen, Wirtshäuser und Tanzkneipenin Menge. Bezahlt wurde nur mit Gold oder Goldstaub. JederKaufmann und jeder Wirt hatte eine Goldwage, um die Be-zahlung abzuwiegen, und die Geschäftsleute von Frisco wurdenreich dabei. Was damals für Preise gezahlt wurden, davon findetman noch hier und da ein Zeugnis. Da liegt z. B. in einemRestaurant eine Speisekarte aus der Goldgräberzeit als Kuriosumaus. auf welcher eine Suppe, die heute 10 Cent kostet, mit einemDollar verzeichnet steht und ein Braten mit etwa fünf Dollar.Man zahlte gern, weil man es dazu hatte; man nahm das Lebengern leicht in San Francisco und macht es heute noch so. wennes nur irgend geht. Wer aus Chikago, New Dork oder St. Louisnach San Francisco kommt, dem fällt es sofort auf, daß dieLeute in der Market, Kearny oder Montgomery Street, was diegroßen Geschäftsstraßen find, nicht so ernst und ungestüm hastenund drängen wie in den großen Städten der östlichen Staaten,daß sie sich mehr Zeit lassen, daß sie heiterer in die Welt blicken.