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nahm sich vor, die Mutter um Verzeihung zu bitten, alsdann, daß ihr die Zeit nit lang wurd und daß se nit enaufgelaufe und sie kam sich entseglich schlecht vor, weil sie's am Kon- is zu ihrer Mutter." firmationstag nicht getan hatte.
Die Tränen famen ihr. Sie überdachte, wie viel fie verschuldet habe daheim, und wünschte, noch einmal nach Haus kommen zu dürfen, um alles gut zu machen.
Wenn sie aber dabei sah, wie sie hier alles zur Zufrieden Heit verrichtete, wälzte sie unbewußt und wohlgemut einen großen Teil ihrer Schuld auf die Mutter, und indem sie ihre Schuld kleiner dünkte, erschien ihr ihre Neue um so größer. Und stillschweigend rechnete sie sich ihre große Neue als einen fleinen Ertraverdienst an.
In den langen Winterabenden saß die Luis oft im Nähstübchen und flickte und stopfte.
Und öfter und öfter kam in den Wochen vor Weihnachten Lätitia mit einer feinen Handarbeit zu ihr herüber, und dann plauderten sie zusammen.
Lätitia fragte sie nach zu Hause und nach dem Christian. " Ja!" sagte sie eines Tages, ich habe mit dem Onkel Herbert über Deinen Bruder gesprochen. Er wird wohl ein Stipendium von fünfzig Mark monatlich bekommen. Aber das langt ihm nicht für alles, Kleider und Bücher!"
,, Nicht?" Enttäuscht senkte die Luis den Kopf; sie hatte hoch aufgehorcht. Fünfzig Mark monatlich dünfte sie eine große Summe.
,, Nein," fuhr Lätitia fort, aber nun höre! Mein Vater will alle Kosten, die mit den fünfzig Mark nicht zu bestreiten find, tragen, so lange der Christian lernt!"
Ueber das Gesicht der Luis ging die Freude, aber sie ging flüchtigen Fußes und ließ keine Spuren zurück.
Sie seufzte. Ich glaub nure es dauert fünf
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Jahr, bis der Christian was is, und eso lang wird der Vater nit warte könne..!"
"
Aber wenn er doch gar nichts für ihn bezahlen muß!"
" Ja, hm
Christian!"
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Aber nachher!
er verdient aber doch nix dann, der
"
" Ja!" die Luis fann.
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" Hat denn Dein Bater schon gesagt, daß er nicht haben will, daß der Christian Lehrer wird?"
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,, Er weiß noch nix! Wenn ich heimfomme an Weihnachte, will der Christian' s em sage aber-" Warum will er's ihm erst dann sagen?" " Ich bin dann derbei und kann
Mutter
,, Sie ist nicht dafür?"
em helfe, denn
Er seufzte. Ja, die hat als für mich gesorgt! Und heut frage mer de Vater, gelt? Denn weißt, ich halt's nit mehr aus!"
Sie waren in die Hintergasse gekommen. Vor der Haustür stand der August im Sonntagsanzug, und neben ihm rekelte der Peter an der Wand.
Der war fein und schlank gebaut und überragte den August um einen halben Kopf. Er hatte eine Zigarre im Mund und den Hut in den Nacken gerückt.
„ Ach, es Luis!" riefen beide, als sie die Geschwister kommen sahen.
,, Auch emal da?" sagte der August und gab dem Mädchen die Hand.
Der Peter guckte sie einen Augenblick lang mit einem fecken, prüfenden Blick an und schwieg.
Burschen, und ihr Herz neigte sich dem hübschen zu.
Die Luis sah den Unterschied zwischen den beiden
"
Aber sie fragte den August: Was macht de Schlosserei?" ,, Ach, es geht all, weißt, es erscht Jahr is immer es schlimmst!"
"
Und Du, Peter?" sagte sie dann, was lernst Du?" In dem Gesicht des Knaben zuckte es. Seine Lippen fräuselten sich, und er zog die Augenbrauen ein wenig zujammen.
Was ich lern?" wiederholte er höhnisch. Sch? nir!" Wie die Luis das hörte, tat ihr die Frage leid. Sie befann sich, was sie ihm gutes sagen könnte.
Der August aber sagte achselzuckend:„ Er geht in die Fabik und schafft sich feine Kleider an, trinkt Bier und raucht Zigarre!" ,, Er tät gewiß auch lieber was lerne, als in die Fabrik gehn!" meinte die Luis.
( Fortsetzung folgt.)
Im Dunkeln.
Aus dem Russischen.
( Nachdruck verboten.)
die anwaltsgehülfen und Hofrats Gagin ein. Mag fie die Neugierde Eine Fliege mittlerer Größe dringt in die Nase des Staats
Nein! Sie ist halt immer nit gesund, und das kost, da wär's er lieb, wenn der Christian gleich verdiene tät! Und dann is ihr Franz da, der kommt auch an Ostern aus der Schul!"
