Hackte sie die Hand ihres Mannes und klemmte sie zwischen ihre beiden feuchtkalten Hände und raunte ihm zu, halb erstickt:Er war betrunken ganz betrunken sinnlos be­trunken!" So?I" Schlieben runzelte die Stirn, aber das Lächeln erstarb nicht ganz auf seinen Lippen...Nun, ich werde mal mit dem Jungen, wenn er ausgeschlafen hat, ein Wörtchen reden. Sinnlos betrunken, sagst Du?" Sie nickte. Es wird wohl nur halb so schlimm gewesen seinl Aber überhaupt, betrunken, das darf nicht vorkommen! Ange- heitert, du lieber Gott !" Er zuckte die Achseln, und wie eine sonnige Erinnerung glitt's über sein Gesicht.Angeheitert wer wäre jung gewesen und nicht einmal angeheitert? Ah, ich erinnere mich noch ganz deutlich an meinen ersten Schwips, der Kater nachher war fürchterlich, aber der Sckrnnps selber schön, wunderbar schön! Ich möchte ihn nicht missen!" «Du Du bist auch einmal angetrunken gewesen?!" Sie sah ihn starr an mit weiten Augen. Angetrunken das nennt man doch nicht gleich ange- trunken! Angeheitert," verbesserte er.Du mußt nicht so übertreiben, Kätel" Und dann atz er weiter, als wäre nichts geschehen, als hätte ihm diese Unterhaltung gar nicht den Appetit rauben können. Sie fieberte: wann würde Wolfgang erwachen, und was würde dann sein? Gegen Abend hörte sie oben seinen Tritt, hörte ihn sein Fenster schließen und wieder öffnen und sein leises Pfeifen wie Vogelgezwitscher. Paul ging, feine Zigarre rauchend, im Garten auf und ab. Sie saß zum erstenmal in diesem Frühjahr auf der Veranda und sah zu ihrem Manne hinunter in den Garten. Es war lind und warm. Jetzt fühlte sie, daß Wolfgang nahte: sie wollte den Kopf nicht wenden, so schämte sie sich, aber sie wendete ihn doch. Da stand er in der Tür, die vom Etzzimmer hinaus in die Veranda führte: hinter ihm war das Dämmerlicht des Parterreraumes, vor ihm die flutende Helle der Abendsonne. Er blinzelte und kniff die Augen zusammen, rot war sein Gesicht bestrahlt oder schämte er sich so? Was würde er nun sagen, wie beginnen?! Ihr Herz klopfte: sie hätte kein Wort sprechen können, ihre Kehle war wie zugeschnürt. lFortsetzung folgt. Oer heilige. Wenn es die katholische Kirche vertrüge, ein Kunstwerk auS sich selbst zu schaffen, hier hätte sie eines: Antonio Fogazzaros RomanII santo"D e r H e i l i g e."*) Aber die katholische Kirche verträgt das nicht. Sie hat den Beweis zum Ueberflutz selbst dafür geliefert: am S. Mai ist das Buch auf Grund seiner Rcformidcen auf den Index gesetzt worden. Man mutz es sagen, die katholische Kirche bleibt sich selbst treu. Sie hat diese Selbsttreue des Konser- vatibismuch der nur Vergangenheit und nu?' Stillstand ist. Sie hat diese Selbsttreue der unbedingten geistigen Herrschgewalt und der engsten Jdeencingrenzung. Sie kennt darin nur noch ihre Selbst. zwecke, die in ihrer Macht das einzige Ziel sehen, sie kennt nur dies «ine Mittel zur Verwirklichung ihrer Zwecke: Unterwerfung und geistige Erstarrung, was ein und dasselbe ist. Darüber darf auch «in gewisser Spielraum, den der geistige Reichtum des Katholizismus und gerade in der ungeheuren geistigen Positivität seines Wesens läßt, nicht hinwegtäuschen. Denn darin ist der Katholizismus dem Protestantismus gegenüber ein Krösus . Mgn wird das nirgends so sehr empfinden, als auf dem Gebiete der Kunst, und ganz be- sonders da, wo Kunst und Philosophie sich berühren und einen Lebenssinn hervorbringen