Das welke Laub raschelte zu ihren Füßen, die dürren Zweige knisterten, wenn die Kinder sie zusammenbrachen und im Tuch aufeinanderpreßten. Der kleine Johann hatte einen ganzen dicken Ast ent- deckt. Jubelnd schleifte er ihn hinter sich her. Der Franz stürzte ihm entgegen.„Gib," sagte er, und Mit Hand und Fuß zerbrach er ihn und schnürte ihn auf sein Bündel. „Ich bin fertig!" rief er dann und legte sich neben seiner Last ins Moos und in das aufkeimende Grün der Heidelbeer- standen. „Und ich?" fragte der Johann traurig.„Mein großer Ast!" Und er weinte. „Komm, geh mit mir suche, ich weiß noch feine Plötz!" sagte das Minchen, das gerade vorbeikam, und faßte den Kleinen bei der Hand. Und sie durchstreiften den Wald. Es wurde lauter rings um sie her. Im knisternden Laub hörte man schritte kommen und gehen. Als sie Hunger verspürte, zog das Minchen sein Brot aus der Tasche, und auch der Johann griff nach dem seinen. „Haste was drauf?" fragte das Minchen. Das Kind verneinte und schielte hinüber nach den Scheiben, die das Mädchen auseinandergeklappt hatte. „Gib mal Dein Brot her!" sagte sie, und mit dem Zeige- finger strich sie das Mus von ihrem Brot auf das des Kleinen. Der schaute ihr mit andächtigem Gesicht zu, und dann vesperten sie beide. Während sie noch aßen, tönte fröhlicher Sang zu ihnen. „Der Jäger ans Kurpfalz !" sangen sie hoch oben im Gehölz und tief unten, wo sich der Wald schon durchs Tal hinzieht, antwortete es„Ter Jäger aus Kurpfalz!" Hastig verzehrte der Johann sein Brot, und dann stiininte auch er in das Lied ein mit leuchtenden Augen und frohem Gesicht. Aber der Sang verstummte. Nur das Knistern und Knastern zusammengeraffter und zusammengebrochener Aeste tönte fort, und das Rascheln der Füße im Laube. Als sich vom Tal herauf die Dämmerung in den Wald schlich, band das Minchen seinen Bündel und den des Johann zusammen. Sie krochen durchs Gebüsch und liefen zwischen� den Reihen der hochstämmigen Bäume hindurch, bis sie auf den Weg kamen, der sie zur Platanenallee führte. Dort erwartete sie der Christian: der Franz war schon nach Hause gegangen. „Wolle mer was singe?" fragte das Mädchen. Es hatten sich noch ein paar andere Buben und auch ein paar Mädchen zu ihnen gesellt, lind während sie munter fürbaß zogen, tönten die weichen, langgezogenen Weisen in den sinkenden Abend hinein. „Wenn ich mich nach der Heimat sehn, wenn mir im Aug die Tränen stehn..." sangen die Kinder, die noch nichts von Heimweh wußten. Nur der Christian ging schweigend unter ihnen. Er dachte an die Paula, und daß er morgen Abschied von ihr nehmen müßte. Andern Tages, als er zu Eckels in die Stube trat, saßen der Eckel und die Frau, die er vor einigen Wochen geheiratet, ein blühendes Weib mit schwarzem Haar und dunklen Augen, noch am Tisch, und auch der Peter aß noch. Die Paula allein war fertig. Sie stand vor dem kleinen Spiegel, der in der Fensternische hing, und fuhr mit dem Kamm durch das schwere, blonde Haar. Das fiel lose über ihre Schultern, und die Sonne flimmerte auf ein paar flatternden Strähnen, daß sie leuchteten wie Gold. Die Wände der Stuben waren verräuchert, sie schienen fast schwarz. Der Fußboden war dunkel, und Staub wirbelte in der Luft. Alles war häßlich und düster in der niederen Mansarde, und mitten darin das hochgewachsene hübsche Mädchen mit dem losen, lichtblonden Haar. Dem Christian stieg etwas ihm Unerklärliches in der Kehle auf. Etwas wie Schmerz oder Durst. „Na, Herr Lehrer, kommen Se aucki noch zu uns erauf?" rief der Peter dem Kameraden vom Tisch herüber zu. „Noch bin ich kein Lehrer," sagte der Christian. „Nee, wenn das erst bist, kommste nimmer zu uns!" „Er wird nit," sagte die Paula. Sie fuhr noch einmal mit dem Kamm durchs Haar und wandte dem Christian ihr Gesicht zu. Ihre Augen begegneten denen des Knaben. Dann kämmte sie ihr Haar hoch und schlang es zu einem I
