man mutz die Augcn offen halten unf�nm sich schauen, um all die Pracht und Ueppigkcit zur rechten Stunde genießen zu können. Wenn man um diese Zeit nur einmal wenige Tage dem Garten fern bleibt, ist man erstaunt über die gewaltigen Veränderungen, die sich in solch kurzer Zeitspanne vollziehen können. ES war am Pfingstmontag I Wie immer an Sonn- und Fest- tagen hatte ich die Nacht in meinem Garten verschlafen. Ta suche ich mit Eintritt der Dämmerstunde mein hartes Lager auf, um es beim ersten Hahnenschrei wieder zu verlassen. Herrlich ist die freie Natur in solcher Morgenfrühe. Glühend rot geht fern im Osten der gewaltige Sonncnball auf, an den Blättern, Blüten und Gräsern spiegeln sich Millionen von Tautropfen, sie funkeln wie Perlen und Diamanten und verfluchten mit dem Höhersteigcn der Sonne, indem sie eine erquickende Feuchtigkeit und Frische verbreite». Mag der Tag noch so trocken und heiß gewesen sein, der Tau der Nacht bringt Erfrischung, und am frühen Morgen sieht wieder alles wie neu- geboren aus. Also, es war in der Frühe am Pfingstmontag. Ruhig durchmaß ich die Gartenwege, erfreute mich an den Blüten, an den schwellenden Aepfeln und Birnen, und legte hier und da, wo es not tat, die helfende Hand an. Es gibt ja zu dieser Jahreszeit Arbeit in allen Ecken und Enden. Hier macht sich das Unkraut breit, da ist ein Saat- beet zu gießen, dort wollen die Kohlgcwächse behackt und behäufelt sein, und dann haben sich auch auf unseren steten Sorgenkindern, den Obstbäumen, Schädlinge, namentlich die verderblichen Räupchen der Knospenwickler, breit gemacht. Sie Hausen in zusammengerollten Blättern und müssen in denselben zerdrückt werden. Eine gegen die meisten anderen Schädlinge wirksame furchtbare Giftbrühc, be­stehend in einer Lösung von Arsenik  , Kupfervitriol und Actzkalk, in reichlicher Verdünnung, IM Kilo des fertigen Mischpulvers in 10l> Liter Wasier, mit einem Reiserbejen tüchtig verrührt, stört diese kleinen Scheusale durchaus nicht; sie sitzen sicher in ihren zusammen- gesponnenen Blattröhren und warten mit ihrem Fraß bis neues, giftfreies Laub nachgewachsen ist, was in jetziger Jahreszeit nur Stunden erfordert. Aehnlich machen es die Blattläuse, diesen rückt aber mein Nachbar, ein Zigarrenfabrikant, mit Tabakstaub auf den weichen, vollgefressenen Leib, indem er den Schmarotzern am Morgen, wenn das Laub noch voni nächtlichen Tau durchnäßt ist, mit einem Blasebalg den Giftstaub ins Gesicht bläst, oder indem er eine Ab­kochung von Tabakstaub herstellt, sie durch ein grobes Leinentuch filtcriert, und dann die verdünnte Brühe mit einer sie in feinster Zerstäubung abgebenden Blechspritze in das Laubwerk befördert. Bei früh reifendem Obst, namentlich bei Becrenfrüchten, laste man aber diese Tabakkur, denn diese Früchte werden dadurch ungenießbar. Die kleinen Arbeiten, welche die Morgenfrühe mit sich brachte, waren verrichtet, ich hatte gerade meine Brieftauben und die prächtigen, sich auf freiem, mit Birken bestandenen Laufplatz tummelnden weißen Wyandottes-Hühncr, die ich als gute Fleisch-, fleißige Lege- und ansprechende Schmuckhühner hochschätze, gefüttert, als ich in der Ferne über dem versandeten Triftweg mit Staunen eine mächtige Karawane heranziehen sah. Es waren Prietzkes, die heute meine Gäste sein sollten und an die ich fast vergessen hätte. Jetzt waren sie nahe dem Feldbach  , der die Wiese teilt, allen voran die dicke und vornehme Tante Röschen aus Franz.