schmttsschüler—. als die erste Nachtigall schlug, war er nichtmehr in diesem Durchschnitt, und als der Sommer kam, ge-hörte er zu den Letzten der Klasse.Es war zu verlockend, im Garten zu säen, zu pslanzen,zu gieß-n, auf dem Rasen zu liegen und sich den warmenSonnen�immer über den Leib rinnen zu lassen; besser noch,drautzen umherzuschwärmen an den Waldrändern, oder imSee zu baden, weit hinauszuschwimmen, so weit, daß ihmdie anderen Jungen zuschrien:„Komm zurück, Schlieben, DuVersäufst!"„Freu Dich doch, daß er so munter ist," sagte Paulzu Käte.«Denke doch dran, wer hätte, vor einem halbenJahr noch, gedacht, daß er sich so erholen würde?! Esist ein Glück, daß er kein Stubenhocker ist.„Viel frischeLuft," hat Hofmann gesagt,„viel freie Bewegung. OhneSchädigungen der Konstitutionen geht eine so schwere Krank-heit nicht ab!" Also wählen wir von zwei Uebeln doch daskleinere— freilich, der Bengel muß wissen, daß er nebenbeidoch seine Schuldigkeit zu tun hat!"Das ließ sich schwer vereinen. Käte fühlte sich machtloswerden. Wenn des Knaben Augen, blank wie dunkle Beeren,begehrten:„laß mich hinaus", wagte sie ihn nicht zurück-zuhalten. Sie wußte, er hatte seine Arbeiten noch nichtfertig, vielleicht noch nicht einmal begonnen; aber hatte Paulnicht gesagt:„man muß von zwei Uebeln das kleinerewählen", und der Sanitätsrat:„ohne Schädigungen geht eineso schwere Krankheit nicht ab, viel Freiheit"—?!Eine jähe Angst erfaßte sie um sein Leben; noch warendie Schrecken der Krankheit nicht verwunden. Ach, dieseNächte! Diese letzten furchtbaren Stunden, in denen nachdem heißen Bad das Fieber höher und höher gestiegen war,der Puls gerast und das arme Herz gejagt hatte, bis endlich,endlich das Eis aus dem See Kühlung gebracht, und einSchlaf sich gesenkt hatte, der, als im Osten der Himmel rotzu werden begann, und ein neuer Tag durch's Fenster herein-schaute, sich in einen wohltuenden, wunderwirkenden Schweißlöste.Sie mußte den eben Genesenen laufen lassen.Aber daß er sich Cilla an den Arm hing, wenn dieabends noch einen Gang zu machen hatte, daß er ihrschleunigst nachlief, wenn sie nur einen Brief zum Kastentrug, oder daß er ihr einen Stuhl heranschlcppte. wenn tiesich mit ihrem Flickkorb unter den Fliederbusch an der Küchen-tür setzen wollte, das war nicht zu dulden. Als Käte er-fuhr, daß Cilla an ihrem Ausgangssonntag nicht weiter g'e-gangen war als bis zu den nächsten Kiefern ani Waldrandund dort mit dem Knaben stundenlang im Grase gesessenhatte, gab es eine Szene.Cilla weinte bittere Tränen. Was hatte sie denn getan?!Sie hatte Wölfchen doch nur von„zu Hause" erzählt!„Was geht ihn Ihr„zu Hause" an?! Er soll sichum seine Sachen kümmern, und Sie kümmern sich um dieIhren!" Käte war im Zuge, noch mehr herauszusprudeln,zu schreien:„Lassen Sie solche Vertraulichkeiten, ich duldesie nicht", aber sie bezwang sich, wenn auch nur mit Mühe.Sie hätte dieses rundwangige, helläugige Mädchen, das sodreist blickte, ins Gesicht schlagen mögen. Da war selbstFrida Lämke noch vorzuziehen!Aber Frida ließ sich jetzt nicht mehr oft sehen. Sietrug schon den Rock lang bis zum Knöchel und ging in denFreistunden, die ihr die Schule ließ, zum Nähkursus, undwenn sie eingesegnet war, Ostern übers Jahr, dann sollte sie,Wie sie mit großer Wichtigkeit sagte,„nach's Jeschäft".„Ich kiindige ihr," sagte Käte eines Abends, als Cillaeben den Tisch abgedeckt hatte und sie ganz allein niit ihremMann saß.„So?" Er hatte gar nicht recht hingehört.«Warumdenn?"„Darum!" Ein unterdrückter Aerger vibrierte im Tonder Frau— mehr als das, eine leidenschaftliche Erregung.Ihre sonst goldbraunen, milden Augen wurden dunkel undblickten finster in sich hinein.„Du zitterst ja förmlich! Was ist denn nun schonwieder?!" Verstimmt legte er die Zeitung hin, die er ebenhatte lesen wollen. Da war wieder etwas mit deni Jungenlos; nur dann erregte sie sich so!„Es geht nicht länger!" Ihre Stimme war hart, hattejeden Schmelz verloren.„Und ich dulde es nicht! DenkeDir, als ich heute nach Hause komme— ich war gegen Abendeine Stunde fort, kaum eine Stunde—, Gott, Gott, mankann sich doch nicht immer zur Aufpasserin machen, manerniedrigt sich ja vor sich selber!" Leidenschaftlich verschlangsie die Hände, preßte sie so heftig ineinander, daß die Knöchelganz tveiß wurden.