beitszimmers ein kleines winziges Menschlein, einen Homunculus, zu erzeugen, der dann die auf ihn verwandte Liebesmühe dadurch belohnen sollte, daß er seinem Erzeuger das fernere Nachdenken ersparte, da der so wunderbar Gewordene auf jede Frage eine Antwort wissen würde. Die Zeiten des Homunculusglaubens sind freilich vorüber aber bis zu dieser Stunde hat sich namentlich bei den Landbewohnern vielfach noch der Glaube erhalten, daß Flöhe und anderes Ungeziefer entstünden, wenn man Urin auf Säge- späne gösse, und die Urzeugung der Bakterien und Urtierchen fand noch vor wenigen Jahren in der Wissenschaft eifrige Verteidiger. Nachdem die Naturwissenschaften bereits in jenen frühen Zeiten auf einen so hohen Standpunkt gehoben waren, berührt es um so schmerzlicher, zu sehen, wie schnell sie nach Aristoteles ' Tode in Verfall gerieten und flachster Aberglauben an die Stelle des Strebens nach wissenschaftlicher Erkenntnis trat. Selbst der lange Zeit weit über Gebühr geschürte P l i n i u s der Aeltere, der im Jahre 79 nach Christi als Befehlshaber der römischen Flotte von Misenum bei dem furchtbaren Ausbruche des Vesuv seinen Tod fand, ist nicht vielmehr, als ein oft sogar recht wenig zuverlässiger Zusammenschreiber, der kritiklos alles zusammentrug, was und wo er es gerade fand, ohne es auf seinen wissenschaftlichen Wert zu prüfen. Von aristotelischem Geiste ist bei ihm nur sehr wenig noch zu spüren, und seine Einteilung der Tierwelt in Land-, Wasser- und Lufttiere, die bis zum Ausgange des Mittelalters die herrschende blieb, ist nicht viel wissenschaftlicher, als wenn er sie, wie Weismann es ausdrückt, nach dem Alphabet geordnet hätte. Und so ging der Verfall der Wissenschaften weiter und weiter, schon während der römischen Kaiserzeit und mehr noch im düsteren Aber- glauben des Mittelalters. Erst mit dem Auftreten des Begründers der Astronomie, Nikolaus Köper nikus, mit Galileis berühmten aus der Enge des Kerkers herausgeschleuderten Worten:Und sie bewegt sich doch!", mit Keplers Entdeckung der Bahn der Planeten und endlich mit Newtons Begründung des Gesetzes der Schwerkraft, stürzt der blinde Autoritäts- und Togmenglauben, stürzt die unbeschränkte Herrschaft der Kirche und ein neues Zeit- alter der naturwissenschaftlichen Forschung bricht an. Kleines f eirilleton» oe. Die Beschäftigten. Sie paßte nicht recht in das kleine, enge Zimmer. Ihre Spitzenbluse war duftig und zart, in lauter flatternden Volants und Rüschen fiel sie um'ihre schlanke Figur. Der hellblaue Tuchrock legte sich in langen weichen Schleppfalten übpr den Teppich, dazu trug sie einen feinen hellen Strohhut mit lang nachwehenden bläu- lichen Schleiern, einen Sonnenschirm aus weißer Seide und lange Handschuh aus kostbaren Spitzen. Ein Bild des raffiniertesten Luxus und nberlegendster Toilettcukuust saß sie Helene gegenüber. Die trug einen schlichten Wollrock und eine Waschbluse, alles sauber, aber einfach, ein Arbeitskleid, gerade passend für eine, die an der Nähmaschine ihr Brot verdient. Augenblicklich freilich stand die Maschine still. Du hast es gerade gut getroffen, Cilly," sagte Helene.Mutter ist liefern, wir fangen erst morgen früh wieder cin zu arbeiten. Ach, solche Pause tut mal wohl I" Sie reckte ihren schlanken Körper und fpannte die Arme weit aus. Wir haben uns schon gewundert, daß sich niemand von Euch sehen läßt," erwiderte Cilly.Seit vier Wochen keine Seele." Ja, was denkst Du