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Den Kuckuck werd' ich na, das fehlte noch!" Der Hausherr lachte laut auf. Nein, mein Junge, die Cilla in Ehren, aber sie Schlittschuh laufen zu lassen, das wäre denn doch ein bißchen übertrieben! Nicht wahr?".

Er sah zu seiner Frau hin, die ganz gegen ihre Gewohn­heit laut mit den Tassen klapperte. Sie sagte nichts, fie nickte nur stumm mit gänzlich veränderter, kühler Miene.

Der Knabe begriff das nicht: warum sollte die Cilla nicht Schlittschuh laufen?! Hatte die Mutter was gegen fie? Komisch! Immer, wenn ihm was so recht, recht gefiel, ge­fiel's ihr nicht!

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Er stüßte, an seinem Arbeitspult sigend, den Kopf in beide Hände; der war ihm schwer. Die Augen brannten ihm und tränten, wenn er sie fest aufs Heft richtete er mußte doch wohl müde geworden sein. Das wurde keine gute lateinische Arbeit! Im Geist sah er schon, wie der Lehrer die Achseln zuckte und ihm, über so und so viel Köpfe weg, das Heft auf die Bank feuerte:" Schlieben, zehn Fehler! Junge, Mensch, zehn Fehler! Wenn Du Dich nicht zusammennimmst, tommst Du Ostern nicht mit nach Quarta herüber?!"

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Und das Reisen wird ihm leicht gemacht. Alle Eisenbahngefell­schaften gewähren Vergünstigungen, arrangieren besondere Routen für Sommerfahrten, zu denen sie Billetts von entsprechend längerer oder fürzerer Gültigkeit zu bedeutend ermäßigten Preisen bei Schnellzugsbenuhung ausgeben. Von Palmsonntag an beginnt die Reisezeit mit ihren verbilligten Gelegenheiten und dauert bis Ok­tober. Aber auch dann sind auf manche der gelösten Billetts, be sonders auf die sogenannten billets de bains de mer", Billetts für die Meerbäder, Verlängerungen möglich zu ganz geringen Auf­schlägen. Dreißig Kilo Freigepäck werden jedem Inhaber einer felchen Karte zugestanden. Gewisse Routen fönnen zu jeder Zeit angetreten werden, mit jedem fahrplanmäßigen Zuge, drei Tage nach Lösung der Karte, andere, und gerade die billigsten, die je haben, gelten nur zu einem bestimmten Zuge für die Hinfahrt, dem nach der Entfernung höchstens eine Gültigkeitsdauer von zehn Tagen fogenannten Train de plaisir, Vergnügungszuge. Die berbilligten Gelegenheiten werden ausgiebig benutzt. Besonders zieht das Meer an. Die Eisenbahngesellschaften du Nord und de l'Ouest haben noch besondere Gelegenheiten für den Sonntag geschaffen, so daß man am Sonnabend mit dem Abendschnellzug abfährt und am Sonntag früh am Meer ist, vom Gare Saint Lazare   aus nach Havre, vom Gare du Nord   aus nach Dieppe  . Dann kann man den ganzen Sonntag am Meere zubringen und mit einem sehr günstigen Abendschnellzug zurüdfahren. Die billigste Retourkarte von Paris  bis ans Meer kostet, glaube ich, 4,50 Frank oder 5 Frank. Wer sich dafür interessiert, muß die Zeitungen und Affichen fleißig nach­sehen. Fortwährend werden neue Gelegenheiten angezeigt. Gerade die Arbeiter machen viel Gebrauch von diesen Ausflugsgelegenheiten. Stadt gekauft, um in einer fleinen Wirtschaft, wo angeschrieben steht: Hier kann Essen   mitgebracht werden", verzehrt zu werden. Ein Liter Rotwein für 30 Centimes dazu, die Bigarette gewidelt, und man ist Grandseigneur. Es reist sich gar nicht übel mit Bariser Arbeitern. Sie sind unterhaltsam und wissen zu plaudern. Nur eines ist unangenehm: das Spuden. Das ist aber ein fran zösischer Nationalfehler. Sonst ist der französische   Arbeiter stolz barauf, zuvorkommend und wohlerzogen zu sein. Er zeigt, daß er Kultur hat. Wo er einem eine Gefälligkeit erweisen kann, erweist er fie. Und hat er sich etwas Gutes eingewickelt von zu Hause einen schönen, gebratenen Poulet, so wird er nicht verfehlen, einem das schönste Stück anzubieten. So ein Pouletschentel eignet sich ja ausgezeichnet dazu. Ich habe öfters redlich mit ihnen geteilt und oft auch meine liebe Not gehabt, das Angebotene ohne zu beleidigen abzuschlagen. Kommt man dann nach Deutschland   zurück, so wundert man sich, wie ausgiebig man statt der Höflichkeiten und Ge­fälligkeiten Büffe und Stöße und grobe Worte ausgeteilt erhält. Man kann einen Franzosen nicht tiefer beleidigen, als daß man ihm sagt, er sei schlecht erzogen und grob. In Deutschland   pocht man extra noch darauf, denn das ist Kraft. Das nebenbei.

