-

-

543

Sie, Herr Erapriester, tönnen mir als Seelsorger doch wohl am besten die Verdienste des Verstorbenen schildern." Natürlich, natürlich."- Er legte das rechte Bein auf das linke. Sa. Was im befonderen die Kirche anbetrifft, da hat der Selige allerdings. Ja Er war ein guter Christ und, was die Hauptsache ist, sehr reich, der reichste Mann in der Stadt. Und dann er war, wie gesagt, sehr reich und dann-". Der Erz­priester tat bas linke Bein auf das rechte, betrachtete nmständlich seine gestickten Pantoffel. Ja hören Sie einmal ja ich rate Ihnen, Sie gehen zum Herrn Bürgermeister, der wird Ihnen nicht lang genug erzählen können. Sie glauben nicht, was das für ein ausgezeichneter Mann, dieser selige Josef Weltow- ein er­habener Charakter und sehr, sehr reich."

"

-

-

Der Erzpriester geleitete mich bis zur Türe, drückte mir die Hand und sagte noch einmal: Wirklich ungemein edel von Ihnen, daß Sie den Seligen nach Gebühr zu würdigen gedenken. Wir können ihm unsere Dankbarkeit gar nicht lebhaft genug ausdrücken."

Der Herr Bürgermeister beschimpfte eben eine Partei in Ge­meindeangelegenheiten, und damit er nicht etwa glaube, daß auch ich etwas fordern gekommen wäre, beeilte ich mich, ihm meine Abficht darzulegen.

Er lächelte traurig, drückte mir die Hand, warf die Partei rasch Hinaus und widmete fich ganz mir.

" Schade, schade um unseren guten Wellow", sprach er. Sie haben ihn lange gekannt?" " Wir sind zusammen aufgewachsen."

" Dann haben Sie wohl die Liebenswürdigkeit, mir ausführlich­aber ich bitte, Herr Bürgermeister: ganz ausführlich seine Verdienste um die Stadt aufzuzählen."

" Sie wollen also die Grabrede halten?- Sie werden wenigstens eine Stunde reden müssen, lieber Herr, denn das läßt sich nicht kurz abmachen. Wir haben an Wellow viel, viel, unendlich viel verloren. Ich habe angeordnet, daß sich der städtische Ausschuß vollzählig hier versammle. Die Gemeinde wird einen Kranz stiften."

Ich nahm mein Notizbuch und einen Bleistift hervor. Was ich von ihm weiß?" rief der Bürgermeister. Glauben Sie denn, daß Sie das alles in eine Rede zivängen können? Ich meine, man wird zwei Neden halten müssen. Wenn wir geeignete Persönlichkeiten hätten, wäre es sogar gut, drei Neden zu halten: eine im Heim des Verstorbenen selbst, eine vor dem Rathaus und eine in der Kirche."

" Ich möchte am Grabe reden."

Das wäre dann die vierte Rede. Ausgezeichnet. Eine im Heim des Verstorbenen, eine zweite vor dem Rathause, die dritte in der Kirche, die vierte auf dem Friedhofe."

" Ja, aber ich habe noch keinen Stoff."

" Verzeihen Sie, daß ich in einer so traurigen Angelegenheit Iache. Sie haben keinen Stoff? Und die Verdienste des Ver­storbenen? Schildern Sie doch einfach die Verdienste des Ver­storbenen! Wenn Sie eine Stunde reden, haben Sie noch immer nicht die Hälfte gesagt." Der Bürgermeister sprang auf, lief durchs Zimmer und wiederholte immer wieder:" Sie werden eine Stunde reden und haben noch nicht die Hälfte gesagt."

Herr Bürgermeister, ich bin hier fremd- bitte, sagen Sie mir alfo, was der Verstorbene für die Stadt getan hat."

Lieber Herr gern. Ohne weiteres. Ich will Ihnen genau Punkt für Bunft aufzählen. Fangen wir an!"

-

Er setzte sich in seinen Stuhl und dachte einen Augenblick nach. Also zunächst: Weltow war sehr reich."

