I5n an dabei, immer flüsternd, aber mit hartnackiger Ein- Dringlichkeit:Leise, leise I" Sie mußte ihm schmeicheln, sonst ging er nicht weiter:Leise, Wölfchen l Geh, geh, Wölfchen so ist's schön. Wölfchen I" Es war eine Höllenqual. Er stolperte und polterte; bei jedem Anstoßen seines Fußes an die Treppenstufen, bei jedem Knarren des Geländers unter seiner dagegensinkenden Hüls- losigkeit, fuhr sie zusammen, und ein banger Schreck lähmte sie fast. Wenn jemand das hörtet Aber weiter, voran! Leise, Wölfchen, ganz leise!" Es klang wie eine Bitte und war doch ein Befehl. Wie er sie vordem bezwungen hatte, mit seinem schweren Arm, so zwang sie ihn jetzt mit ihrem Willen. Alle im Hause mußten taub sein, daß sie diesen Lärm nicht hörten! Der Frau klang jeder Tritt wie ein Donner- gepolter, das sich im weiten Raum mit Rollen fortsetzt und bis in den fernsten Winkel hallt. Paul mußte auch taub sein! Sie kamen an seiner Tür vorüber; gerade am Schlafzimmer der Eltern blieb der Trunkene stehen, er wollte durchaus nicht weiter da hinein nicht einen Schritt mehr weiter! Sie mußte ihn locken, wie sie einst das Kindchen gelockt hatte, das süße Kindchen mit den blanken Beerenaugen, das vom Stühl- chen aus noch weiter b is zum nächsten Halt laufen sollte. Komm, Wölfchen, komm!" Und sie brachte ihn glücklich vorüber. Nun waren sie endlich in seinem Zimmer.Gott sei Dank, Gott sei Dank," stammelte sie, als sie ihn auf dem Bette hatte. Sie war so blaß wie er, dessen blödes Gesicht imnier fahler und fahler wurde im sich hellenden Morgen- grau. Hier hier, ach, das war derselbe Raum, in dem sie einst vor vielen Jahren unendlich lange war's her! um des Kindes teures, geliebtes Leben mit Angst und Zittern gerungen hatte. Ach, wäre er danials lieber gestorben! Wie ein Pfeil, aus allzu straffem Bogen geschnellt, blitz- schnell dahinschwirrt, so durck�wirrte das ihren Sinn. Der Gedanke war ihr schrecklich, sie verzieh ihn sich nicht, aber sie konnte sich seiner nicht erwehren. Mit bebenden Knien stand sie, entsetzt ob der eigenen Herzlosigkeit, und dachte doch: Wäre er damals lieber gestorben, besser wär's gewesen! Hier hier, das war dasselbe Zimmer noch, in dem sie dem Heran- wachsenden die Einsegnungskleider anprobiert hatte! Nun zog sie dem Erwachsenen die Kleider aus; zerrte ihm den Smoking ab, die eleganten Beinkleider so gut es eben ging bei seiner nun völligen Bewußtlosigkeit und schnürte ihm die Lackschuhe auf. Wo war er gewesen? Ein Geruch von Zigaretten und Parfüm und Weinneigendunst strömte von ihm aus: es be- nahm ihr fast den Atem. Da hing derselbe Spiegel noch, in dem sie neben ihren, hellen weichen Frauengesicht das bräunliche Knabengesicht gesehen hatte, frisch und rund- wangirz, ein wenig derb, ein wenig trotzig, aber doch so hübsch in seiner Kernigkeit, so lieb in seiner Unschuld. Und jetzt? Ihr Blick streifte das fahle Gesicht, aus dessen offenem Munde der dunstige Atem mit Schnarchen und Röcheln ging, und sah dann im Spiegel ihr eigenes vcrängstetes über- wachtes Antlitz, in dem alle Weichheit sich verschärst hatte zu harten, vergrämten Linien. Ein Schauer durchrieselte sie; mit ihrer kalten Hand strich sie sich die grauen, verwirrten Strähnen aus der Stirn, ihre Augen zwinkerten, als wollten sie weinen. Aber sie zwang die Tränen nieder: nun durfte sie nicht mehr weinen, die Zeit war vorbei! Sie stand noch eine Weile mitten im Zimmer, regungs- los, mit angehaltenem Atem, die überangestrengten Arme schlaff herunter hängen lassend; dann schlich sie auf den Zehen zur Tür. Er schlief ganz fest. Von außen verschloß sie die Tür und steckte den Schlüssel in die Tasche niemand durfte hinein! Sollte sie sich nun noch zu Bette legen? Schlafen konnte sie ja doch nicht o Gott, die innere Unrast war so groß, aber sie mußte sich niederlegen, ja, sie mußte das, was sollten sonst die Mädchen denken und Paul? Mußte dann aufstehen wie alle Tage, sich waschen, ankleiden, am Früh- stückstisch sitzen, essen, sprechen, lächeln, wie alle Tage, als sei nichts, gar nichts geschehen. Und doch war ihr so viel geschehen! Sie fühlte eine trostlose Vereinsamung, als sie neben ihrem Manne im Bette lag. Da war ja niemand, dem sie