Pah das war ihm ja ziemlich egal nein, eigentlich ganz egal. Es war ihm überhaupt jezt alles egal, schrecklich egal! Er fühlte sich auf einmal todmüde. Warum sie nur der Cilla nichts gönnen wollte? Die erzählte doch so fein! Was hatte sie doch gestern abend, als die Eltern aus waren und sie sich an sein Bett geschlichen hatte, erzählt? Von Proviant wird entweder mitgenommen oder in der betreffenden von?! Er konnte nichts mehr zusammenbringen, seine Ge­danken verwirrten sich.

Der Kopf fant vornüber aufs Pult; die Arme lang vor sich über seine Bücher gestreckt, schlief er ein.

Als er erwachte, mochte wohl eine Stunde vergangen sein, aber er fühlte sich doch nicht ausgeruht. Fröstelnd, mit starren Augen sah er sich im Zimmer um. Alle Glieder taten ihm weh.

Und sie taten ihm auch die Nacht durch noch weh, er fonnte nicht schlafen; mit schweren Füßen schleppte er sich am anderen Nachmittag auf die Eisbahn,

Viel früher als sonst kam er vom Schlittschuhlaufen wieder nach Hause. Er mochte nichts essen und nichts trinken, immer fam ihm eine Uebelfeit an. ,, Sieht der Junge heute grün aus," sagte der Vater. Die Mutter strich ihm besorgt die Haare aus der Stirn: Fehlt Dir was, Wölfchen?" Er berneinte.

Aber als wieder der Abend gekommen war und der Wind draußen in den Kiefern flüsterte und eine gespenstische Hand an die Fenster rührte-huh, eine kleine weiße Hand wie in Cillas Lied-, lag er im Bett, schüttelte sich vor Frost, trotz der weichen, warmen Decke, fühlte, daß ihm der Hals weh tat und daß es in seinen Ohren stach und brannte. Er ist frank", sagte Säte sehr besorgt am Morgen. Wir wollen doch gleich Hofmann kommen lassen!"

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Ach, es wird schon nicht so schlimm sein," beruhigte der Mann. Laß ihn im Bette, gib ihm Zitronenlimonade zum Schwitzen und auch was zum Abführen. Er hat sich den Magen verdorben oder ist erkältet!"

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Scharlach?!" Käte glaubte in die Knice sinken zu müssen-o, davor hatte sie sich immer so sehr gefürchtet! ( Fortsetzung folgt.)