denn? Wir haben gearbeitet, es war ja Saison, ich hatte noch drei Mitarbeiterinnen außer dem Hause". Aber m a l konnte doch einer kommen!" Cillys Stimme klang vorwurfsvoll.Und wenn's auf'ne Stunde war. Mama war schon ordentlich böse." Ja. das sagst Du so; wir haben doch jetzt Saison, da zählt jede Stunde. Wir haben sogar die Sonntage durchgearbeitet und inanche Nacht dazu." Na ja, dann freilich I" Cilly nahm die Entschuldigung gnädig an. Das habe ich ja aber Mama auch gesagt. Ich habe ihr gleich gesagt, Tante Marie und Lenchen haben gewiß zu arbeiten, so iin Frühjahr bringt ja die Schneiderei das meiste. Aber Mama will das ja immer nicht glauben, sie meint ja immer, mal müßtet Ihr doch Zeit haben." Na, dann sag' ihr nur jetzt, daß wir keine hatten." Helenens Stimnre klang etwas scharf:Wenn Ihr solche Sehnsucht nach uns hattet, konntet Ihr übrigens auch mal zu uns kommen; daß Du nicht mal gekommen bist, hat mich schon längst gewundert." Ja." Cilly wurde etwas verlegen.Wir haben ja auch mal kommen wollen, aber es kam dann immer was dazwischen. Ja, wir haben eben auch zu tun." Das letzte klang sehr großartig. Um Helenens Mund zuckte ein etwas ironisches Lächeln:So? Habt Ihr?" Da brauchst Du gar nicht drüber zu spotten. Mama hat ihre Wirtschaft; was denkst Du denn, fünf Zimmer, die bringen Arbeit I" Ja, für die Tieustmädchen", sagte Helene trocken. Ach, die Dienstmädchen". Cilly nahm einen altklugen Ausdruck an, sie sprach offenbar nur noch, waS sie aufgeschnappt hatte.Die Dienstmädchen machen gar nichts, die scheuern bloß und bürsten, und wenn man nicht inimer hinterhersitzt.. Lassen sie mal auf'ner Nippesfigur ein Stäubchen liegen, nicht wahr?" Wie Du das wieder sagst." Cilly wurde empfindlich.Das Staubwischen mache ich jetzt überhaupt. Ja, ich Hab auch meine Be- schäftigung. Mama sagt,'n junges Mädchen muß sich beschäftigen. Ich staube jetzt alle Morgen ab, das heißt, natürlich mir oben, die Tischfüße und das, Ivo man sich bücken oder auf'n Stuhl steigen muß, macht das Mädchen". Nun ja, dann Haft Du ja allerdings reichlich zu tun l" Hab' ich auch!" Cilly�nickte.Mit dem Staubwischen ist es doch nicht allein gemacht! Sieh' mal, ich lerne doch jetzt auch kerb- schnitzen und Hab' jede Woche zwei Stunden und zu Hause übe ich noch, da sitze ich auch jeden Tag und schnitze eine Stunde; das macht müde kann ich Dir sagen." So?" Cilly beachtete den Ausruf nicht.Ja, Du scheinst wirklich zu denken, ich faulenze so herum. Neulich, als die Hauslisten kamen, habe ich auch Geld gesammelt für die Ferienkolonie und bin einen Tag durch unsere ganzen Vor- und Hinterhäuser gegangen, und dann muß ich Klavier üben und Briefe schreiben ich schreib' mir mit drei Pensionsfreundinnen Briefe Du kannst Dir ja denken, was da zusammenkommt I" Kann ich mir denken, jeder Brief zwanzig Seiten." Na wenn auch das nicht, aberachte werden es manchmal, lind dann sticke ich noch'ne Tablettdecke für Tante Sophie zum Gebnrls- tag, und für Onkel August schnitz' ich'n Zigarrenkasten, und dann wird man mal eingeladen oder muß in'n Konzert oder geht ins Theater, na, mit einem Wort: es ist immer und ewig eine Hetze bei uns. man weiß nie, was man zuerst machen soll." Das scheint mir auch so", sagte Helene.Da konntet Ihr allerdings nicht zu uns konimen, und es ist noch sehr nett, daß Du Dich heute hast sehen lassen." Ich habe mir die Stunde auch abgestohlen", lachte Cilly. Und jetzt mutz ich wieder gehen, ich