,, Nun, der kann ja dann verdienen...!" Ja die Luis wurde verlegen. Wie sollte sie Wie sollte sie jetzt die Wahrheit sagen ohne zu verleumden! Und sie sprach hochdeutsch:" Der Franz ist der Mutter ihr rechtes Kind, da hat sie ihn lieber ..!" Aber er ist doch nicht so klug wie Dein Bruder?" Die Luis schüttelte den Kopf. Er sitzt immer in der letzten Bank, aber' s ist halt ihr Bub!"
"
Fräulein Lätitia ließ jedoch keine Bedenken gelten. wird schon gehen," sagte sie. Dein Vater ist ein nünftiger Mann!"
Ja," nickte die Luis, wenn die Mutter nit wär!" So fam Weihnachten heran.
Es
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plagen, oder mag sie vielleicht aus Uebermut oder nur in der Dunkelheit hineingeraten sein die Nase läßt sich den Eindringling nicht gefallen und gibt das Signal zum Niesen. Gagin niest, nieft mit Gefühl, mit durchdringendem Pfeifen, niest so laut, daß das Bett kracht und die beunruhigte Sprungfedermatrage ächzt. Die Frau Gagins, Marie Michailowna, eine große starte Blondine, zuckt zusammen und erwacht. Sie starrt in die Dunkelheit, seufzt und breht sich auf die andere Seite. Nach fünf Minuten dreht sie sich wieder um, drückt die Augen zu, aber der Schlaf kehrt nicht mehr zurück. Nachdem sie sich seufzend von einer Seite zur anderen gewälzt hat, erhebt sie sich, steigt über ihren Mann hinweg, zieht Pantoffeln an und geht zum Fenster.
Auf dem Hofe ist es dunkel. Nur unflar erkennt sie die Umrisse der Bäume und die dunklen Dächer der Scheunen. Im Osten wird es langsam hell, aber diese Helligkeit beginnt sich schon wieder durch Wollen zu trüben. In der nebeligen Luft Stille. Sogar der ver- Wächter, der sein Geld dafür bekommt, daß er mit seiner Schnarre die nächtliche Stille stört, schweigt; auch die Wachteln schweigen. Plötzlich schreit Marie Michailowna entfezt auf. Es scheint ihr, als ob aus dem Garten mit den sorgfältig beschnittenen Bappeln eine dunkle Gestalt sich auf das Haus zu bewegt. Zuerst glaubt fie, es sei eine Kuh oder ein Pferd, dann aber, als sie sich die Augen gerieben hat, unterscheidet sie deutlich menschliche Konturen. Sie sieht, wie diese dunkle Gestalt auf das Küchenfenster zustrebt, eine Weile, augenscheinlich unentschlossen, stehen bleibt, dann einen Fuß auf das Gefims hebt und in der Küche verschwindet. Ein Dieb fährt es ihr durch den Kopf, und tödliche Blässe bedeckt ihr Gesicht.
Und früh am zwetten Feiertag fuhr die Luis mitten Surch die beschneite Ebene heim.
Ihr Herz klopfte laut, und am Bahnhof sah sie Sen Christian nicht vor Aufregung.
zuerst
Als er sie aber am Aermel zupfte und ihr die Hand hinstreckte, da kamen ihr Tränen in die Augen.
Der Johann stand neben dem Christian und schaute erstaunt zur Schwester auf.
Wie geht's derheim?" Ah, gut soweit, aber
-na, Du wirst sehn!"
Die Luis schwieg. Es mag gut aussehn, dachte sie und schritt rascher aus.
"
Und hast als Dein Aufgabe mache könne?"
" Ach Gott !" der Bub zuckte die Achseln, weißt, wenn es Minche nit gewese wär!" er lachte wie die's Schenie gum Leut anführe hat!
Oft als hat se en ganz Stund lang bei der Mutter für mich die Arbeit getan und hat ihr als Zeug vorgeschwäßt,
In einem Augenblick zeichnet ihre erregte Phantafie ein schreckliches Bild: Der Dieb steigt in die Küche ein aus der Küche ins Speisezimmer das Silber im Büfett! Dann weiter ins Schlafzimmer Art!- Banditengesicht!- Goldfachen-
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Die Knie brechen unter ihr zusammen; eine Gänsehaut läuft ihr über den Rücken.
Wassja!" beginnt sie ihren Mann zu rütteln.„ Waffil! Wassil Prokofitsch! Ach, mein Gott! Er schläft wie ein Toter! Bache auf, Waffil! Ich beschwöre Dich!"
Was ist denn los?" gähnte der Staatsanwaltsgehülfe, die Luft anziehend und schmayende Laute von sich gebend.
Wach' auf, um Gotteswillen! In die Küche ist ein Dieb eingestiegen! Ich stehe am Fenster, plöglich sehe ich, wie jemand ins