„Was hat er Euch denn getan?"„Ahso."— Der Mann fuhr sich mit der Hand über dieStirn.„Getan...? Passen auf! Ich komm in de Wirt-schast, da sitzen an einem Tisch so e paar beisammen, die lachenund schreien und wie se mich sehen, ruft der eine:„Eckel, wollener wisse, wie's Eurer Frau geht?"„Js mir egal," sag ich und setz mich an en andere Tisch.Drübe aber lachen se!„Das is eine!" hör ich, und dannlachen se wieder. Ich trink mein Bier. Auf einmal ruft's:„Prost Eckel! Waren er schon in Mannheim im im—!Da finden er Euer Frau-- Da bin ich aufgesprungeund Hab den Kerl an der Kehl gepackt und Hab en gewürgt,aber se haben mich von em gerisse, und er hat en Stuhl ge-nomme--!"Draußen im dunklen Flur stand Frau Kamp mit derLuis.„Also Du willst nit?"„Nein! Ich hab's em Vater verspräche."„Aber weil's ihr doch nit gut is!"„Dann läßt se mer die Arbeit so schon liege! Ich geh indie Schul!"„Sie meint aber dann. Du tatst es nure um sie zuärgern!"„Soll se's meine!" Die Luis zuckte die Achseln.„Wenn Du so bist, kriegen ihr nie Friede ins Haus!"„In einem Jahr geh ich fort!"„Und eso lang?"„Ich kann nix ändere!"„Na, denn gut Nacht!" Frau Kanrp ging in ihreWohnung zurück.Die Luis trat auf den Hof. Sie schaute zum Himmelhinauf, der war klar, aber unendlich fern blinkten die Sterne.Die Luis biß die Lippen zusammen. Wenn ich nur emalweine könnt, dachte sie, oder wenn ich tobe könnt, wie der Eckelda drobe! Gleich aber schämte sie sich dieser Gedanken.Gottlob, daß ich's nit nötig Hab, daß ich alles so still mit mirrumschleppen kann.Da kam der Peter über den Hof.„Uebermorge is Kerwe, Luis! Da fahr ich Karussell undschieße tu ich auch! Und en Pfaufeder kauf ich mer, da kitzelich alle Mädel mit, die Arme und die Reiche, aber de Reicheam meiste!"„Ich geh nit hin!" sagte die Luis„Kriegst kein Geld?"„Ich mach mer nix draus!"Der Peter lachte.„Bist en dlimni Ding!" sagte er.„Schwätz nit so laut. Dein Vater sitzt bei's Kampe!"mahnte das Mädchen. Da schlich der Knabe wortlos davon.Anderen Tages war der Eckel zum Rathaus gegangenund hatte sich einen Armenschein geholt, den hatte er aufsLandgericht gebracht und dort zu Protokoll gegeben, daß ervon seiner Frau geschieden werden wolle, dazu sollte dasGericht ihm das Armenrecht geben und einen Rechtsanwaltstellen.Er hatte es natürlich den Kindern erzählt, und die sprachendavon mit wichtigen Mienen.9.Früh am Morgen war Müting aufgestanden und hinaus-gegangen in den Wald. Dem hatte der Frühling den erstenscheuen Kuß aufs winterkahle Antlitz gedrückt, und ein grünerHauch umwob Zweig und Zweiglein. Wie mit grünenSchleiern umspann's die Formen der Kronen. Zwischen demfeinen Geäst der Bäume aber hing der klarblaue Himmel, unddas junge Gras beugte sich unter der funkelnden Last desTaues.Auch in Mlltings Seele war Frühling.Jetzt kommt ja die Luis aus der Schul! dachte er, undalle Sorgen schienen ihm mit einem Schlag beendet.Denn wenn die Luis aus der Schule war, mußte sie denHaushalt führen, dann würde wieder alles sauber sein, wiedamals, als ihre Mutter noch lebte, er würde was Ordentliches gekocht bekommen. Und wenn ich en anständigen Haus-halt Hab, dann geh ich auch nit mehr trinke! Nein! das hörtdenn auf! sagte er sich.Es war ihm gar wohl im frühlingsduftenden Wald, undleicht war ihm ums Herz, wie seit langem nicht mehr.„Heute wird mein Luis konfirmiert! Sie is en bravund en fleißig Mädche!— Und gestern abend?-- dieRührung überkam ihm. Das hätt se nit nötig gehabt!—Und er stellte sich das Mädchen vor, wie sie vor ihm ge-standen hatte, als sie allein miteinander in der Stube waren,sie hatte so ganz anders ausgesehen wie sonst. Mit den Augenihrer Mutter hatte sie zu ihm aufgeschaut.„Wenn ich alsnit gefolgt Hab, Vater, und als emal frech oder sonst nit ordent-lich war--" und sie hatte ihm die Hand hingestreckt:„Vergib mer's, Vater, damit---"(Fortsetzung folgt. jj(Nachdruck verboten.)In der Südbretagne.Wir stehen auf der Mole von Saint-Nazaire— rechts, unendlich weit, nicht direkt sichtbar, aber mit dieser merkwürdigen Fühl-barkeit, die Weite hat,— der atlantische Ozean,— links, wie eineversandete Bucht, flach und glitschig, die Mündung der Loire. DasWasser steigt, draußen das Meer wächst in seine Flut, der Flußsteigt mit, und der Sand wird von den Wellen �überrollt. Dadrüben liegen bekannte Orte, wie Paimboeus, St. Brevin del'Ocöan, und weiter nach Süden, an