wollen den Lebensfinn einer erhöhten Jrdischkeit, den erhöhten Sinn des Daseins und einer feineren Geistigkeit. Aber um darin eine dauernde Schöpferischkeit zu be- halten und tatsächlich noch auf das Leben eine Wirkung auszu- üben, dazu hätte Fortschrittlichkeit und Freiheit gehört. Die Kirche ist für das Leben heute tot jede Kirche. Es ist ein anderes ins Leben getreten, das sich religiöse Bedeutung schaffen will und das die Religion der Zukunft werden will es ist die lieber- irdischteit abgelöst durch die Jrdischkeit, es ist die Göttlichkeit abgelöst durch die Menschlichkeit. Aller Kulturbesitz der katholischen Kirche was für ein Waisenknabe ist der Protestantismus dagegen! konnte den Schaden nicht ausgleichen, den die Kirche sich selbst angetan, da sie sich aus dem überirdischen Geiste des Nazareners einen irdischen Herrscher- und Machtbesitz schuf, und seinen irdischen Geist in seinem fcziaten Gehalt nicht mehr anders, als in einem diesem konträren ) Deutsch von M. Gagliardi, verlegt bei Georg Müller, München, Sinne wahren konnte, also vernichten mutzte. So geschah die Ber- nichtung des Nazareners auf eine doppelte Weise, in zwei entgegen- gesetzten Richtungen auflas eine Ziel hin. Die Gewalt der Kirche stieg er selbst mutzte' ihr unterliegen. Die Zeiten wurden leer vor ihm, die Taten wurden leer von ihm die Aienschheit wurde gleichgültig zu ihm... ... Aber es lebt noch ein katholischer Geist ein Geist wahr­haft religiöser Empfindung, ein Geist positiv sich betätigenden Christentunis. Vom positiven Kirchengeist ist er weit entfernt, da- für empfindet er das Reformatorische, das Revolutionäre, das Un- würdige der Gegenwart zu stark, dazu fühlt er zu mächtig sein Zukunftsziel: wieder ein Lebenssakwr zu werden, das Leben wieder mit dem Geiste der Religiosität, der katholischen Christlichkeit zu durchdringen. Hier setzt FogazzarosHeiliger" ein; da ist der alte Giovanni Selva, der Kirchenkritiker, der ganz vom Katholizismus durchdrungen ist und nicht nur ein Theoretiker, sondern ein Ver- wirllicher ist. Und bei ihm drautzcn im Tale der Aniene, nahe bei der Klostergründung des heiligen Benedikt, die Beratung in abendlicher Stunde, was zu tun sei. um die Kirche zu einem wahren Lebendigsein wieder zu erwecken.Wir sind eine Anzahl Katholiken in Italien und autzerhalb Italiens . Geistliche und Laien, die eine Reform der Kirche erstreben. Wir wollen diese Reform ohne Empörungen, durch die gesetzmätzige Autorität herbeigeführt sehen. Wir wünschen Reformen des Religionsunterrichtes, Reformen des Kultus, Reformen der Disziplin des KleruS, ja auch Reformen des höchsten kirchlichen Regiments." Und hier fällt das Wort:Ist unter Euch ein Heiliger? Oder witzl Ihr, wo Ihr ihn hernehmen könnt? Nehmt ihn und stellt ihn ins Vordertreffen I" Das Wort ist in spöttischem Sinne gemeint, aber der Heilige existiert. Don Elemente, der edle, selbstlose junge Pater vielleicht selbst ein Heiliger, oder einer, der es sein könnte hat ihn mitgebracht. Es ist Benedetto. der Gärtncrbnrsche in Santa Scolastica, der draußen wartet. Aber die Versammlung erfährt nichts von ihm. In der stürmischen Nacht, die dieser Unterredung gefolgt ist, eröffnet sich Benedetto dem. Pater. Benedetto ist ein Asket, ein Bützer . Er bützt für sein ver- gangcnes Leben, er bützt für seine sündige Liebe. Und er hat sich ganz der Liebe des Herrn gegeben, und er verwirklicht