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ins Füllhorn gefaßt haben, da die Zivilisation einfegte. Die einen nahmen alles für sich und behielten es für sich Besitz und Bildung vereinten sich rasch zu gar erbaulichem Bunde - die anderen mußten mit leeren Händen dastehen. Und so stehen sie heute noch. Die vollen Hände wurden immer voller, und wenn die Rechte einmal gab, mußte die Linke rasch wieder das Doppelte nehmen. Was leer war, blieb leer. Ein paar gewaltsame Ereignisse über­fluteten die Zeiten und suchten die Ketten zu brechen und in die befestigten Mauern, hinter denen die Schäße gehütet waren, Breschen zu schlagen. Ein paar Verkünder und Führer, ein paar, die vor der Wüste und der Marter nicht Furcht hatten, waren gekommen, und hatten den hohen Mai der Beglüdung des Menschenrechts und der Menschenwürde, die Feier der Menschenverbrüderung gepredigt und gefordert. Aber die mit leeren Händen standen, sie mußten mit leeren Händen stehen bleiben.

Aber alle Jahre kehrt der Mai wieder und fingt sein Hochzeits­lied über die Lande und singt sein Hochzeitslied den Menschen. Allen denen, die ringen und emporstreben, damit ihnen Wünsche wach werden und nach Erfüllung drängen, damit ihnen Forderungen laut werden und ihr Recht verlangen, damit das Glüc begehrend und begehrlich wird in ihnen und die Sehnsucht zwingend. Feier des Maien. Was unten ist und niedrig, er will es erhöhen. Die der Segnungen entbehren und der Genüsse des erhöhten Lebens, denen will er seine Verheißungen geben, die nicht die Schönheit ge­wonnen und ihre reineren Freuden genossen und reicheren Feiern und stilleren Genüsse, die will er zu sich laden. Der Niedrige soll nicht niedrig bleiben, er soll sich ein Recht verdienen am Hohen, es soll ihm das Recht werden als sein Eigentum, er soll seinen Anteil haben an dem, was das Leben erhöht und erhebt und die Erde schmüdt.

Er soll die Möglichkeiten aufgetan finden, sich selbst zu ge­winnen und sich selbst zu befizen und seinen Selbstbesitz zu vermehren. Die Würde, die ihm zugestanden als natürliches Recht im Verein der Menschen, er soll sie in sich selbst er ringen, fördern und krönen, um sein Recht reiner nur erfüllen und höher nur fordern zu können. Er soll sich selbst bereichern, in sich selbst, um des Reichtums schöner genießen zu können, der in dem Besten besteht, was der Mensch in sich auszulösen vermag, in dem Schönsten, das uns Besitz werden kann. Er soll Freiheit in sich ausbilden und in fich tragen, um die Freiheit höher zu ehren und höher verwirklichen zu können, um ihr ein Führer und Förderer zu sein, ein Beschützer und ein Erfüller. Er soll Schönheit pflegen in fich und fordern von sich, um Herr der Schönheit, ihr Walter und Diener zu sein. Er soll zum Ganzen in sich streben und eine Ganzheit aus sich selbst schaffen, aus seinem Stärksten und Besten und Feinsten und Fruchtbarsten, um eine Ganzheit zu schaffen von einer neuen und schöneren Kraft und einer neuen geheiligten Ordnung und Ge­rechtigkeit. Denn das ist der Sinn der Feier des Mai, daß des Menschen Würde kein Vorrecht mehr sein darf von Klassen und Gruppen, von Mächtigen und Besitzenden. Des Menschen Würde ist in jedes Menschen Hand gegeben! Das ist sein hohes Fest- und Feierlied, das an der Hochzeitstafel des Mai ertönt.-

Martin Sölch.

( Nachdrud verboten.)

Erzählung von Nikolaus Krauß.

1.

Der obere Ofen stand ganz in schwarzem Braunkohlenqualm. Kam ab und zu ein Mund voll Wind, dann schoß eine Stichflamme aus dem Schürloch, man sah den Brenner mit einer Eisenstange in den glühenden Rachen stoßen, aus allen Zuglucken quirlte der Rauch eilig in die Höhe.

Die langen, roten Dächer der Trockenschuppen schienen fich emporzuschieben. Für einen Augenblick. Die Septemberluft tar regenschwer. Sofort fiel wieder der Qualm wie ein großes, dunkles Tuch, alles verhüllend.

Aus dem brodelnden, ziehenden Dunkel drangen Geräusche, Laute, alle sonderbar gedämpft. Ein Pferd wurde angetrieben. Ein tattmäßiges Schlagen wie mit Holzschlägeln. Ein Rad quitschte. Auf den nassen Boden platschte ein Brett, daß man das Spritzen hörte. Und plötzlich eine heisere Stimme:

Himmel- Herrgott!. Das reine Spizbubenwetter I" In der Tür des Brennerhauses erschien ein hochgewachsener, hagerer Mann, äugte und Tauschte nach den Arbeitsplätzen der Ziegler hinüber. Schultern und Kopf hingen ihm eigentümlich nach born, als müßte er gegen etwas sich stemmen. Er schob einen grauen Haarbüschel vor das rechte Ohr und wieder zurück, war mit einem ausgreifenden Schritt über die Pfütze, die sich in dem ausgetretenen Boden vor der Schwelle gebildet hatte, und trat zu dem Brenner. Der riß ihn am Aermel zur Seite. " Der Wind kommt auf.