der Spitze der Halbinsel Prä-faille. Am Ufer niedriger Tannenwald, dicke runde � Kieselsteinelagern an dem Abhang, den das Meer beleckt, und wie nun dieSonne prall darauf scheint, glänzen sie weiß wie Totenschädel.Nein, es reizt nicht, über die flache Loire zu fahren, wir wendenuns nach rechts. Noch ein Besuch einem Amerikadampfer, der zurAusfahrt aufgeputzt wird. Der Besuch ist ohne Führer gestattet.Erste Kajüte, zweite Kajüte. Reichtum, Behaglichkeit. Hier ge-raten wir einem Schisssleutnant ins Bureau, der über seinerSchreiberei eingenickt ist. Er wacht aus und ist sehr höflich. Wirhatten uns auf einen preußischen Anschnauzer zum mindesten gefaßtgemacht. Wir steigen hinauf zur Bussole und auf die Brücke desKapitäns. Hier haben wir den ersten weiten Mecrblick. Ueber dieHafenbrücken, die Leuchttürme, Fort de Leve hinweg. Da draußendie Dampfer und Segler und der Pcrlmutterglanz des OzeanS.Der weißblaue Himmel und die Sonne. Wir schließen einenAugenblick lang die Lider— und nun schaukeln wir auf hoher See.Nun fahren wir über das weite Meer. Nun träumen wir insFerne hinaus, ins Freie und Unendliche. Die Welt hat keine Engemehr, keinen Druck und keine Schwäche: mit seiner Größe undKraft pflügt der Dampfer durch die Wellen. Und das Meer istohnmächtig....Ein schmutziger Matrose weckt uns aus unseren Träumen. Erkam mit Eimer und Pinsel hier heraufgestiegen, alles frisch weißanzustreichen.„Es ist nicht erlaubt, auf die Kommandobrücke zusteigen." Wir entschuldigen uns. Dann kriechen wir durch niedrigeGänge und gelangen an die Kajüten. Wir haben Mutze, alle Ein-richtungen genau zu besichtigen. Wir dringen weiter vor. Wirstehen im Auswandererraum. Ein scharfer beißender Geruch erfülltihn. Auch hier wird die Reinigung vorgenommen. Wir fragenden Matrosen, warum er nicht besser lüfte. Er hat alle Luken auf.Wieso der scheußliche Geruch dennoch bleibe, ob nicht genug Luft sei.Genug, genug wohl nicht, wenn der Raum besetzt sei.Der Geruch sei nicht herauszubringen. Der rühre von Spaniern,Griechen, Italienern her. Tabak, die Ausdünstungen, das Gepäck,und was da alles drin sei, Männer, Frauen und Kinder, haltalles beisammen. Wir halten es nicht lange hier aus, man kannnicht atmen. Aber erst wenn der Raum besetzt ist, wie mutz dasseinl Wir fragen den Matrosen, ob die Luft während der Fahrtnicht mildere? O, mein Herr, sagt er, die Leute schließen dieFenster mehr, als sie sie öffnen. Nun stellen Sic sich's vor.— IAn einer weiten halbkreisförmigen Bucht, nördlich von St.Nazaire, liegen die fashinoblen Badeorte Pornichet, la Baule, lePouliguen. Hier trifft man Paris. Vornehme Villen, feine Hotels,herrschaftliche Wagen, reiche Toiletten, Kasino, Pariser Konditoreienund Cafes. Hier hatte der verkrachte Zuckcrkönig Cronier seineVilla, prachtvoll gelegen, von hier aus hat er die letzten verzweifeltenSpekulationen unternommen, ehe er nach Paris fuhr und sich dasLeben nahm. Das Meer ist blau. Das Land hat das dunkle Gründes Nadelwaldes. Die Küste zeigt zur Ebbezeit das wcißgelbeBand des Sandes. Dieses Band zieht sich die ganze Bucht Jerumund dehnt sich weit hinaus ins Meer. Und wie die Formen undLinien einer Stickerei, einer sehr bunten Stickerei, wirkendie Gestalten, die sich am Strande tummeln, imSande liegen, graben, fischen, sich dehnen, spielen,lesen. Die meisten, am unteren Rande, zu dem das Wasser leckt,im Badekostüm, Männlein und Weiblein, weil den französischenSeebädern ganz und gar die Prüderie und gezierte Züchtigkeit derdeutschen fehlt. Am oberen Rande des Sandstrcifens— der Plage— stehen die Zelte und Badekabinen, zunr Teil bunt gestrichen, mitFahnen geschmückt, hell, farbig, lustig. Die Eisenbahn, die die Halb-insel durchquert, fährt hier dicht am Strande, eine elektrische Bahnverbindet die drei Badeorte. Man verträumt hier einen Sommer-tag. Es ist, als habe das Leben nur Glück. Es löst sich alles inHeiterkeit, es wird alles Licht. Blau, weiß, grün, Meer, Strandund Wald. Und hinten erhebt sich das Land in einem lang-gezogenen Hügclrücken. Da thront Guerande, die alte Feste. Einnoch vollständig von Graben und Wall und granitene Ringmaueraus dem 15. Jahrhundert eingeschlossenes Städtchen, eine kleineWelt für sich. Allmonatlich kommen hier die Bauern aus derganzen Umgegend zu Markt. Schweine, Kälber, Pferde, Schafewerden angetrieben, irdenes Geschirr wird feilgeboten, und alles