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" Dentst Du bielleicht, wir werden hier bleiben?" Marie fette das geleerte Glas mit Aplomb auf den Tisch.„ Ein Sommer in Berlin ? Schauderhaft! Wir fahren auf drei Wochen nach Swinemünde ." " Ja, wer es so haben kann?" lachte Gertrud.
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Menschenstind, was ist denn dabei von haben können die Rede? Das ist ja so billig." Marie legte sich bequem zurück. Rechne doch mal aus, was Dir die Reife toftet. Leben mußt Du hier auch, bleibt also bloß die Fahrt und das Logiergeld, na, die paar Mark, wenn man die nicht mal übrig haben sollte. Ich freu' mich aber auch schon wie' n Kind drauf." Sie rieb sich die Hände. Ja ich hab' auch eben Ferienpläne gemacht 1" Gertruds Geficht strahlte auf. Wir wollen tüchtig Partien machen, durch den Grune wald laufen, nach Potsdam fahren, ich denke es mir herrlich." Nee, ich nicht." Marie verzog den Mund:" Grunewald , Botsdam? Lieber Himmel, das hat man ja eigentlich alle Tage. Geht doch lieber auch vierzehn Tage wohin, das ist doch viel schöner?"
Polnischen Ogoret. Diese slavischen Benennungen wurden die Vortufen für unseren deutschen Namen Gurke. Die Slaven waren es ferner, die das Einlegen der Gurten entweder nochmals für sich felbständig erfanden oder ihm doch, wenn sie die Anregung dazu bon Byzanz erhielten, zur weitverbreiteten Ausübung berhalfen. Die Slaven und im besonderen die Russen sind die geborenen Gärungstechniker. Nirgends werden wild wachsende Beerenfrüchte so viel zur Bereitung alkoholischer Getränke verwandt wie in Rußland . Auch der kwaß, der durch Gärung von geschrotetem Getreide oder Brotschnitten und Apfelstücken in Wasser hergestellt wird, ist eine russische Erfindung. Welche Kohlliebhaber die Russen find, ist durch ihre nationalen Kohlsuppen allgemein bekannt. Einleger des Weißtohls zu Sauerkohl sind sie seit Alters her. Sie haben höchstwahrscheinlich auch zuerst den Dill und den Kümmel dem eingelegten Kohl hinzugefügt, dieselben Gewürzpflanzen, die auch beim Einlegen der Gurken benutzt werden. So ist es denn erklärlich, daß auch das Einlegen der Gurken selbst bei ihnen früh zeitig in Aufnahme fam. Ohne Gurken kann der Groß- und Klein russe heute nicht leben. In Salzwasser eingemacht verzehrt er sie Ja, wenn man das könnte 1" Frau Gertrud seufzte leise. den ganzen Winter hindurch und schlägt sich mit ihnen durch die Aber Menschenkind, ich sage Dir ja, es ist ja so billig, das langen, strengen Fasten der griechisch- katholischen Kirche hindurch. foftet ja nur ein paar Mark mehr! Und dent mal, es ist doch so Die Slaven waren es auch, die den Deutschen die gemeine schön. Partien machen ist doch nichts Besonderes. Die macht Feldgurke überbrachten. Slavische Stämme waren ja nach der man nebenbei; und dann das Nachhause fahren abends, das Bölkerwanderung in die von den Deutschen verlassenen Gebiete ist ja gräßlich, und' n regelrechten Sommermorgen lernt man öftlich der Elbe nachgerückt und hatten kleinere und größere nicht mal dabei fennen. Nee, nee, legt man was zu zum Siedelungen bis über die Saale hinaus vorgeschoben. Erst bom Partiegeld und fahrt fort. Und wenn Ihr nicht nach Swinemünde 11. Jahrhundert ab wurden sie wieder zurückgedrängt, und in dieser könnt, sezt Euch irgendwo auf' n Dorf, das kostet nun schon gar und der folgenden Zeit war es, wo die deutschen Krieger und nichts, und man hat' n Genuß von, das könntet Ihr doch machen." Siedeler die gemeine Feldgurfe und das Berfahren des Einlegens In Frau Getruds Antlig fam und ging die Röte, sie hatte den tennen lernten. Damit wurde die Bezeichnung der Frucht auch Berechnungen der anderen aufmerksam gelauscht, nun nickte sie vor in den deutschen Sprachschah aufgenommen. Das altslavische sich hin: Ja, wenn man sichs überlegt, wenn man so für fünfzehn Agurite wurde anfänglich in Augurte und später in Gurte um- Mart irgendwo ein Stübchen bekäme und konnte sich selbst was gewandelt. Eingebürgert hat sich der Name Gurke etwa seit 1500. fochen, und hätte fünf Mark zur Reise, das Leben wär ja das So werden Gurken in dem Confektbüchlein von Ryff aus dem Jahre wenigste, leben mußte man in Berlin auch, das ginge schon. 