-Buchholz, mit hoch aufgeschürztem schwarzen Kleiderrock und mächtigem weißen Strohhut, auf welchem ein ganzer Hahnenschweif im Winde flatterte, dann kamen Prietzke und Frau, wie immer Arm in Arm, trotz zwanzig ehelicher Kriegsjahre, in welchen sie stets gesiegt hatte, dahinter Meier aus Rixdorf und zuletzt die sechs Töchter in ihren blütcnweißen Blusen. Ich konnte mich nicht mehr halten, ich mußte ihnen entgegen- eilen, und gemeinschaftlich, unter dem jubelnden Gesang der Töchter, welcher sich mit dem Trillern der in die reine Morgenluft cmporkletternden Feldlerchen mischte, zogen wir als glückliche, die Werktagslast vergessende Menschen im Gänsemarsch durch das breite Gartentvr. Jetzt war die Reihe zum Staunen an Prietzkes; und sie staunten über all die kleinen Herrlichkeiten, die hier im AlbertS- Hain bei Fredersdorf   der vordem arme märkische Sand hervor- bringt. Frau Prietzke konnte den Kohl und die Kohlrabi nicht genug bewundern, sie schwärmt für grüne Gemüse, die Tante blieb zunächst beim Klatschmohn hängen und setzte sich dann in die Erdbeeren, um zu pflücken, was das Zeug halten wollte, die Töchter machten sich an den blühenden Roscnbüfchen zu schaffen und Prietzke ging zur Laube, um den die Blütenknospen, die Gcscheine, zeigenden weißen Gutedel zu betrachten, der bei seinem ersten Besuch des Gartens im April noch kahl war, jetzt aber einenguten Herbst" versprach. Bald sammelten sich alle in der Laube, wo Tante Röschen einen breite» Platz einnahm, während wir anderen zusammengepreßt wie die Heringe saßen und unsere Erfahrungen austauschten. Auch bei Prietzkes hatte der Regen nach langer Trockenheit Wunder gewirkt.Maitönig", der frühe Kopfsalat, die Pariser Karotten, Kohlrabi und Mairettige hatten den ersten Tribut gc- liefert, frühe Erbsen waren pflückrcif, und am Pfingstsonntag hatten Prietzkes Sommerrettigc gefäet, Gurken und Kürbisse gelegt, aber nicht die gewöhnlichen Landgurkcn, nicht die Zentnerkürbistc, an denen man sich von der Laube bis zum Hause krumm schleppen kann, sondern die kleinen persischen Traubcngurken, die, in Essig eingelegt, eine Delikateste sind, und die KürbissorteMirakel" mit schalenlosem Kern, auch hatten sie einige Tomatcnpflanzcn gesetzt. Alle Tage gab's nun frisches Gemüse, und auch die Laube war grün geworden, da Winden und Hopfen mächtig ins Wachsest kamen. Nachdem wir uns tüchtig ausgeplaudert, mußte auch der Magen zu seinem Recht kommen. Ich tischte in der Laube auf, nicht Hummern, Lachs und frischen Bnrcnschinken, sondern Brot mit Wurst und Käse, frische Eier aus dem Hühnerstall und eine kühle Blonde mit Himbeer. Dann ging's an die eingehende Besichtigung meines Gartens, wobei Meier das große Wort führte, obwohl er weder Laubenfenster noch Fahnenstange besitzt; bei den Agrariern heißt's weder Ar noch Halm. Er wollte alles besser wissen als ich, his es sich schließlich herausstellte, daß er mein praktisches Taschen- buch für Gartenfreunde in der Rocktasche stecken hatte; er hatte es sich heimlich beim Buchhändler geholt und so eifrig darin studiert, daß er jetzt überall in gärtnerischen Fragen die erste Geige spielt und sich demnächst als Parzellenbesitzer in Kiekcmal niederlassen will. Den Nachmittag widmeten wir einem Spaziergang in die Wälder und Laubenkolonie der Umgegend. Im Albertshain, in Neu-Vogelsdorf, in derLustigen Sieben", wo ein Berliner   Tischler sein Landhaus mit der weithin sichtbaren Inschrift:Zur gemüt- lichen Armut" versehen hat, und ein Berliner   Maurer seit zwei Jahren in freien Stunden allein an seinem Hause baut, das zum Winter im Rohbau fertig sein soll, gab es so manches zu sehen- Dann ging's zur großen und zur neuen Kolonie Petershagen  , zur Kolonie Bruchmühle, deren Gründer im Vorjahre ausgerückt ist, nach Baufelde und von dort zurück nach meinem Garten. Während ich mit