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Im nächsten Augenblic schnellte eine armlange Feiterzunge aus dem Ofen.

Na also!"

Der Brenner griff zur Eisenstange. breiten Fahnen nach Often.

und

Bald zog der Rauch in

Das Dach

Ich brauche

Der Schwarzbärtige fah fragend zum Herrn auf. Vorgejammert hat sie mir wieder, die Deine immer das Dachl Ein paar Ziegel fehlen ja Die Bodenbretter fangen schon an zu faulen." Ach, was!... Dazu ist jetzt keine Zeit. Biegel! Ziegel brauch ich!... Wie viel Brände können wir noch machen?" Der andere zuckte die Achseln. ,, Wenn die Schlager aushalten Ein trockenes Lachen unterbrach ihn: Die müssen!"

H

Müssen?

sind vorbei

Heutzutage?... Nein, Bauer, die Zeiten

Das Blut war ihm mählich ins Gesicht gestiegen, als er jo sprach Er tat einen Blick in den Ofen und fuhr fort: Daß Ihr's wißt..." Bauer, zum Ersten geh' ich

"

" Hast Dein Geld net immer richtig friegt?" Wohl, wohl!

,, So einen schönen Verdienst!"

"

"

Was man übrig hat, geht im Winter drauf."

Wenn man auf der faulen Haut liegt, " Soll ich auf Eurem Hof helfen?

Das hätt ich daheim auch haben fönnen. Jezt kränkeln die Kinder und die Frau. Halt' ich noch einen Winter aus, reißt mich das Reißen frumm." ,, Alsdann, das Dach wird gemacht! Gleich die nächste Woche.. Bauer, mir gefällt es hier nimmer. Hat mir nie gefallen Die Bauern schauen jeden für einen Flamander an, der nicht mit ihnen aufgewachsen ist.

Das kann ich net anders machen... Fremde Ziegler­

Teut'! Er nickte einigemal und überlegte. Ja

Wir reden noch d'rüber

Dann wandte er sich den Ziegelschlägern zu. Der Qualm war weggeblasen, das Getriebe der beiden Ziegelhütten lag vor seinen Blicken.

In den Trockenschuppen war schier kein Brett mehr frei. Bis zu den Dachsparren hinauf standen die Ziegel, auf der schmalen Stante, im schiefen Winkel zu einander und in Abständen, daß die Luft streichen fonnte wie durch Zugkanäle.

Er fingerte an einigen Ziegeln. Die Ecken waren scharf aus­geprägt, die Seiten glatt.

Nur noch einige Tage flares, sonniges Wetter, und die Franzensbader Bauherren mußten zahlen, daß sie schwarz wurden! mit dem Preis hatte er schon in der vergangenen Woche aufge= schlagen, als die meisten Konkurrenten wegen des Wetters Schluß gemacht für dieses Jahr. Glückte es ihm, dann

Er wandte sich, blickte mit brennenden Augen nach dem einen der beiden baumumbuschten Höfe hinüber und murmelte, während er die Finger zur Faust zusammenpreßte, daß es knackte: Dann. hab ich Dich!.

Weiter schritt er. Zur rechten die Lehmgrube. Das bißchen Wasser tat noch lange nichts! Drunten hieben sie mit Spithauen die Klumpen herunter. Bretter liefen die Kreuz und die Quer. Auf ihnen schoben sie die gefüllten, einräderigen Karren zur Höhe. Che er das Tragband überwarf, spuckte jeder in die Hände. Die Räder quitschten und Inarrten in den Naben, verließen sie droben das letzte Brett, schnellte es hinten empor und schlug flatschend auf den nassen Boden.

Der Bauer wischte sich einen Sprißer von der Joppe und trat zu den Lehmtretern. Bis über die Knie patschten sie in der zähen Maffe auf und ab, auf und ab, und wenn einer den Fuß ganz herauszog, gab es jedesmal einen Knall, wie wenn man eine stark berkortte Flasche öffnet. Sie waren über und über beschmiert. Selbst die Gefichter.

Als der eine den Bauer erblickte, sprang er über das Brett, das auf dieser Seite die Einfassung bildete, und schrie mit heiserer Stimme, während er die nadten Füße aneinander rieb:

Aus ist's! Ganz blau gefriet man!... Herr Sölch, am Sonnabend ist Feierabend! Jeden Tag ist Feierabend, Burkt, jeden Tag Am Sonn abend ist der große, da gibt's Geld. Und da freuen sich die Weiber, wenn's recht biel ist ,, Aber, man wird ja hin! Bei dem Wetter! Wetter? Jebt hätt' ich bald was g'sagt! Wetterl hat noch keinen Mann umgebracht... anders. Schaut's nur nach Bayern ' nüber fieht man Da! Willst ein Zigarrl? Der Arbeiter griff zu, brummte noch etwas und sprang wieder in den Kasten.

So ein ' s wird wieder Alle Berg

Bei denen, die Mauersteine schlugen, hielt sich Sölch nicht auf. Das Klopfen der Formen auf den Arbeitstischen flang wie Drischel. schlag auf einer Holztenne. Man verstand sein eigenes Wort nicht. Sie arbeiteten im Afford, nidten nur, als er vorbeiging.

Gegen die Straße zu hantierten die Dachziegelstreicher, dret Brüder Gigler mit ihrer Schwester. Mit ihnen hatte der Bauer an gefangen, als er vor zehn Jahren die still liegende Ziegelhütte des Nachbars gepachtet. Nach drei Jahren gehörte ihm der ganze Grund