daß Ihr uns fliehet. Und gerade jetzt könntet Ihr, als Archäologe, mir einen großen Dienst erweisen." Mit Vergnügen! Welchen denn?" Sehen Sie: es ist von großer Wichtigkeit, daß ich die Bresche finde." Welche Bresche?" Die Presche in der Umwallung. damit ich in Jerusalem  eindringen und es überrumpeln kann." An des Grafen   Redeweise gewöhnt, glaubte Elias, jener Wolle sich bildlich ausdrücken. Der andere aber fuhr, mit der Lanze an die Steine klopfend, fort: Sie muß sich ganz bestimmt hier in der Nähe befinden. Tankred machte sich die von Zion zu nutze: aber Hugues de Vermandois berichtet von einer, die in der Nähe desGol- denen Tores" liegen soll. Mein Freund, diese Bresche müssen wir finden! Alles ist bereit, alles, meine Bombarden, Stunnböcke, Widder und Angriffstürme wohl ausgerüstet. denn wir müssen uns beeilen. Nicht wahr, Sie wissen doch, daß jene Jndustrie-Tempelritter ihre Eisenbahn über Abugosch Abu Schusche legen. Schon ist der Grund nivelliert und der Schienenstrang gelegt; in drei Monaten werden sie in Bethlehem   sein. Aber sie haben die Rechnung ohne mich ge- macht. Nach Jerusalem   sollen sie nicht kommen: das werde ich vor ihrer Ankunft in meinen Besitz gebracht haben. Ver- stehen Sie, mein Freund? Aber Sie müssen mir jetzt helfen, die Bresche zu finden." Durch seine Rüstung beengt, kletterte er mühsam aus dem Sattel, setzte sich neben Elias und breitete auf dem Leichensteine ein Pergament mit verzwickten Zeichnungen aus. Elias hörte ihm gefällig zu. Als der Graf aber endlich wieder weitergaloppierte und sein großer, schwarzer Mantel sich hinter ihm wie eine Trauerfahne blähte, dachte Elias voller Trauer: «Armer Ritter! Hier siehst Du. grausames Zion, was Du aus Deinen Verehrern machst." 9. Es war am Nachmittage- des Karfreitages. In seinen weißen Burnus gehüllt und den Kopf mit einem Damascener Schleier bedeckt, stieg Elias Stufe für Stufe seine steile Treppe hinab. Lange und zärtlich umfaßte sein Blick das alte sarazenische Gebäude mit seinem Hofe aus roten Marmorfliesen, seinen kunstvollen Säulen, seinen schattigen Arkaden und geheimnisvollen Mouscharabis. Dann zog er hinter sich die schwere, kleine Pforte zu. überschritt den von wildwachsenden Blumen strotzenden Vorhof, ging durch das kleine düstere Gäßchen und ließ sich, auf dem großen, grell beleuchteten, öden Davidsplatz angelangt, müde auf einen Eckstein sinken. Er sah außerordentlich blaß aus: bei jedem Herzschlage empfand er einen stechenden Schmerz. Rings umher breitete sich der Frühling aus, jener flüchtige, schmucklose, ernste Frühling der abgestorbenen Oberstadt. Zwischen den blanken Steinen waren Klatschmohn und Gänseblümchen   hervorgesproßt, in den Schießscharten Wucher- ten Gerstenhalme, und im Schatten der Feigenbäume machte sich Hahnenfuß breit. Er erinnerte sich des einen Ostermorgens, der diesem Karfreitagsnachmittage ähnelte, und an dem er seine Seele mit diesem Hügel, sowie sein Töchterchen mit einem zwischen dem Pflaster emporgesproßten Maßliebchen verglichen hatte. Ein schmerzliches Bedauern, all dieses verlassen zu sollen, durchzuckte ihn. Doch schnell bestärkte er sich wieder in seinem Ent- schlusse, stand auf und sättigte seinen Blick noch einmal mit allem, was ihm hier so lieb gewesen war: dieser Stille und Klarheit, diesen Ruinen, der ganzen Größe des Verfalles. Dann entfernte er sich mit langsanien, aber festen Schritten. In der Christenstraße waren alle Läden geschlossen: die Einwohner und Pilger befanden sich in der Kirche. Ohne weiteren Aufenthalt gelangte er bis zum dunkeln Gäßchen der Maler, wohin er seit Jahren nicht mehr gekommen war. Infolge eines neuen Schwächeanfalles blieb er einen Augenblick stehen. Aber sogleich raffte er sich wieder auf und schritt nun ruhig weiter, mit gesenkten Lidern und einem Zuge bitterer Enttäuschung um den Mund, doch mit solch einem Ausdruck von Hoheit auf der Stirn, daß sein weißer Schleier und der lange Mantel bis zu