1544 erwähnt, und Johannes Freigius spricht 1579 in feinen " Natürlich geht es!" schrie Marie.„ Neichlich bekommt Ihr Quaestiones Physicae von Gurken oder Pluzern. Daß die Slaven dafür was, und denk mal, wenn Ihr dann so vierzehn Tage ganz in der Tat in jener Zeit schon, in welcher sie mit den oftwärts draußen sein könntet, wie Ihr Euch da erholen würdet. Das macht bordringenden Deutschen die erbittertften Kämpfe um Sein oder nur, Karl'n wär's sehr not." Nichtsein ausfochten, das Einlegen der Gurken übten, darauf weist der Umstand hin, daß die saure Gurte noch heute hauptsächlich in den Gegenden Deutschlands ein beliebtes Nahrungsmittel bildet, welche einstmals von Slaven bewohnt waren.
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Theo Seelmann.
Kleines feuilleton.
el. Pläne. Mit freudestrahlendem Geficht überzählte sie ihren fleinen Schatz: zwanzig Mart, ganze zwanzig Mark.
Zwanzig Mart, abgefnapst von dem fargen Wirtschaftsgeld, erarbeitet in mancher langen dunklen, durchwachten Winternacht.
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Zwanzig Mart, was der Karl sagen würde! Nun konnten sie also in den großen Ferien wirklich ein paar Partien mit den Kindern machen. Ein paar lustige Dampferfahrten die waren ja so billig, für fünfzig Pfennige tam man so weit hinaus, konnte einen ganzen Nachmittag auf dem Wasser liegen und im Walde spazieren gehen. Und wenn sie sich einrichteten, nun das Einrichten verstand fie ja, fonnten sie sogar einmal nach Potsdam fahren, eine richtige fleine Reise machen, wundervoll würde das werden, wunder-, wundervoll!
Na, es war dem Karl auch zu wünschen, daß er mal öfter ein bischen hinaustam, so abgearbeitet und verradert wie er war durch die langen Arbeitsstunden in der Fabrik, und die Kinder würden ja aufblühen.
Ihr blasses mageres Gesicht, dem eine Auffrischung auch zu wünschen war, leuchtete förmlich auf. Sorgfam schob sie das Geld zusammen und legte es wieder in die Sparbüchse, dann flog ihr Blick nach der Uhr. Wenn blos der Karl erst da wäre, daß sie ihm ihren Neichtum aufzählen konnte, daß sie zusammen Pläne schmieden fonnten!
Ach, es hatte noch gute Zeit mit dem Heimkommen, bis sieben Uhr saß er in der Fabrit und schuftete. Ja und für sie war es wohl auch Zeit, daß fie sich wieder an die Arbeit machte, nur nicht etwa faulenzen, auf die Ersparnisse hin. Ersparnisse! Wie großartig fich das anhörte! Sie lächelte noch, während sie am Stidrahmen saß und die feinen Goldfädchen auf den weichen Samt nähte, eine mühsame Arbeit, Augenpulver, aber fie brachte ein paar Groschen ein. Und auf den Partien konnten sie sich ja erholen.
Grüne Wälder schwebten vor ihren Bliden hin und blaue Wasser, dann fuhr sie plöglich auf, draußen hatte die Glocke angeschlagen: war das Karl schon?
Nein, es war nicht Karl, es war Coufine Marie, fie fuhr in das Zimmer wie ein Wirbelwind, warf alle Pakete, die sie im Arm hatte, und sie hatte deren eine Menge im Arm, in die nächste Sofaede und fant dann ganz erschöpft auf einen Stuhl:" Nein, ich bin hin, ganz hin, gib mir bloß ein Glas Wasser! Man kommt ja um bei all' den Besorgungen und morgen muß ich wieder rennen, die Reife hetzt einen ja schon acht Tage vorher umher."