" Das habe ich schon notiert."

-

-

-

Bweitens zweitens Er war also, wie gesagt, fehr reich, unglaublich reich Und seine Verdienste-? Er hatte ganz unglaubliche Verdienste. Wissen Sie, Bruderherz, es wäre doch gut, wenn Sie den Herrn Amtmann fragten."

-

" Da bin ich schon gewesen. Der Herr Amtmann ist aber erst drei Jahre hier."

Richtig. Das hatte ich vergessen. Uebrigens hat sich der Ver­storbene seine Hauptverdienste doch um die Stadt gesammelt. Die politische Behörde soll sich gar nicht einmengen."

Er verstummte und begann sein Schnupftuch zu suchen. Als er es nicht fand, flingelte er und fandte einen Polizisten nach seiner Wohnung. Die ganze Zeit über sann er nach.

-

Sie fragen mich also, wenn ich Sie recht verstehe, nach jemand, der Ihnen die Verdienste Welkows genau schildern kann? Run, das wird niemand besser können, als der Herr Erzpriester. Ich will Ihnen eine Karte an ihn mitgeben."

-

,, Dante sehr, ich bin fchon da gewesen.- Der Herr Erzpriester hat mich zu Ihnen geschickt." AH so!" Und er ließ die Hände auf die Anie finten. Ja, wenn man die Verdienste des Seligen alle herzählen wollte, täme man überhaupt nicht zu Ende. Sie werden unmöglich alles in einer Rede sagen können, das geht nicht. Eine Rede im Heim des Verstorbenen, eine vor dem Rathause, eine in der Kirche, die bierte am Grabe das wären bier. Ich schlage aber vor, es sollte noch eine Rede vor dem Gymnasium gehalten werden." Gewiß, Herr Bürgermeister aber die Verdienste des Ver­

-

-

storbenen. - will ich Ihnen sofort sagen und als Stadtvater mit einiger Genugtuung hm Lieber Freund, fennen Sie die Firma Grodetz u. Co.? Grodek war vor mir viele Jahre hin durch Bürgermeister und außerdem Duzfreund des feligen Weltow.

-

-

Jch erinnere mich nicht an alle Einzelheiten, aber Grodes wird Ihnen drei Tage zu berichten haben."

Ich erhob mich, der Herr Bürgermeister geleitete mich an die Türe und empfahl mir noch einmal, ich möge zu Grodez gehen außerdem aber den Herrn Amtmann bewegen, es mögen fünf Reden gehalten werden.

Herr Grodez ließ mich nicht ausreden.

-

Was schickt man Sie denn zu mir?" rief er. Gewiß hat sich der Verstorbene unvergeßliche Verdienste erworben aber was schickt man Sie zu mir? Gehen Sie doch zum Amtmann!" Da bin ich schon gewesen."

Arzt,

"

"

Also zum Erzpriester."

Bin ich auch gewesen."

Dann zum Bürgermeister."

Von dort komme ich eben."

" So? Na, dann gehen Sie zum Kreisphysilus, der war fein er hat ihn behandelt, er weiß alles."

Ich traf den Kreisphyfitus im Hofe, er legte eben Gurken ein. Arzt. Die Stadt ist durch den Tod des verdienstvollen Mannes " Herr Doktor, Sie waren des seligen Weltow behandelnder in große Trauer verjeßt worden."

-

-

schiedenheit von mir weisen. Ich habe dem Seligen ausdrüdlich " Pardon, Herr, ich muß alle Schuld an seinem Tode mit Enta leichte Diät vorgeschrieben und er geht hin und ißt Bohnen. Ich bitte, drei Teller Bohnen. Angenommen, ich bitte, Sie find ge­sund, ein starker junger Mann, und Sie fressen drei Teller Bohnen auf Sie werden jappen, sag' ich Ihnen, nach Luft jappen wie ein Rind. physikus, wenn man drei Teller Bohnen auffrißt und wie ein Rind Kreisphyfitus! Kreisphysikus! Was hilft der Kreis­nach Luft jappt?"

