— 350— «in kein?' ttestorSen. Zu Verviers haite er gearbeitet, in der Me>'' �incnfabrik, schwarz berußt und nackt bis zum GürtF'""�� waren Kälte und Hitze ganz einerlei gewesen. alle Samstag war er herübergekommen von Verviers urden Sonntag bei seiner Familie geblieben. Und es war Samstag vor Peter und Paul gewesen, jetzt etwas über «WrFahr her, da hatte der Michel von dem, was er verdient hatte, seiner Frau eine Speckseite gekauft und ein oder zwei Pfund Kaffee, denn— „Ihr müßt wissen, Höhr , dat is hier viel zu teuer für Uns un über der Frenz viel billiger," sagte der alte Mann bekümmert, hob dann langsam die Faust und drohte hinüber zum Venn, das ruhig und weltfern dalag.„Da waren se ihm aber bald aus den Fersen. Von der Baraque an waren sie als hinter ihm drein— die verdammte Cammise*)! Ihrer drei. vier. Nu miißt Ihr wissen, dat de Michel laufen könnt' wie nur einer. Wenn de seinen Pack hinter den Busch jeschmissen hätt' und Hütt' sich am laufen jehalten, den hätten se mein Lebtag nich jekriegt. Aber ne, dat wollt he statt nach rechts nach links ab durch't Wallonische Venn, der Hill nach. Durch Clefay**) un Necket, so immer die Kreuz und die Quer, un kam nu so janz aus der Jejend heraus, wo he Bescheid wüßt', wie in seiner Tasch'. Ober dem Pannensterz waren se ihm dicht aus den Hacken. Un se waren hinter ihm am schreien:„Steh!" „Seht Ihr, Whr, war he nu in die Jroße Haard jelaufen un hätt' sich da im Dickicht verborjen, so hätten se ihn ohne Hund nie jefunden. Aber nu war he verwirrt un rannt' aus dem Busch eraus, blank über et Venn. „Halt!"—„Steh!"— un zum drittenmal:„Halt!" Aber er sprung wie'ne Hirsch. Da drückt' einer los un— Jesus Christus erbarme Dich, jetzt und in der Stunde unseres Todes!"— der Gemeindevorsteher schlug andächtig ein Kreuz und wischte sich dann mit dem Handrücken unter der schnüffeln- den Nase her—„de Schuß fuhr durch die Speckseit in den Buckel, hinten erein, vorn eraus. Da schlug de Solheid den Kuckerleboom.***) En Schand war et: um en Speckseit', so 'ne staatse Kerl! lgortsetzung folgt, x lNflchSviick»erboten.) 6] JVIartüi Solch. Erzählung von Nikolaus Krauß. (Schluß.) Da erzählte Solch öffentlich, daß er im Grundbuch wieder einen neuen Posten auf den Stingcl-Hof habe eintragen lassen. Wer nicht zu Schaden kommen wolle, möge sich dazuhalten. Sofort bekamen die Advokaten zu tun. Den Klagen folgten Pfändungen. Die Kläger drangen in die Ställe, in den Keller, auf den Schüttboden. Allgemeines Geschrei und Fluchen. Bon den Pferden war nicht eines mehr da. Am meisten ärgerte sich der Sattler, der es auf die beiden Rappen �abgesehen hatte. Mit ihnen war der Bauer eines Tages nach der Stadt gefahren. Er kam zu Fuß wieder heim. Pferde und Wagen blieben verschwunden. Was nicht zum täglichen Gebrauch notwendig war, wurde ver- siegelt. Ein Schuster machte sich über das Taubenhaus. Nicht eine Feder blieb zurück. Selbst den Taubenmist ließ er auskratzen; der war gut für den Garten. Man sah sich die Felder an. Die Kartoffeln waren nicht ordentlich ausgegraben, nur mit dem Pfluge ausgefahren; ganze Schöpfe staken noch im Erdreich. Im Keller aber lag nur ein kleines Häuflein. Auch da konnte man nicht heran! Bonl Kraut hatte im Sommer und Frühherbst niemand die Raupen genommen. Bon einem Kopf keine Spur auf dem weiten Felde. Besen glichen die einzelnen Stauden. Die Winteransaat hatte kaum begonnen, da war alles ins Stocken geraten. Der Großknccht war in der Nacht gezogen. Die Magd hatte dem Bauer ihre Ersparnisse geborgt. Sie trumpfte jetzt auf und räuberte auf eigenes Risiko. Im toten Herbst war die Wahl/zum Landeskulturrat. Stingel erhielt nicht eine Stimme. Das traf ihn härter als der Zu- sammenbruch seiner Bauernexistenz. Jeden Tag ginq er jetzt in die Stadt, bekam dort Bier und Essen, so viel er wünschte, wenn er den Betrag gleich hinlegte. Wollte er spielen, selbst mit Arbeitern, mutzte er erst zeigen, daß er Geld hatte. Unter die anderen Bauern traute er sich nicht mehr. Er kannte •) Grenzjäger. ••) Walddiftrikte im hohen Venn. Purzelbaum. ! ihre Spottsucht, ihren Respekt vor dem großen Besitz. Wußte, daß gerade die ehemaligen Schmeichler am meisten höhnen würden. Das geschah auch. Ten ganzen Advent über ging das Gerede über den Stingel-Bauer. Man wettete, wann er„abfliegen� würde. Nur die Frauen wagten, für ihn ein Wort zu reden. Tie mit ihm aufgewachsen, groß und alt geworden. Vor ihren Augen stand noch immer der junge, schöne Bursch mit den freundlichen Augen, dem vollen Gesicht, wie