Ja wollt Ihr fort?" fragte Gertrud und setzte sich wieder an ihren Stickrahmen.
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Es geht nur leider doch nicht", sagte Gertrud, und eine tiefe Trauer huschte über ihr Gesicht. Dann kann doch Karl nicht arbeiten, und wenn er nicht arbeitet, haben wir nichts zu leben."
Es entstand eine Pause. Dann stand Marie auf und nahm ihre Pakete:" Ja, ich will nun man wieder gehen, dann amüsiert Euch nur recht gut, ach, und weißt Du, Partien machen ist ja auch sehr schön, man tommt immer wo anders hin Ihr werdet schon nette Tage haben."
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Ja, ja, das werden wir." Gertrud nickte ihr noch über das Geländer nach, aber als sie wieder am Stickrahmen faß , war die Freude aus ihrem Gesicht verschwunden. So billig war es hinauszukommen, einmal ganz auszuspannen, sich nene Arbeitskraft zu holen! So billig, so billig, und nicht einmal das konnten sie, trop aller Arbeit und aller Mühe, nicht einmal das!
Zwei große Tränen fielen auf den blauen Samt.
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Sächsische Vollswörter. Viele Wörter haben im Munde des Wolfes eine andere Bedeutung als im Schriftdeutschen. Schon mancher Städter mag sich auf einer Wanderung im Gebirge über den" dummen Bauern" geärgert haben, der ihm sagte, der Weg führe durch einen Busch. Da er tatsächlich in einen Wald einbiegt, glaubt der Wanderer falsch gegangen oder falsch berichtet zu sein. Warum drückte sich der Bauer so verkehrt aus, der doch in einer waldreichen Gegend lebt? Das Wort Wald, das um Leipzig säch lich ist in Zwenkau z. B. geht man ins Wald hat er nicht in seinem Wortschatz, er kennt nur die Bezeichnung Busch oder Holz, im Vogtland wie im Altenburgischen auch die Löh, deren ältere Aussprache Bôch die vielen Lochmühlen und Lochhäuser als Waldmühlen und Waldhäuser erklären läßt. Bei Thalheim gibt es einen Lohwald, bei Oberwürschnitz einen Loowald( vergl. Waterloo= Wasserwald). Ein anderes altes Wort für Wald hat sich wenigs stens noch als Flurname erhalten, Strut, womit eigentlich Sumpfoder Strauchwald gemeint war; Struth heißen in Sachsen Waldungen bei Limbach( zwischen Wilsdruff und Nossen ), Oschah, Flöha , Plaue, Langenau , Bernsbach . Um Rochlik gibt es eine art, anderwärts eine Hârte, von der auch die Namen Hartha , Harz , Speffart( d. i. Spechtswald) fich ableiten. Auch der Flurname Stöckicht bezeichnet einen Wald( zwischen Frohburg und Gnand stein ), abgesehen von engeren Begriffen wie Erlicht, Tännicht usw. Man sieht also: am Ausdrucke fehlt es dem Gebirgler ebenso wenig wie dem„ Niederländer ". Mangel an Schliff aber scheint der Sab festzustellen: die Leute im Gebirge haben eine schlechte Lebensart. Wenn aber der Erzgebirgler selbst von Lamsort spricht, so meint er das, wovon er lebt, Art im Sinne von Nahrungsmittel, mib schlechter Lamsort also eine elende Kost. Einem Lehrer, der mit seinem Hunde über Land ging, fiel ein, daß im Nachbarorte Hundes sperre war. Darum fragte er einen alten Ortseinwohner unters megs, ob er keinen Bindfaden bei sich habe. Ja, Herr Lehrer!" war die freudige, wenn auch etwas verwunderte Antwort, mit der der Mann ihm ein Schnapsfläschchen darbot Bindfaden ist eben ein Ausdruck für Schnaps.
Jm Niederlande enthalten Urteile wie: der Wetter is recht fêge, das Kind ist ganz listern teinen Ladel, sondern ein Rob: der