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Die Osterfeiertage gelten meist der näheren Umgebung. Man geht von Paris   aus nach Saint Cloud  , nach Versailles  , Saint Ger­main, Argenteuil   und vor allem in die beiden Bois im Bannkreis der Hauptstadt: Bois de Boulogne   und Bois de Vincenne. Bei allen Ausflügen, näheren und entfernteren, spielt ja nun das Rad ins Land: man fährt nach Fontainebleau  , das Schloß mit seinen eine Hauptrolle. Die Pfingstfeiertage führen dann schon weiter Sammlungen und Schäßen zu besichtigen. Kopf an Kopf drängt sich dann in den Sälen, die mit den Gemächern Napoleons I. endigen, nachdem sie gewissermaßen durch die ganze Geschichte Frankreichs   geführt haben. Ein pracht- und prunkvolles Geschichts­buch, eine illustrierte Kultur-, Zeit- und Stilgeschichte treten Aber schon am Mittag mußte der Arzt herbeitelephoniert einem lebendig entgegen. Die Kultur Frankreichs   ging von den werden. Der Knabe lag, nicht mehr klar, in hohem Fieber. Schlössern aus. Die Kultur Deutschlands   wurde von den Schlössern Scharlach!  " Prüfend besah der Sanitätsrat die entweitert fich gewissermaßen in den Wald von Fontainebleau, der, aus aufgehalten. Der wunderbare Park von Fontainebleau   er­blößte Brust und zog dann sorgfältig die Decke wieder höher. wenn mich meine geographischen Kenntnisse nicht täuschen, der ,, Aber der Ausschlag ist noch nicht recht heraus!" größte von Frankreich   ist. Zu Fuß und zu Wagen durchwandert man ihn. Führer bieten sich einem in Fontainebleau   an, Einzel­fahrten und Kremserfahrten werden arrangiert. Am liebsten geht man hinaus nach Moret, einem fleinen, alten Städtchen, in dem sich das Alte erhalten, etwa wie in Rotenburg  , nur nicht so reich und geschlossen. Es ist nur eine Straße eigentlich, man geht zum einen Tor hinein und wird dann bis zu der Brücke des Loing geführt, der hier in die Seine mündet. Vor der Loingbrücke steht das zweite Tor, in dem auch das Gefängnis war. Ein wunderbares Tal, wunderbare, malerische Häusergruppen, prachtvolle Wassers Die Franzosen   reisen nicht viel im Ausland. Ich möchte bei­partien, eine alte Mühle, mit einem schäumenden Wehr, nahe sagen, sie sind zu eitel dazu. Wie sie als" Grande Nation" weite Wiefen mit den schlanken Pappeln, wie sie Monet   gemalt hat. von ihrem Ruhm und ihrer Kultur zehren, so daß sie auf andere Ge wimmelt von Malern hier, sogar einen jungen Deutschen   traf Länder herabsehen können, so stellen sie auch ihr eigenes Land ich da. Hier hat der Impressionist Sisley gewohnt, und viele seiner über alle anderen Länder. Wie wir etwa von Italien   schwärmen, Landschaften sind aus der Umgebung des alten Städtchens ge­das wäre für einen Franzosen unmöglich. Kein Wunder freilich, nommen. Für die Kunstgeschichte   Bedeutung hat auch Barbizon  , er hat Teil an den Pyrenäen  , er hat die Riviera und er hat wo Millet gemalt hat und von wo eine neue Walschule ausgegangen Algier  ! Er hat in seinem Lande Gebirge und Wälder. und er hat ist. Nach Marlotte zu ist man auf Maupassants Spuren. das Meer: das Mittelländische Meer, den Atlantischen Ozean   und den Kanal. Er hat die Küste der Nord- und Südbretagne, die Normandie   und die wunderbaren Inseln des Kanals, der Finistère tüfte und des Morbihan  . Was braucht er da Ausland! Es fehlt ihm darum an Kenntnis fremder Länder und Völker, aber er hat eine eingehende Kenntnis seines eigenen Landes. Sein Land bereift der Franzose eifrig.

Pfingftausflüge der Parifer.

Fällt einer dieser Feiertage, Ostern oder Pfingsten, auf den ersten oder dritten Sonntag des Monats, so ist natürlich Versailles  geradezu überschwemmt. Denn dann gehen ganze Bilgerzüge nach den Herrlichkeiten des Schloffes und Parkes Ludwigs XIV., die Wasserkünfte zu sehen, die immer nur am ersten und dritten Sonn­tag des Monats spielen, weil es zu teuer fäme, sie öfter spielen