klagen konnte. Hatte Paul sie schon früher nicht verstanden, jetzt würde er sie erst recht nicht verstehen; er war ja so ganz anders geworden mit der Zeit. Und war er nicht jetzt noch dazu blind vernarrt in den Jungen? Merkwürdig, als sie den Knaben so geliebt hatte, war's immer zu viel der Liebe gewesen wie oft hatte er ihr deswegen Vorwürfe gemacht und jetzt, jetzt nein, sie verstanden sich eben nicht mehr! Sie niußte allein durch, ganz allein! Als Käte die ersten Geräusche ini Hause hörte, wäre sie gerne aufgestanden, aber sie zwang sich noch, liegen zu bleiben: es würde den Leuten auffallen, sie so früh zu sehem Aber eine furchtbare Angst quälte sie: wenn der Mensch jener dort drüben in seinem Rausch nun aufwachte, Lärm schlug, an die verschlossene Tür polterte? Was sollte sie dann sagen, um ihn zu entschuldigen, was machen? Fiebernd vor Unruhe lag sie im Bett. Endlich war es ihre gewohnte Auf- stehenszeit. Der Junge ist wohl schrecklich spät nach Hause ge- kommen," fragte Paul beim Frühstück. Wohl vielmehr früh? Was?" O nein! Gleich nachdem Du heraufgegangen warst!" So? Ich habe aber noch eine ganze Weile wach ge- legen!" Er hatte es leichthin gesagt, ohne jeden Argwohn, aber sie bekam doch einen Schrecken.Wir wir er hat mir noch eine ganze Weile erzählt," brachte sie stockend heraus. Töricht," sagte er, weiter nichts und schüttelte den Kopf. O, es war doch schwer, zu lügen! In welche Lage brachte Wolfgang siel lFortsetzung folgt.)! kleines Feuilleton. Wegen derschönen Lcich". Die siebzigjährige Pfriindnerin Therese Sivatosch steht vor dem Richter des 8.. Bezirkes in Wien als Angeklagte. N i ch t e r:Sie sollen gebettelt haben. Sogar professions- mäßig." Angeklagte:Ja, Herr Richter I Ich bin alt und kann nichts mehr verdienen." Richter:Haben Sie keine Pfründe?" Angeklagte:Acht Gulden im Monat, aber da§ ist zu wenig." Richter:Freilich ist'S wenig, aber wenn Sie nicht aus- kommen, dann gehe» Sie doch lieber in die Versorgnng." Angeklagte:Ah. in die Versorgung geh' i' net'." Richter:Dort geht's Ihnen doch besser, als wenn Sie sich zusammenbetteln müssen. ivaS Sie brauchen." Angeklagte:Wisscn's, Herr Richter, i kann net in die Ver- sorgnng geh'n wegen der Leich', wann i amal stirb." Richter:Vom Bersorgungöhanse werden Sie doch auch be- graben." Angeklagte:Dös schon, Herr kaiserlicher Rat, aber net a so, wie i will. I zahl' nämlich scho' 33 Jahr' bei an Leichenverein ein, damit daß i a schöne Leich Hab'." Richter:Sie leben also nur, um schon begraben zu werden? Davon haben Sie doch eigentlich nichts I" Angeklagte:Ra, i werd' do' net das Geld, das i 33 Jahr' ein'zahlt Hab', dem Berein schenken. Herauszahl'n will er's a net, und wenn i in der Versorgung stirb, is ka Musik und gar nix. Hab' i mir 33 Jahr die Kreuzer vom Mund abg'spart, um dann annselig begraben zn werden?" Richter:Also um dieschöne Leich" zu haben,«vollen Sie Ihre alten Tage nicht in Ruhe im Bersorqimgshanse beschließen und gehen lieber von Haus zn Haus betteln, bis Sie eingesperrt werden. Das seh' ich nicht ein." Der Richter verurteilte, nach dem Bericht desJllustr. Wiener Extrabl.", die Angeklagte zil 24 Stunden Arrest, weil er unwidcr- stehlichcn Zwang nicht annehmen konnte. b. Welche Vögel sind nützlich, welche sind schädlich? Diese alte Streitfrage wird in den Kreisen der Gärtner und Landwirte immer wieder aufgeworfen und jedesmal anders beantwortet. Hin- sichtlich der Schädlichkeit oder Nützlichkeit der Vögel geht es eben wie bei dem bekannten Wort:Wat denn en sien Uhl is, is denn annern sien Nachtigall." Beachtenswert zu dieser Frage sind einige Leitsätze, die jüngst gelegentlich eines Vortrages im Bezirks- Obstbauverein zu Dresden aufgestellt wurden. Dieselben lauten: l. Die Vogelwelt als solche muß in einer unseren Kulturvcrhält- nissen angepaßten Beschaffenheit möglichst in allen ihren Bestand- teilen erhalten werden. 2. Eine örtliche Vernichtung oder allzu starke Vermehrung einzelner Vogelarten muß. falls sie nicht durch die veränderten Raturverhältnisse selbst herbeigeführt wird, von Nachteil für das Naturganze sein. 3. Jede künstliche Beeinflussung der Vogclwelt trägt die Gefahr der Schädigung des Naturganzen