„Ich hatte ihn an seinem Pult gelassen,er hatte so viel auf, und als ich wiederkomme, war kein Strichgemacht! Aber unten, hinten vor der Küchentür, da— dahöre ich siel"„Wen denn?"„Nun, Wolfgang und die— die Cilla! Kaum binich fort!"„Nun— und?!"Sie hatte geschwiegen, seufzend, in einem tiefen Kummer«gefühl, das den Zorn aus ihren Augen verjagte«lFortsetzung folgt.H(Nachdruck uevBoleii).Durch daa fjavcllandDraußen im Grunewald drängt sich die Schar der Sonntags-ausflügler, auf allen Wegen und Stegen wimmelt es von Menschen.In den Wäldern an der Müggcl und der Obcrsprec, in der TegelerHeide und nach Oranienburg hinauf ist's dieselbe Sache. UeberallMenschen, Menschen und Menschen; Waldeinsamkeit, du tiefe,stille, Waldfrieden, mit deiner heiligen Ruhe, wo bist du geblieben?Kann der Berliner dich überhaupt noch finden, wenn er müde undgehetzt von der Werktagsarbcit am Sonntag hinaus kommt in diefreie Natur?O ja, er könnte es schon, wenn er sich nur daran gewöhnenwollte, nicht immer und immer und immer wieder dieselben Wegezu laufen. Wenn er es nur einmal unternehmen wollte, sich auchda umzusehen, wo weder die Elektrische noch die Stadtbahn hin-führt und kein„bekanntes Gartenlokal" zum Kaffeekochen und an-deren Vergnügungen einladet.In Schildhorn, in den Pichclsbcrgcn, in Beelitzhof und Wann-see ist es alle Sonntage überfüllt, nirgends ein Plätzchen, wo manungestört rasten kann, wo nicht die Autos vorüberdonnern oder dieRadautute durch die Wälder tönt; drüben, am anderen llfer derHavel, aber liegt das Havelland mit Feldern und Wiesen, mitalten Dörfern und endlosen Wäldern, Wäldern, so einsam, so stillund feierlich, als lägen sie auf Meilen entfernt, aber nicht vor denToren einer großen Stadt.Die Eingangspforte zum Havelland, gewissermaßen der Hafen,ist Cladow, vom„Vorbeifahren" kennt es wohl schon mancher. Wie-viele aber sind drin eingekehrt? Cladow an sich schon ist reizend,niederem Hang emporklctternd, mit einem weiten Ausblick überWasser und Wald vereint es alle Vorzüge eines Berg- und Dünen»dorfes. Ist man die holprigen Straßen emporgestiegen, so genießtman einen Ausblick, der seinesgleichen sucht. Der Wannsce, hierin seiner Vereinigung mit der Havel mehr ein Haff als ein See,liegt in seiner ganzen Breite zu unseren Füßen, rechts und linkshin aber dehnt sich der Fluß, bald breit dahin schießend, bald durch-setzt von Inseln und Werdern, abgegrenzt von den dunklen Höhender Gruncwaldberge und der Wannsccforstcn. Cladow gehört mitzu den ältesten Dörfern des Havellandes, und auch wer das nichtweiß, sieht, daß an dieser Stätte das Leben schon manch Jahr-hundert seinen Gang ging. Wohl sind an der Havel entlang ein-zelne neue Villen und auch in den Dorfstraße» manch modernerBau entstanden, dazwischen hin aber stehen die kleinen Häuschenmit den Rohrdächern, und vor den Türen, auch den modernen,blüht der altmärkische Bauerngartcn in seiner ganzen Buntheit.Pantoffelblume und Rittersporn, Klatschrose, Flox, Vergißmein-nicht, Tauscndschön und Stiefmütterchen leuchten in allen Farben.Um die Laube aber rankt das Jelängerjelieber, und an denWänden empor klettern Epheu und wilder Wein.Von Cladow stehen dem Wanderer verschiedene Wege offen;der eine führt nach Gatow und ist der nächste, der andere überdie Fuchsbcrge, der dritte über Groß-Glicnicke nach Sacrow.Nach Gatow wandert es sich entzückend. Zunächst auf freierStraße zwischen Feldern hin, rechts die Havel und die Grunewald-berge am anderen Ufer zur Seite, kinks das Havelland, mit seinenendlosen Getreidefeldern, die im Winde auf und niedergehen, wieein grünes Meer, mit seinen finsteren Föhrenheiden, die sich sotiesdunkel abheben von dem zarten Graugrün des jungen Korns.In ständigem Wechsel ändert sich das Bild. Jeder Schritt bringteine andere Aussicht oder das alte in neuer Beleuchtung, neuerPerspektive. Haben wir ein kurzes Stückchen Wald durchschritten,so liegt Gatow vor uns, über Hügel sich hinstreckend, von der Havelbespült. Der Mühlenberg gewährt einen herrlichen Ausblick aufdie Landschaft.Von Gatow führt uns der Dampfer nach Schildhorn, von wowir den Bahnhof Grunewald in kurzer Zeit erreichen. Wer nichtgut zu Fuß ist, fährt besser mit dem Dampfer nach Beelitzhoszurück.Wcchselreicher noch ist der Weg nach Sacrow. Wir gehen ent-weder durch Cladow selbst nach der Sacrower Chaussee hinaufoder wir halten uns gleich von der Dampserbrücke links am Waffe»