dem im Staube schleppenden Saume um ein Abglanz jener strahlenden Hoheit zu sein schienen. Hinter dem Kerzenvorhang seiner Höhle hockend, beob­achtete Slamin mit dessen Herrlichkeit es schon längst wieder vorbei war das Gäßchen von einem bis zum anderen Ende, blickte nach rechts, schaute nach links, spähte nach einem Kunden aus, lauerte auf eine Beute. Plötzlich wurden seine unablässig umherirrenden Augen starr. Sein Gesicht färbte sich dunkelgelb und er fuhr so heftig zusammen, daß die um ihn hängenden Kerzen wie von einem Windstoß bewegt, hin und herschaukelten. Am liebsten wäre er ganz in den Hintergrund, mit dem Gesicht an die Wand, gekrochen, doch vermochte er seine Augen nicht von jener leuchtenden und doch so traurigen Gestalt ab- zuwenden, die sich ihm in der Dämmerung des Gewölbes näherte. Schon war sie im Begriff, ruhig an ihm vorüberzugehen, als Slamin mit verzweifelter Anstrengung den Kerzenvorhang beiseite schob, von seinem Sitz herabsprang und sich ihr vor die Füße warf. Sidi, habe Mitleid! Verzeihe mir!" Unwillkürlich wich Elias zurück und suchte seinen Weg fortzusetzen. Doch Slamin klammerte sich an ihn und bedeckte seine Hände mit Küssen. Sidi, verzeihe mir! Wenn Du wüßtest, wie unglücklich ich bin, würdest Du Mitleid mit mir haben." Dabei hob er sein alt gewordenes, abgemagertes, von geheimer Schande durchfurchtes und von Tränen über- schwemmtes Geficht zu seinem früheren Herrn empor. Ihre Blicke trafen sich. Aus Elias Augen strömte ein Strahl unendlicher Güte hervor. Schon lange habe ich Dir vergeben," sagte er mild, ziehe hin in Frieden." Tann stieg er die Stufen zum Heiligen Grabe hinab und schlug den Weg nach der Via dolorosa   ein. Und eineVia dolorosa  " war sie zu dieser Stunde wirklick. Büßerprozessionen kamen ihm entgegen, die einen auf der Rückkehr von Gethsemane  , die anderen von den Um- Wallungsmauern, die sie, je nach dem Grade ihres Sühne- deliriums, fünf- oder siebenmal umschritten hatten. Alle waren mit Dornen gekrönt und trugen auf der Schulter Kreuze, oft von solcher Größe, daß sie manchmal am Boden nachschleiften. Die Einen waren mit Toten- Hemden, andere mit Bußsäcken bekleidet, alle aber waren hager, blaß, abgezehrt, von Anstrengung und Ermüdung er- schöpft, mit Staub und Schweiß bedeckt, mit nackten Füßen. blutender Stirn, schwieligen Händen und zitternden Lippen. Die Seele vom Körper gelöst, den Körper mit ihrer Bürde beladen, so schritten sie wie in schlafwandelndem Zustande hinter einander her, ohne etwas zu hören, ohne etwas zu sehen, oder ohne das Gesehene auch wirklich wahrzunehmen. Fast alle sahen häßlich, gewöhnlich und ärmlich aus: aber ihr irdisch unschönes Aussehen verklärte die himmlische Schön- heit der Verzückung und um die Dornen an ihren Schläfen wand sich bereits der goldene Heiligenschein des Martyriums. (Schluß folgt.) (Rachdruck vrrbotro.) Oer SatileKof. Bon E. Preczang. l Schluß.) Witwe Trielewitsch schluchzte:Ich geb' ihn nicht her. Herr. Für alles Geld in der Welt nicht. Sein Geist kriegt ja keine Ruhe." Da kennen Sie ihn schlecht. Der gute Bonifaziusl Er hat's mir einmal im Vertrauen gestanden" hier log Moserdaß es nur an Ihnen liege. Er selber verzeihen Sie dem Toten, Frau Katharina wollte lieber heute als morgen seinen sämtlichen Gänsen den Hals umdrehen, wenn er nur aus diesem Stall hier herauskäme. Sagte er! Und Sie? Sie find noch nicht alt, Frau Trielewitsch' Eben über die Vierzig." Jetzt log sie. Na also. Wollen Sie sich hier begraben?" In diesem Augenblicke kehrte der Hirt mit den Gänsen heim. Der Hund sprang ihnen entgegen; sie erhoben ein fürchterliches Geschrei. Hören Sie?" Frau Katharina war blaß geworden.Das ist eine Stimme. Ich soll nicht. Nein!" Sie hob die Augen zur Decke.Fürchte nichts. Bonifazius. Ich hab's Dir in die Hand ge- schworen." Dabei blieb sie. Moser ging und schlug wütend die Haustür zu. Ein Stück Kalk fiel ihm auf den Hut. Er sah nach oben. Ein Riß ging durch die