-

-

-

Ich unterbrach ihn und legte ihm den Zweck meines Besuches dar. biel " gesagt. Der felige Wellow war ein überaus verdienstvoller " Herr," sprach der Phyfitus feierlich, man hat Ihnen nicht zu Mann. Wenn Sie ein Notizbuch und einen Bleistift hätten." Das habe ich.

"

-

" Dann schreiben Sie, bitte! Zunächst muß ich Ihnen sagen, Weltow war sehr reich. Sehr reich."

" Ist schon notiert. Und weiter?"

-

Kurz, der Phyfitus schickte mich zum Gymnasialdirektor, nach­dem er vorher versucht hatte, mich zum Amtmann, zum Erz­priester, zum Bürgermeister und zur Firma Grodez u. Co. zu schiden.

-

Der Gymnasialdirektor behauptete, ich sei ihm sehr willkommen, er wäre eben auf dem Wege zu mir gewesen und endlich mußte ich den königlichen Ingenieur aufsuchen.

Es läuteten alle Glocken. Von der Terrasse her wälzte sich eine ungeheure Menschenmenge, das Leichenbegängnis. Die Behörden, die Gemeindemitglieder, der vollzählige Ausschuß, der Klerus, der Lehrkörper des Gymnasiums, die Schulen, die Zünfte.

Kränze, Fadeln, alle Läden geschlossent.

Und als der Kondukt schon vor der Kirche stand, lief ich noch immer von einem Würdenträger zum anderen, lief die Vereins­präsidenten ab, die Kassierer, die Zunftältesten, die Profefforen, die Notare, die Rechtsanwälte, Aerzte und Beamten. Und in meinem Rotizbuch stand immer noch eine einzige Beile: " Der felige Wellow war sehr reich."

Kleines feuilleton.

- Nachbarschaftstrunt." Der Konst. 8tg." wird aus Ueber­lingen geschrieben: Kürzlich wurde nach altem Herkommen hier wieder der Nachbarschaftstrunt" abgehalten. Die Hausbesißer einer Straße bilden nämlich eine Nachbarschaft" mit dem ursprünglichen 3wed, gute Nachbarschaft zu pflegen, sich gegenseitig in Not bein zustehen und etwaige Zwiftigkeiten bei einem Glase Wein zu schlichten. Dieser Brauch soll aus der Bestzeit( 1610 bis 11) hera rühren. Nach damaligen Anschauungen sah das Volk in dieser Krankheit eine Strafe des Himmels und tat nach Aufhören der selben das Gelöbnis, von nun an in Frieden und Eintracht zu leben und zum Gedächtnis desselben jeweils am Johannistag ein Versöhnungsfest zu halten. Jede Nachbarschaft hat als Vora stand einen sogenannten Gassenpfleger". Er ist zugleich auch Ver.. mögensverwalter; denn die Nachbarschaften befißen Vermögen, das aus Stiftungen und aus Einkaufsgeldern( Einstand") her rührt, und dessen Zinsen unter die Mitglieder für den Nachbar­schaftstrunt verteilt werden. Dem Gassenpfleger steht zur Seite als Gehülfe und Diener der sogenannte Nachbarschaftsmesner". Beide werden auf Lebensdauer gewählt. Der Nachbarschaftstrund wird immer um Johanni abgehalten, entweder an diesem Tage selbst oder am darauffolgenden Sonntag, oder auch am Peters und Paulstage. Vorher aber lädt der Gassenpfleger die Nachbar­schaft zu sich zur Abred" ein, wo nun das Nähere über die Abhal­tung der Festlichkeit ausgemacht und die Rechnung vorgelegt wird. Abends kommen nun die Mitglieder mit ihren Frauen und Kindern in der bestimmten Wirtschaft der betreffenden Straße zusammen zur gemütlichen Unterhaltung und Schmauserei. Jedes Mitglied, das sich beteiligt, erhält sofort seinen Anteil aus der Stasse bar