muß heute noch an einem Gedicht lernen, ich mache nächstens einen Polterabend mit." Auch wieder'ne Arbeit I" Um Helenens Mund lag noch immer das ironische Zucken. Cilly sah es nicht, sie seufzte:Ach ja, ich wollte, ich hätte sie erst hinter mir, ich lerne so schwer." Sie reichte der Kousine die Hand:Jetzt muß ich aber wirklich gehen, grüß Deine Mutter und laßt Euch doch mal sehen, wartet doch nicht, bis wir kommen, Du weißt ja nun, wie beschäftigt wir sind." Ja", nickte Helene,das weiß ich nun, am Ende seid Ihr noch beschäfttgter" als wir, trotzdem wir doch zu arbeiten haben." Kulturgeschichtliches. kh. Tiimonen bei den alten Babyloniern. Wohl nichts führt tiefer in die typischen Formen der alten babylonischen Religion ein, als eine Betrachtung der mannigfachen abergläubifchen Zeremonien und Dämonenbeschwörungen, über die wir jetzt durch ein ungeheures, ans Licht gefördertes Material eingehendste Aufklärung erhalten haben. Die Resultate einer weitverzweigtei Forschung über diese Wahrsagerei und den Dämonenglauben der alten Babylonier und Assyrer faßt Dr. Otto Weber in einer kleinen Schrift zusammen. Die Texte, die uns davon Kunde geben, reichen bis in die vor- semitische, also für uns vorhistorische Zeit zurück, denn sie sind zweisprachig abgefaßt, in der ursprünglich den Bewohnern des süd» lichen Babylons eigenen sumerischen Sprache und in einer baby- lonisch-semitischen Uebersetzung. Auch der Inhalt weist auf Fornicn der Kultur hin, die vor der Homurabizeit liegen, sodaß auch Texte, die nur in späteren Abschriften erhalten sind, dennock in das dritte Jahrtausend vor Christus gesetzt werden müssen. Die wichtigsten Quellen für die Kenntnis der Dämonenbcschwörungen sind die Formeln und Gebete, die hauptsächlich in den Abschriften der Bibliothek Assurbanipals erhalten sind und in verschiedenen Serien von beträchtlichem Umfange vereinigt waren. Die Zeremonien wurden von bestimmten Bcschwörungspriestern ausgeübt, die eine streng organisierte Zunft bildeten und von einemOberbeschwörer" geleitet wurden. Das Amt dieser Priester, das sich vom Vater auf den Sohn vererbte, bestand darin, den von Krankheit befallenen Menschen von den bösen Dämonen, die sich um seiner Sünde willen seiner bemächtigt haben, zu befreien. Der Mcnfch der babylonischen Vorzeit war unaufhörlich von schlimmen Geistern umgeben, die auf den geringster Anlaß lauerten, den Armen zu verderben. Un- zählige Ursachen, durch die der Mensch in Krankheit und Elend der- fällt, sind in den Beschwörungsformeln aufgezeichnet. Nicht nur. wenn er die Götter beleidigt, sondern auch wenn er sich mit den Mitgliedern der Familie entzweit hat nach dem streng patriarcha- tischen Bewußtsein der nomadischen Völker cin schweres Vergehen wenn er eine falsche Wage gebraucht oder gelogen, ja nur auf dem Stuhle eines Gebannten gesessen oder ihn berührt hat, der- fallt er der Macht des Dämons, der ihn von allem Irdischen ib- fondert und ganz mir furchtbaren Qualen erfüllt. Diese düstere Schar der bösen Geister ist aus dem grauenvollen Totenreiche ans Sonnenlicht gestiegen: im. Sturm und im Nebel sausen sie daher, umkreisen beständig die menschlichen Wohnungen, und kein Schau- spiel ist ihrem Auge widerlicher, als wenn Friede, Frömmigkeit und Tugend herrschen. Wenn der Sterbliche vom Tode überrascht wird, bevor er auf Erden sein Wert vollendet, dann läßt es ihn» im Reich der Schatten keine Ruhe, als ein unheimlicher Gast