Milch und Blut, aus dem Kopf das kecke Jägerhütlein, das ihm so gut ließ. Es war ein liebes Er- innern: Mit der hatte er getanzt, wie nur die Jugend tanzen kann, einer anderen ein gutes Wort, einen vernünftigen Rat ge- geben, als sie schon verheiratet war und nicht wußte, wo ein und aus. Und wie freundlich war er zu den Kindern! In dieser Zeit fürchtete der Lenz für seinen Vater. Der Bauer ging umher,„als hätten ihm die Hühner das Brot ge- nommen", saß stundenlang am Tische und rechnete auf großen Bogen, um zum Schlüsse alles wieder durchzustreichen. Gab nichts mehr auf sein Gewand. Zollang standen im verfallenen Gesicht die Stoppeln nach allen Richtungen. Kurz vor Weihnachten ließ ihm die Sparkasse mitteilen, daß sie den Hos zur öffentlichen Feilbietung bringen würde, wenn zu Neujahr die Zinsen wieder ausblieben. Als«tingel den Brief ge- lesen, knickte er zusammen wie unter einem Schlage. Im nächsten Augenblick warf er den Kopf zurück und tat einen Lacher. Alle Unsicherheit war von ihm gewichen. Nicht«in Bierteljahr mehr würde er Bauer sein. Das Geld aufzutreiben, war unmöglich. Die Verwandtschaft? Der hätte er einen Grundbuchauszug vor- legen müssen. Lang und breit hätten sie geredet, das Wort Kuratel hätte er gehört, aber geholfen hätte ihm keiner. So sollten sie sich nur auch recht ärgern über die Schande. Es war alles ruhig geworden in ihm. Bauer? Er war ja zeitlebens kein so rechter Bauer geweseu, der mit seinem Grund und Boden verwachsen ist wie Baum und Rinde. Gefallen hatte ihm der schöne Hof schon, wenn er aber wie die anderen mit Hand anlegen sollte, hatte er es immer wie eine Rackerei empfunden. So war es ihm schon in der Jugend ergangen, und sein Vater hatte nichts dagegen einzuweichen gehabt... Wie es nun werden sollte?... Ach, was!... Da war der Lenz noch da. Zu was hatte er ihn denn studieren lassen?.. Das Leben würde man wohl haben. Am Drcikönigskage ging der letzte Dienstbote. Und gleich nach dem Fasching kam es zur Versteigerung. Als Stingel erfuhr, daß der Nachbar Sölch der Ersteher sei. nickte er. Ter hatte ja das meiste darauf, der mußte ausbieten! Einige Wochen Zeit, damit er sich nach etwas anderem umschauen konnte, würde der ihm schon lassen... *» Es war noch früh am Tage, als Sölch aus seinem Hofe trat, um von dem Nbgchaustcn sein neues Besitztum zu übernehmen. Der hatte es selbst so gewollt, um fortzukommen, ehe die Bauern zu Felde fuhren. Die Sonne war schon heraus, da und dort strich flatternd eine Lerche über die Wintersaat, ihr Lied probierend. In den Zicgelhütten war es noch ruhig; die Arbeit für dieses Jahr hatte noch nicht begonnen. Sölch hatte nur einige Schritte zu gehen, über den Fahrweg hinüber. Die Wohnhäuser der beiden Höfe lagen einander gegen- über, schauten beide mit der Stirnseite nach dem Dorfe hinab. Und die paar Schritte hatte er seit beinahe einem Menschen- alter nicht einmal gemacht! Haus an Haus hatten sie gelebt, und keiner war in die Stube des anderen gekommen; ihre Geschäfte hatten sie draußen abgeschlossen. Beide Flügel des Hostores waren weit aufgerissen. Im weiten, kahlen Hofraum, in dem auch nicht ein Hühnerrauncn sich bemerkbar machte, ein Steirerwagcn mit einem schinächtigen Braunen bespannt, reisefertig. Als Solch auf die Granitplattcn des Flötzes trat, hallten seine Schritte wie in einem Gewölbe. Noch etwas fiel dem Bauer auf: Die Hundehütte war leer. Vater und Sohn saßen am Tische. Sie mußten gerade mit dem Essen fertig geworden sein. Der Junge wickelte einen übrig gebliebenen Brotranken in ein Tuch und steckte ihn in die Rocktasche. Sofort erhob sich der Abgehauste und legte eine Handvoll Schlüsseln vor Solch hin. der auf der Fensterbank sich niedergelassen. „Soll ich oder der Lenz mitgehen?" Sölch wehrte ab. „I kenn' ja den Hof von früher... Was pfändbar war, ist weg... Hast Du. was von Deiner Frau stammt, mitgenommen?" Stingel stand an den Tisch gelehnt. „Fort ist's... Aber das ist dem Lenz seine Sach... Geht mich nichts an und keinem anderen was!" Das klang spitz. Sölch blickte seinen Todfeind voll an... Der sah ja gar nicht aus, als hätte ihn ein Unglück getroffen! Das volle Gesicht war glatt rasiert, kampflustig blickten die Augen. In Sölch schoß die Wut empor. Höhnisch sagte er: „Hast's notwendig, groß zu tun!" »Bist hergekommen, um mich klein zu machen?" „Kleiner als Du bist, kann man schon gar net werden, mein' ich." .Du
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23 (9.5.1906) 88
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