auch ganz diese Liebe zum Herrn. Mehr ist nicht nötig, ein Heiliger zu sein. Das Durchdrungensein von der Frömmigkeit, das Erfülltsein von einem höheren Sinn, das Erfülltsein von seiner Idee und Sendung, der Glaube an seiner Berufung und der Mut und die Konsequenz der Tat. Denn was ist das, was die anderen haben, das Wort? Das Wort ist ein fliegender Pfeil, der sich im Leeren verliert. Die Tat bezwingt die Welt und stellt sich den Menschen voraus und zieht ihnen voran auf irren Wegen und führt zur Klarheit und Wahrheit. Denn was ist die Theorie? Sie ist ein Kleid, in das sich die Schwächen und Eitelkeiten der Menschen hüllen; aber die Tat ist das Wesen und der Kern, ist die Wahrheit. Hier setzt im Heiligen die positive, die zusammenfassende Kraft des katholischen Geistes ein und zeigt und bewährt sich an Benedetto. Er überwindet seine Liebe zu Jeanne Dessalle, die am Abend zu den Selvas gekommen ist und die er bei ihrem Eintritt in das Haus wiedergesehen. Mehr er führt sie in seinem Per- zicht zum Werke, zur Werktätigkeit an den Menschen. Er führt Noemi, ihre Freundin, zum Glauben. Das ist sehr fein und ver- halten geschildert. Der vernichtende Sinn des Opfers, er wird zu dem befruchtenden und fruchtbaren Geiste d«s Wirkens, er wird zur Positivität der Lebensführung, zu nutzbaren Werten, zur Nutz- bringung des Lebens geführt. Und Benedetto geht seinen Weg. Der Abt verweist ihn aus Santa Scolastica und schickt ihn nach dem be- nachbarten Jenne. Er lebt hier abseits von der Welt in Gc- bei und Arbeit, in Entbehrung und Wohltätigkeit. Man glaubt so an ihn, datz man an seine Wunderkraft glaubt und man klagt ihn an, wo sie nicht wirkt. Die Jntrigue, die Verleum- dung, die falsche Pfaffheit ist hinter ihm her. Er bewahrt seine Demut vor seinem Vorbilde, Christus, er geht dem Vergleiche mit seinem Wirken und Leben aus dem Wege, er lehnt die Bezeich- nungder Heilige" ab, aber er lätzt sich hinreisten von dem Ge- fühl seiner Sendung, von der Glut seiner Ueberzeugung, von dem Feuer seiner alles erfassenden und alles umfassenden Liebe. Es treibt ihn nach Rom und er geht nach Rom , wohin ihm der Ruf eines Heiligen vorausgegangen.Der Heilige von Jenne," der das Volk entzündet. Wohin aber auch die Verleumdung folgt. Wohin die Intrige schon ihre Fäden gesponnen, wo die Anklage schon vorbereitet ist, und Partei wider Partei steht, Interessen der Einzelnen entgegen den Interessen des Ganzen. Und Benedetto kommt zum Papst. Eine prachtvolle Szene, die Pius X. in ein eigenes Licht rückt; voller Intimität, voller Begeisterung, voller Freimut die Schilderung.Die ganze Priesterpartei, heiliger Vater, sagt Benedetto ja sogar alle religiösen Männer, die heute den fortschrittlichen Katholizismus bekämpfen, würden in gutem Glauben, in Moses ' Namen, Christus haben kreuzigen lassen. Sie sind Fanatiker der Bergangenheit; sie möchten alles in der Kirche unveränderlich haben bis auf die Formen der päpst- lichen Sprache, bis auf die Palmenwedel, die dem pricsterlichen Herzen Eurer Heiligkeit widerstreben, bis auf die sinnlosen Tradi- tionen, die es einem Kardinal verbieten, zu Futz auszugehen, und eS skandalös finden würden, wenn er die Armen in ihren Häusern aufsuchte."Ich bin ein armer Schulmeister." erwidert ihm der Papst. der unter siebzig Schülern zwanzig hat. die unter- mittelmätzig sind, vierzig mittclmätzige und nur zehn gute. Er