Prietzke und Meier zum nahen See pendelte, wo wir ein erfrischendes Schwimmbad nahmen, nachdem ich zuvor vor der mit Wasserpflanzen durchwachsenen Stelle gewarnt hatte, an welcher mich in diesem Jahre beinahe das gleiche tragische Geschick ereilt hätte, dem der den Lesern dieses Blattes bekannte Dr. Kurt Grottewitz im Vorjahre im Müggelsee erliegen mußte. Unsere Ab- Wesenheit benutzte die vornehme Tante Röschen, die sich schon am Vormittag an meinen Erdbeeren den Magen überladen hatte, zu einem Verdauungsschläfchen in der Hängematte, während die Töchter tapfer Erdbeeren pflückten und Frau Prietzke aus einem kleinen Fäßchen den Mosel abzapfte und dann die Bowle braute. Tie Tante blieb in der Hängematte hängen, wir anderen satzew beim trauten Lampcnschein in der grünumrankten Laube und leerten die Bowle bis zum letzten Tropfen. Was wir plauderten, soll Geheimnis bleiben, nur soviel darf ich verraten, daß die zwölfte Stunde geschlagen hatte, als wir, die Töchter reich mit Beeren und Blüten beladen, durch die dunkle Nacht marschierten, um noch mit dem letzten Zuge Berlin   zu erreichen. Max Hesdörffex, kleines Feuilleton. st. Lilith  . Dieser weibliche Dämon oder richtiger diese Obers» der weiblichen Dämonen, welche den Äollektivnamen Lilin führen (mit der chaldäischen Pluralendung in), und die auch in Goethes Faust  "(Blocksbergszene) austritt, spielt in der Dämonologie deS babylonischen Talmud   eine Hauptrolle, was die Angaben über sie in dem ArtikelDämonen bei den alten Babyloniern" imU.-B." Nr. 101 bestätigt. Der Name Lilith   kommt schon im Prophctenbuch des Jesaja   vor(34, 14), wo es in einem Orakel über die Ver-- Wüstung des Landes Edom  , das unstreitig von einem Verfasser auS der Zeit des babylonischen Exils herrührt, u. a. heißt:Dort wird die Lilith Hausen". Der Name, vom hebräischen Lajelah,Nacht  ", bedeutet die Rächt» liche, also Nachteule, oder Nachtgespenst, wofür daS unheimliche Wesen und Schreien der Nachteule das Motiv ab- gegeben haben mag. Sie ist wohl verwandt mit der von Ovid  erwähnten Strix der Römer, der Ohreule, die nach dem römische» Ammenmärchen den Kindern in der Wiege das Blut aussog und giftige Milch aus ihren eigenen Brüsten einmelkte; vielleicht auch init der bei AristophaneS   in denFröschen" und derWeibervolks« Versammlung" erwähnten Emstusa, das von der Hexenkönigin Hekate ausgesendete Gespenst mit rotem Gesicht und ehernem EselS- fuß; gewiß aber auch nut der grausamen L a n i a, der ehemals schönen Königin Libyens  , welche Kinder stiehlt und tötet. Auf neugeborene Kinder hat es Lilith   besonders abgesehen. Um die Kinder vor ihr zu schützen, sieht man noch jetzt in vielen jüdischen Wochenstuben, auch Teutschlands, an den Wänden Zettel mit hebräischen Gebeten und Beschwörungsformeln, worin namentlich drei Engel mit den seltsamen Namen Siimi, Sinsinui, Smanglaf angerufen werden. Damit hat es folgende Bewandtnis. Nach dem Talmud und späteren rabbinischen Werken war Lilith Adams erste Frau(wie auch Mephisto imFaust" sagt), die wie Adam selbst aus Erde geschassen ivurde, was auf die erste Relation der pentateuchischen Schöpfungssage gestützt wird. Schon bei diesem ersten Ehepaar traten bald Zerwürfnisse ein, weshalb Lilith   eines schönen Tages auf und davon in die Lüfte flog. Darüber beklagte sich Adam bei seinem Schöpfer, welcher der Ausrcißerin die genannten drei Engel nach- sendete. Diese fahndeten nach ihr und erwischten sie beim Schilf» meer. Da sie sich zurückzukehren weigerte, wollten sie die Engel ersäufen. Da flehte sie um Schonung und versprach, sich nur an neugeborenen Kindern zu vergreifen und zwar an Knaben bloß b«S