„Du!" sagte der Christian da plötzlich.„Du, Paula, is es wahr, daß de tanze gehn willst an Kirmes?" Die Paula antwortete nicht sogleich, sie war zu sehr mit ihrem Haar beschäftigt. Der Peter aber lachte. „Na da sag ich nix mehr! Was geht's denn Dich an, ob das Paula tanzt oder nit!" „Das Paula tanze!" warf des Eckels Frau dazwischen.- „Tanze?" sie lachte.„Mit vierzehn Jahr tanze, da tät se ja die Polizei hole!" �Wer sagt denn überhaupt, daß ich tanze will?" fragte die Paula. „Da, der Herr Lehrer!" „Wer hat denn Dir das gesagt?" wandte sich das Mädchen an den Christian. Sie trat ganz dicht vor ihn hin. „Du hast's doch em Minche gesagt!" „Ich gesagt, daß ich tanze wollt? ha!" Die Paula warf den Kopf zurück und zuckte die Achseln.„Ich Hab gesagt, daß ich könnt, wenn ich wollt. Große Bursche von achtzehn Jahr, und noch ältere, haben mich gefragt, ob ich mit ne ging, aber--" Das Mädchen machte ein hochmütiges Gesicht. Der Eckel lachte. Er klopfte seiner Frau derb auf die Schulter.„Die wird, hä?" sagte er. „Du, Paula, ich tät mer an Deiner Stell doch nix vom Herrn Lehrer verbiete lasse!" höhnhe der Peter. Seins Augen funkelten. „Verbiet er mir denn was?" fragte das Mädchen. Der Bursche aber wandte sich an den Christian.„Weißt, bei uns brauchst mit Deinem Lehrerwerde nit zu prahle! Wenn Dir es Luis nit geholfe hätt— und wenn De nit en Stipendium gekriegt hättest, weil... weil-- ja, ja! Du hast wohl gewußt, warum De als eso gut Freund warst mit dem Pfarrers Bub, und warum De keine andere zu em gelasse hast...!" „Halt jetzt emal endlich es Maul!" schrie der Eckel seinen Bub an. Der Christian gab der Paula die Hand.„Adieu," sagte er. „Ich geh mit der!" sagte das Mädchen. Sie nahm ihr Butterbrot vom Tisch und wickelte es in Zeitungspapier. „Adieu beisammen!" rief der Christian noch, und mit- einander gingen sie hinaus. „Vergeht mich nit, Chrischan, wenn"De in der feinen Lchrerschul bist?" fragte das Mädchen und blitzte ihn an mit den hellen blauen Augen. „Wo wer ich, Paula! Aber Du darfst auch nit tanze gehn, gelt?" Er hielt sie fest beim Handgelenk. „Du hörst ja, ich darf gar nit!" „Und wenn De darfst?" „Das hat noch Zeit! Adieu auch!" Sie entriß ihm ihre Hand und klopfte ihm auf die Schulter.„Letztbatfch!" sagte sie und wollte davonspringen. Er faßte sie beim Arm. Sie tat, als wollte sie sich von ihm freimachen und preßte sich nur fester an seine Brust. Er fühlte ihren heißen Atem auf seinem Hals. Ein Schauer durchschüttelte ihn. Seine Finger zitterten, und seine Hände lösten sich von ihrem Arm und ihrer Hüfte. Eine Sekunde lang stand er reglos, leichenblaß im Gesicht. Auf seiner Stirn war der kalte Schweiß. Erstaunt betrachtete ihn das Mädchen. Dann sprang sie vor ihm her die letzten Stufen hinab. Von unten fah sie zu ihm herauf. „Lern, daß De en gescheite Mann wirst!" rief sie,„dann ärgert sich unser Peter grün und gelb!" Gleich darauf war sie verschwunden.
13. Es ging bereits auf den Herbst zu, als die Luis.in einem kurzen Schreiben den Eltern meldete, daß sie auf acht Tage zu ihnen kommen würde. Ihre Herrschaft hatte ihr, während sie im Bade war, den kurzen Urlaub bewilligt. Sobald sie den Brief gelesen, vollendete die Marie die begonnene Arbeit des Stubenreinigens nur ganz obenhin, indem sie überlegte, daß die Luis, wenn sie kommen würde, Hausputz halten könne. Des weiteren suchte sie die schmutzige Wäsche hervor, die sich ziemlich angesammelt hatte. Wenn die Luis kam, sollte sie nur auch gleich.große Wäsche halten! Es war an einem Samstag morgen, als das Mädchen daheim einzog. Und eine halbe Stunde später war sie schon dabei, die Kücke»u vutzen.